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Gastbeitrag: Student Living – neue Perspektiven für urbane Bildungsstandorte

Der Markt für privatwirtschaftlich entwickelte und betriebene Studentenwohnheime – sogenannte Purpose-Built Student Accommodation (PBSA) – gewinnt in Europa an Relevanz. Die Zahl der Studierenden wächst, ihre Anforderungen an Wohnraum verändern sich, und vielerorts bleibt das Angebot an klassischem studentischem Wohnraum weit hinter dem Bedarf zurück.

Antonio Marin-Bataller

Der jüngst von Patrizia veröffentlichte Student City Index bietet eine systematische, datenbasierte Standortanalyse für PBSA-Investments in über 180 europäischen Städten. Die Ergebnisse zeichnen ein klares Bild: Die Nachfrage nach hochwertigem, auf Studierende zugeschnittenem Wohnraum ist strukturell unterversorgt – in Metropolen ebenso wie in kleineren, oftmals traditionsreichen Hochschulstädten.

PBSA unterscheidet sich vom klassischen studentischen Wohnheimbau durch die gezielte Entwicklung auf Basis markt- und betriebswirtschaftlicher Prinzipien. Die Angebote sind deshalb in der Regel wesentlich teurer als öffentlich geförderter studentischer Wohnraum, der hauptsächlich der Unterstützung Studierender mit knappen Budgets dient und für die Betreiber, beispielsweise Studentenwerke, selten rentabel sind.

Dafür haben PBSA-Unterkünfte auch deutlich mehr zu bieten: Sie sind nicht nur funktionale Wohnangebote, sondern integrierte Lebensräume, die sowohl soziale als auch lernbezogene Bedürfnisse adressieren. Die zahlungsbereite Zielgruppe erwartet mehr als ein Zimmer mit Bett und Schreibtisch. Gefragt sind gut gelegene Gebäude mit Gemeinschaftsküchen, Aufenthaltsflächen, Sportangeboten, digitaler Infrastruktur und eine urbane Umgebung. Diese Entwicklung vollzieht sich in ganz Europa und ist Ausdruck eines veränderten Studienalltags, der zunehmend von Internationalität, Mobilität und Selbstorganisation geprägt ist.

Der Student City Index hat aus den 180 betrachteten Standorten die attraktivsten europäischen Märkte für PBSA-Investments identifiziert. Die Analyse basiert auf Kriterien wie Studierendenzahl, Angebot-Nachfrage-Verhältnis bei studentischem Wohnraum, Mietniveaus, Flächeneffizienz und Eintrittsbarrieren in den jeweiligen Märkten. Auch die regulatorischen Rahmenbedingungen für Investitionen in studentisches Wohnen unterscheiden sich von Land zu Land und von Stadt zu Stadt.

An der Spitze des Rankings stehen mit London, Paris und Berlin drei europäische Hauptstädte und zugleich mit die größten Städte des Kontinents. Sie zeichnen sich durch hohe studentische Nachfrage, strukturelle Angebotsengpässe und institutionalisierte Mietmärkte aus – speziell London und Paris auch durch sehr hohe Mietpreise.

In London ist das PBSA-Segment zwar etabliert, doch die Nachfrage übersteigt weiterhin deutlich das Angebot. In Paris verhindert eine geringe Neubautätigkeit die Entspannung am Markt. Berlin wiederum bietet als größte deutsche Universitätsstadt eine wachsende, international ausgerichtete Studierendenschaft bei gleichzeitig begrenzter Verfügbarkeit an zweckgebundenem Wohnraum.

Top-10 für PBSA-Standorte in Europa
1.       London
2.       Paris
3.       Berlin
4.       Wien
5.       Madrid
6.       Kopenhagen
7.       Brüssel
8.       Stockholm
9.       Zürich
10.     Barcelona

Neben diesen drei Hauptstädten zeigt der Index weitere deutsche Städte mit ausgeprägtem Potenzial. Aachen zählt zu den dynamisch wachsenden Clustern mit Technikausrichtung, internationalem Profil und strukturellem Nachfrageüberhang. Leipzig und Bremen werden als liquide, mittelgroße Standorte mit stabiler Nachfragebasis eingestuft. Darmstadt gilt als aufstrebender Markt mit gutem Zugang zu Hochschulen und innovativem Umfeld. Allen genannten Städten ist gemeinsam, dass das PBSA-Angebot – gemessen an der Zahl potenzieller Nutzer – unterentwickelt ist.

Die Attraktivität eines Standorts allein genügt jedoch nicht als Entscheidungskriterium. Für die Qualität eines PBSA-Investments sind weitere Faktoren zu berücksichtigen: Dazu zählt in erster Linie die Lage innerhalb der Stadt – etwa in Bezug auf die Anbindung an Hochschulen, Nahverkehr und infrastrukturelle Knotenpunkte. Auch das Gebäude selbst muss heutigen Anforderungen genügen. Wohnformen mit reinem Minimalkomfort verlieren an Akzeptanz. Gefragt sind Flächeneffizienz, funktionale Grundrisse, Gemeinschaftsflächen und nicht zuletzt auch ESG-Konformität.

Ein wachsendes Thema ist zudem die soziale Erreichbarkeit. Die Zielgruppe der Studierenden ist heterogen, viele sind trotz allem auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen. Die Herausforderung besteht darin, Komfort und Funktionalität mit Mietpreisen in Einklang zu bringen, die innerhalb der wirtschaftlichen Möglichkeiten der Nutzer liegen. Auch PBSA-Investitionen dürfen nicht allein unter Renditegesichtspunkten betrachtet werden, sondern müssen auch langfristige soziale und städtebauliche Aspekte einbeziehen.

In vielen europäischen Ländern – darunter auch in vergleichsweise großen Volkswirtschaften wie Italien oder Spanien – ist der Marktanteil zweckgebundener Studentenwohnheime noch geringer. Barcelona und Turin sind hierfür zwei exemplarische Städte: Die katalanische Metropole zählt zu den beliebtesten europäischen Hochschulstandorten mit stark wachsender internationaler Studierendenschaft, doch das Angebot an zweckgebundenem studentischem Wohnraum ist gering. Dasselbe gilt für die Traditions-Universitätsstadt Turin, in der es kaum entsprechendes Angebot gibt.

Angesichts wachsender Studierendenzahlen, steigender Mobilität und urbaner Verdichtung, bei der studentisches mit konventionellem Wohnen konkurriert, ist davon auszugehen, dass sich die Rolle von PBSA in den kommenden Jahren weiter verstärken wird. Für institutionelle Investoren, die auf strukturelles Wachstum und langfristige Nachfrage setzen, eröffnet sich hier ein klares Handlungsfeld – vorausgesetzt, die Auswahl von Standorten und Assets folgt einer differenzierten, datenbasierten Analyse.

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*) Antonio Marin-Bataller, Head of Living Investment Management, PATRIZIA SE