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Gastbeitrag: Das Dilemma der Emissionsgutschriften – ein neuer Ansatz

Verifizierbare Reduktion von CO2-Emissionen und die Wiederherstellung von Natur mit finanzieller Rendite zu verknüpfen, ist schon lange ein höchst erstrebenswertes Ziel für klimabewusste Investoren.

Robert Hall

Da wir uns auf ein +2°C-Szenario der globalen Erwärmung zubewegen, wird die Notwendigkeit der CO2-Emissions-Reduktion immer dringlicher. Der Klimawandel und die natürliche Umgebung lassen sich nicht voneinander trennen – die globale Erwärmung wird sowohl durch veränderte Landnutzung als auch durch die Zerstörung von Natur und biologischer Vielfalt angetrieben. Doch die Mechanismen, die den Klimaschutz und die Wiederherstellung der Natur mit einer Rendite für Investoren verbinden, sind seit langem problematisch – und viel zu oft von der Lebenswirklichkeit der Menschen und ihren betreffenden sozialen Gemeinschaften abgekoppelt. Darüber hinaus muss auch berücksichtigt werden, wie sich Investitionen in die Natur auf die Widerstandsfähigkeit ländlicher Gemeinschaften auswirken können.

Ein damit verbundenes Problem ist oft die Qualität von Projekten zur CO2-Reduzierung. Die Investitionsnachfrage hat zugenommen, aber das Angebot hält damit nicht Schritt. Die Glaubwürdigkeit einiger Projekte ist sehr fraglich. Ganz zu schweigen von der Möglichkeit eines erhöhten 'Delta' – sowohl in Bezug auf das Risiko als auch auf die Rendite – zwischen verschiedenen freiwilligen CO2-Märkten. Mittlerweile existiert zum Beispiel ein großes Angebot an Emissionsgutschriften, die Unternehmen für nur fünf US-Dollar pro Tonne kaufen können. Die Frage ist aber, ob die Käufer verstehen, wofür diese Gutschriften stehen.

Häufig stammen die Gutschriften aus Projekten mit langen Vorlaufzeiten von 50, 60 oder sogar bis zu 100 Jahren. Das bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt des Verkaufs oft nicht annähernd die CO2-Reduzierung erreichen, für die sie verkauft werden. Die Projekte verkaufen Emissionsgutschriften im Wert von einem Jahrhundert, bevor sie von den Käufern als CO2-Ausgleich verwendet werden können. Dadurch setzen sie effektiv den Preis für ein Jahrhundert fest und verzichten damit auf die Möglichkeit, zukünftig höhere Einnahmen zu generieren. Was, wenn den Projekten das Geld ausgeht und sie nicht mehr weitergeführt werden? Es könnte also zu einem Missverhältnis kommen zwischen dem, was versprochen wurde, und dem, was geliefert wird.

Derartige Transaktionen bestimmen heute den internationalen freiwilligen CO2-Markt; sie untergraben die Glaubwürdigkeit dieser Märkte und damit deren Fähigkeit, den Klimawandel zu mildern. Zugleich setzen sie auch Käufer von CO2-Gutschriften – und Endinvestoren von CO2-Projekten – einem Investitionsrisiko aus. Es besteht eine hohe Gefahr, dass viele Projekte scheitern, denen es an Finanzierung, Kompetenz und wissenschaftlicher Grundlage mangelt. Und die, was noch schlimmer ist, weder eine finanzielle Rendite noch eine signifikante CO2-Reduktion für künftige Generationen erbringen können. Wir müssen sicherstellen, dass diese fragwürdigen Projekte keine negativen Auswirkungen auf lokale Gemeinschaften haben und biodiverse Landschaften nicht durch monokulturelle Plantagen ersetzen.

