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„Es gibt Anzeichen für eine Trendwende am Markt“

IPE D.A.CH Chefredakteur Frank Schnattinger sprach mit Jochen Schenk, Vorstandsvorsitzender der Real I.S. AG sowie Vorstandsmitglied und Vizepräsident des Immobilienverbands ZIA, über die Aussichten am Immobilienmarkt für 2024 und die zunehmende Bedeutung von ESG-Aspekten bei der Definition von Core-Immobilien.

Jochen Schenk

IPE D.A.CH: Herr Schenk, im Jahr 2023 sah sich die Immobilienbranche mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert. Wie schätzen Sie die Aussichten für 2024 ein?
Schenk: Obwohl die nächsten zwei Jahre weiterhin anspruchsvoll sein werden, gibt es bereits jetzt Anzeichen für eine Trendwende am Markt, die Anlass zu vorsichtigem Optimismus geben. Dazu gehört beispielsweise, dass die EZB aufgrund sinkender Inflationsraten und -erwartungen vorerst keine weiteren Leitzinserhöhungen in Aussicht gestellt hat. Und es gibt bereits opportunistische Anleger, die wieder in den Markt investieren. Auch wir sind auf der Suche nach Opportunitäten und gehen davon aus, dass sich der Markt voraussichtlich im zweiten Halbjahr 2024 erholen wird. Die resultierenden Transaktionen dürften dann im Jahr 2025 sichtbar werden und zu einem entsprechenden Umsatzaufschwung führen.

IPE D.A.CH: Also werden die Preise wieder anziehen?
Schenk: Mittelfristig ja. Aber für 2024 muss zunächst mit weiter sinkenden Immobilienpreisen gerechnet werden, da die Renditen oft noch nicht stimmen im Vergleich zu anderen Anlagemöglichkeiten wie risikolose Staatsanleihen.

IPE D.A.CH: Sind Immobilien somit weniger interessant für Anleger?
Schenk: Im Gegenteil, Immobilien bleiben eine attraktive Option. Bei genauer Marktselektion nach Nutzungsart und Standort – das ist natürlich die Voraussetzung – eignen sich Immobilien nach wie vor hervorragend zur Diversifizierung von Portfolios. Im Gegensatz zu anderen Assetklassen sind sie deutlich weniger volatil, was sich auch an der langgezogenen Preisfindung ablesen lässt, wie wir sie momentan am deutschen Markt erleben. Immobilieninvestoren sollten sich rechtzeitig positionieren, um Opportunitäten nutzen zu können.

IPE D.A.CH: Wo sehen Sie aktuell Chancen für Immobilieninvestoren?
Schenk: Chancen sehen wir zum Beispiel weiterhin im Bereich hochwertiger Büroimmobilien in Top-Lagen von Metropolen. Das ist nicht nur auf Deutschland bezogen, sondern auch andere europäische Länder mit solider wirtschaftlicher Entwicklung sind interessant, wie Irland, Spanien, Portugal und Luxemburg. Auch dort kann die Vermietung von Büroflächen in erstklassiger Lage durch die stabile Nachfrage dazu beitragen, langfristige Einnahmen zu sichern und das Portfolio widerstandsfähig gegenüber Marktschwankungen zu machen. Hinzu kommt, dass das Angebot an Neubauflächen momentan immer knapper wird, was den Bürovermietungsmarkt insgesamt stützt. So werden beispielsweise in den deutschen Großstädten rund 440.000 Quadratmeter Bürofläche vorerst nicht fertiggestellt – das stellt eine erhebliche Angebotsreduzierung dar.

IPE D.A.CH: Also beste Voraussetzungen für Investitionen in Core-Büroimmobilien, oder worauf müssen sich Immobilieninvestoren 2024 noch einstellen?
Schenk: Ihnen muss vor allem bewusst sein, dass die Anforderungen an das Management von Portfolios und Immobilien steigen. Die Arbeit mit den Immobilien und die Interaktion mit den Mietern sind wichtiger denn je, um schnell auf veränderte Anforderungen reagieren können und eine stabile Performance der Immobilien zu sichern. Dabei gewinnen ESG-Aspekte übrigens zunehmend an Bedeutung. Diese spielen bereits eine immer größere Rolle bei der Neudefinition, was genau Core ist, und letztendlich auch für den Marktwert eines Gebäudes. Die Grenzen haben sich bereits verschoben. In Zukunft werden ESG-Aspekte, die Kompatibilität des Gebäudes mit dem Pariser Klimapfad und die Konformität mit der EU-Taxonomie noch viel entscheidender sein für die Resilienz eines Immobilienportfolios.

IPE D.A.CH: Welche Rolle spielt bei dieser Entwicklung konkret die ESG-Regulierung?
Schenk: Grundsätzlich sind die ESG-Vorschriften ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Denn der Handlungsdruck der Immobilienbranche zu mehr Nachhaltigkeit ist außerordentlich groß, um zum Erreichen des Klimaziels der Europäischen Union beizutragen, bis 2050 klimaneutral zu werden. Schließlich nimmt sie dabei eine Schlüsselrolle ein. 75% des europäischen Gebäudebestands gelten als energetisch sanierungsbedürftig. Ohne die ESG-Regulierung würde nichts beziehungsweise nicht genug passieren. Allerdings birgt die bisherige ESG-Regulierung noch Optimierungsbedarf.

IPE D.A.CH: Worin sehen Sie das Problem?
Schenk: Das Problem ist, dass die Offenlegungsverordnung und die Taxonomie zwei ganz unterschiedliche Regime sind und dass Kapitalströme vor allem in neue Gebäude gelenkt werden. Diese sind allerdings bereits besonders energiesparend und emissionsarm aufgrund der geltenden energetischen Standards. Dadurch konzentrieren sich Investoren auf Projekte, die ohnehin klimafreundlich sind. Es besteht die Gefahr, dass die wirklich bedürftigen Immobilien, die der wahre Hebel für Klimaschutz sind, vernachlässigt werden und nach und nach verfallen bzw. durch Neubauten ersetzt werden. Das führt gleichzeitig zu einem Anstieg der Treibhausgasemissionen, vor allem der grauen Emissionen, und zu einem zusätzlichen Ressourcenverbrauch.

IPE D.A.CH: Was könnte eine Lösung sein?
Schenk: Dass die EU-Taxonomie angepasst wird und Sanierungen von besonders ineffizienten Bestandsgebäuden künftig ebenfalls als taxonomiekonform klassifiziert werden. Damit könnte ein großes Potenzial für den Klimaschutz genutzt werden. Der ZIA zum Beispiel hat vorgeschlagen, dass Gebäude, die durch Renovierung eine 50%ige Senkung ihres Primärenergiebedarfs erreichen, als taxonomiekonform gelten sollten. Nur wenn eine solche relevante Verringerung des Energiebedarfs im Gebäudebestand als taxonomiekonform eingestuft werden kann, wird diese Art von Investition auch für Investoren attraktiv und entsprechend Investitionskapital gezielt in die Sanierung des Immobilienbestands gelenkt.

IPE D.A.CH: Herr Schenk, haben Sie vielen Dank für das Gespräch.