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Gastbeitrag: Kritische Rohstoffe – warum Investoren jetzt handeln müssen

Der globale Wettlauf um kritische Rohstoffe nimmt weiter Fahrt auf. Investoren sind zunehmend gefordert, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und durch einen aktiven Dialog mit Unternehmen langfristige Risiken in ihren Portfolios zu verringern.

Elissa El Moufti

Lithium, Kobalt, Seltene Erden – sie sind essenziell für Elektromobilität, Windkraft und digitale Technologien. Entsprechend steigt die Nachfrage rasant an: Prognosen zufolge wird sich der Bedarf an mineralischen Rohstoffen für saubere Energietechnologien bis 2040 verdoppeln. Besonders deutlich dürfte dabei die Nachfrage nach Lithium zunehmen – sie könnte bis auf das 40-Fache des heutigen Niveaus ansteigen.

Ein entscheidender Treiber dieser Entwicklung ist der deutlich höhere Rohstoffbedarf moderner Technologien: So benötigt ein Elektroauto etwa sechsmal so viele mineralische Rohstoffe wie ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor. Auch der Ausbau der Windkraft sowie die zunehmende Verbreitung elektronischer Geräte wie Smartphones und Laptops verschärfen den globalen Wettbewerb um diese strategisch wichtigen Ressourcen. Neben den Risiken für die Umwelt gewinnen auch geopolitische Spannungen rund um kritische Lieferketten zunehmend an Bedeutung. Die Verarbeitung der Rohstoffe findet überwiegend in China statt, während der Abbau auf wenige Länder wie Australien, Chile oder die Demokratische Republik Kongo konzentriert ist. Der Zugang zu kritischen Rohstoffen wird damit zu einer strategischen Herausforderung. Dabei geraten selbst ökologisch höchst sensible Gebiete wie die Tiefsee in den Fokus neuer Abbauprojekte.

Umwelt- und Menschenrechtsrisiken wirken sich auf Investoren aus
Der Abbau dieser Rohstoffe hat erhebliche Folgen – primär für Umwelt und Gesellschaft, zugleich aber auch für Unternehmen. Die Gewinnung von Rohstoffen ist energieintensiv und erhöht die Treibhausgasemissionen. Sie zerstört Lebensräume, belastet Böden und Gewässer und führt zum Verlust biologischer Vielfalt. Die Folgen dieser Eingriffe wirken oft über Jahrzehnte hinweg und können sogar die wirtschaftliche Grundlage der Unternehmen selbst gefährden.

Auch die sozialen Risiken sind weitreichend. In der Demokratischen Republik Kongo arbeiten Kinder unter gefährlichen Bedingungen in Kobaltminen. Korruption und fehlende Rechtsstaatlichkeit erschweren faire und transparente Prozesse. Ganze Gemeinden verlieren durch den Rohstoffabbau ihre Lebensgrundlage. In vielen Regionen kommt es zu schweren Menschenrechtsverletzungen – mit gravierenden Folgen für die Betroffenen und erheblichem Reputationsrisiko für die Unternehmen.

Für Investoren ergeben sich daraus deutliche finanzielle Risiken, darunter Reputationsschäden, strengere regulatorische Vorgaben, Lieferkettenunterbrechungen sowie Klagen und Bußgelder.

Nachhaltigkeit schützt Mensch, Umwelt und Renditen – und schafft Stabilität
Nachhaltige Rohstoffstrategien sind heute kein „Nice-to-have“ mehr, sondern eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Unternehmen mit eindeutigen ESG-Vorgaben agieren widerstandsfähiger. Sie erkennen regulatorische Trends frühzeitig, minimieren operative Risiken und stärken ihr gesellschaftliches Vertrauen.

Zugleich steigen die Anforderungen: Lieferkettengesetze verlangen nachvollziehbare Prüfmechanismen, während die EU-Batterieverordnung CO₂-Fußabdrücke und Recyclingquoten vorschreibt. Unternehmen, die keine transparente Lieferkette nachweisen können, riskieren ihre Wettbewerbsfähigkeit.

Doch es gibt auch gute Nachrichten: Technologische Innovationen eröffnen neue Wege. So reduziert Batterierecycling den Bedarf an Primärrohstoffen, fortschrittliche Abbauverfahren verringern Umweltschäden und Materialsubstitution schafft mehr Unabhängigkeit. Investoren sollten gezielt jene Unternehmen fördern, die solche Lösungen entwickeln und umsetzen.

Zudem hat sich die öffentliche Wahrnehmung verändert, da NGO-Kampagnen und soziale Medien den Druck erhöhen. Unternehmen, die nicht frühzeitig handeln, riskieren nachhaltige Imageschäden. Gefragt sind proaktive Investoren, die als strategische Partner dem Weg zu mehr Verantwortung aktiv mitgestalten.

Verantwortung als Investmentchance erkennen
Der Zugang zu kritischen Rohstoffen entscheidet über wirtschaftlichen Erfolg in der Transformation. Investoren spielen dabei eine Schlüsselrolle – sie können durch aktives Engagement nicht nur Missstände aufdecken, sondern zugleich Wandel anstoßen.

Unsere Erfahrung zeigt, dass vor allem der aktive Dialog mit Unternehmen zum Erfolg führt. Entscheidend sind dabei gezielte Gespräche – etwa zur verantwortungsvollen Beschaffung von Kobalt. Positive Ergebnisse zeigen sich unter anderem bei General Motors und Tesla, die durch direkte Partnerschaften mit Minenbetreibern mehr Transparenz schaffen und höhere Standards durchsetzen. Auch die Unterstützung von Aktionärsresolutionen zum Tiefseebergbau trägt dazu bei, bislang wenig beachtete Risiken sichtbarer zu machen.

Fazit
Die Rohstoffwende ist keine Zukunftsvision mehr, sondern bereits Realität. Wer langfristige Werte erhalten möchte, muss Umwelt- und Sozialrisiken entlang der gesamten Lieferkette berücksichtigen. Nachhaltigkeit beginnt am Anfang des Produktlebenszyklus – in der Mine, nicht erst im Werk.

Investoren, die sich diese Verantwortung stellen, schützen nicht nur Umwelt und Menschenrechte, sie sichern sich auch Wettbewerbsvorteile, reduzieren Risiken und stärken die Resilienz ihrer Portfolios. Denn die Energiewende benötigt Rohstoffe – allerdings nur unter verantwortungsvollen Bedingungen.

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*) Elissa El Moufti, Assistant Manager – Engagement bei Federated Hermes