Ein neuer Ansatz
Warum ist es also wichtig, auf seriöse und konstruktive Weise in die Natur zu investieren? Nach Angaben des WWF sind die weltweiten Wildtierpopulationen in nur 50 Jahren um 69% geschrumpft - ein erschreckendes und beunruhigendes Ausmaß. Wir brauchen einen neuen Ansatz, der sich an den wissenschaftlichen Erkenntnissen des Klimawandels, aber auch an der Ökologie und der Biologie orientiert und auf eine gleichberechtigte Zusammenarbeit mit den aktuellen Landbesitzern, regionalen Versorgungsketten und Gemeinden abzielt. Es besteht ein Bedarf an Projekten mit soliden wissenschaftlichen Grundlagen, die langfristig Integrität, Transparenz und kontinuierliche Sicherheit bieten und – in Verbindung mit einer Absicherung des Risikos – eine attraktive Rendite für Investoren ermöglichen.

Die Investmentbranche muss Lösungen bereitstellen, damit Investoren Kapital für Natur-Restaurierungsprojekte allokieren können. Zugleich muss sie institutionellen Investoren ermöglichen, finanzielle Erträge durch den Verkauf von Ökosystemdienstleistungen wie CO2-Zertifikaten und Biodiversitätseinheiten zu erzielen. Und es geht nicht nur um Bäume! Wir müssen auf einer vollständig diversifizierten Basis in das gesamte Spektrum von Land, Flüssen, Küsten und Meeren investieren.

Entscheidend ist, dass CO2-Gutschriften erst dann verkauft werden, wenn sie verifiziert wurden. Mit anderen Worten: Wir sind der Meinung, dass sie erst dann an Investoren verkauft werden sollten, wenn die Projekte, mit denen sie verknüpft sind, bereits laufen und tatsächlich nachweislich das tun, wofür sie konzipiert wurden. Das bedeutet natürlich nicht, dass Projekte nicht von Anfang an finanziert werden können – und hier klafft eine große Lücke. Zwischenfinanzierungen können eine wichtige Rolle dabei spielen, dass qualitativ hochwertige Projekte auf den Weg gebracht werden können. Wir müssen den Markt für Emissionsgutschriften und den Markt für naturbasierte Lösungen im Allgemeinen überdenken und weiterentwickeln.

Investoren müssen Vertrauen in die Governance und den rechtlichen Rahmen haben können, die den Projekten zugrunde liegen. Und es geht auch darum, Transparenz zu schaffen, zum Beispiel bei der Preisgestaltung für CO2 oder biologische Vielfalt. Letztendlich geht es sogar um die grundlegendsten Aspekte wie Landbesitz und Zugang zum Land, um zu beobachten, ob die Versprechen auch tatsächlich eingehalten wurden.

Bei naturbasierten Investitionen muss auch sichergestellt werden, dass die lokalen Gemeinschaften in den Prozess einbezogen werden. Geschieht dies nicht, stellt das unserer Ansicht nach ein Risiko für die Investoren dar. Durch eine systematische Zusammenarbeit mit den lokalen Gemeinschaften können Anleger durch Investitionen in Projekte und Unternehmen der Lieferkette zum sozialen „Impact“ vor Ort beitragen. Dazu gehört auch die Schaffung von qualifizierten „grünen“ Arbeitsplätzen in sogenannten „zurückgelassenen“ und ländlichen Gebieten, die zum Wachstum der lokalen Wirtschaft beitragen.

Abb. 1: Eine natürliche Verbindung: Umweltgüter und Wertschöpfung


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*) Robert Hall ist Director Earth Systems Impact Investment bei Federated Hermes Limited.

Die hier vertretenen Ansichten und Meinungen sind die des Verfassers. Sie decken sich nicht zwangsläufig mit den in anderen Mitteilungen ausgedrückten oder wiedergegebenen Ansichten. Diese Mitteilung ist weder eine Aufforderung noch ein Angebot zum Kauf oder Verkauf der darin erwähnten Wertpapiere oder Finanzinstrumente.