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Gastbeitrag: Das leise Comeback der europäischen Small und Mid Caps

Dieses Jahr kann in Europa zum Jahr der kleinen und mittleren Unternehmen werden. Die Assetklasse hat auch Nachholbedarf, verzeichneten Small und Mid Caps in den vergangenen zwei Jahren doch eine deutliche Underperformance. Für den prognostizierten Aufschwung sprechen mehrere Gründe, ein wichtiger Frühindikator ist aber der anziehende M&A-Markt in Europa.

José Berros

Große europäische Wachstumswerte haben an den Aktienmärkten bereits im vergangenen Jahr wieder gut Fahrt aufgenommen. Es spricht einiges dafür, dass in diesem Jahr auch Unternehmen der zweiten Reihe, die ja immer zeitverzögert, aber dafür etwas stärker reagieren, folgen. Wichtigste Ursache dürften die Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank (EZB) sein, die im Zuge der sinkenden Inflation in der Eurozone von vielen Marktteilnehmern erwartet werden. Besonders Wachstumsaktien litten bekanntlich besonders unter den historisch schnellen Zinsanhebungen der EZB seit 2022. Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch, dass sie nun überproportional von den Zinssenkungen profitieren dürften. Für die kommenden zwei, drei Jahre gehen wir von sinkenden Zinsen aus.

Rückkehr der Kapitalströme und M&A-Belebung
Nach dem Rückzug vieler Investoren aus diesem Segment, erleben wir nun wieder wachsendes Interesse, gerade bei institutionellen Investoren. Besonders seit Jahresbeginn ist dies spürbar. Ein weiterer wichtiger Frühindikator für den sich erholenden Markt für kleinere und mittlere Unternehmen, ist die Zunahme bei Fusionen und Übernahmen von Unternehmen. Diese Entwicklung sehen wir seit rund neun Monaten.

Drei Investorengruppen sind dafür verantwortlich. Da sind zunächst Private Equity Fonds zu nennen. Sie haben seit etwa 2018/2019 erhebliche Summen an frischem Geld eingesammelt, die nun investiert werden müssen. Nach den deutlichen Abwertungen bei Small & Mid Caps sehen diese Investoren attraktive Einstiegsniveaus. Gegenüber Large Caps weisen europäische Nebenwerte derzeit einen Abschlag von ungefähr 5% auf, was dem höchsten Stand seit der Krise von 2009 entspricht, während die Prämie im historischen Vergleich durchschnittlich 15-20% beträgt. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 12,5 in 2024 ist die Assetklasse im Vergleich zum langfristigen Durchschnitt von 16 (MSCI SMID Europe) so niedrig bewertet wie seit dem Beginn der Eurokrise im Jahr 2012 nicht mehr.

Verstärktes Investoreninteresse sehen wir derzeit aber auch bei Familienunternehmen und Mehrheitsaktionäre – beides langfristig orientierte Anlegergruppen. Sie investierten in Aktienrückkaufprogramme. Die Prämie lag in den vergangenen zwei, drei Monaten dabei zwischen 40% und 60% über den eigentlichen Aktienkursen der Unternehmen. Drittens nutzen auch Industrieunternehmen ihre hohen Cash-Bestände, um Übernahmen zu finanzieren. Der lange Atem ist auch ein wichtiger Punkt: Wer einen langfristigen Anlagehorizont hat, muss einfach in dieser Assetklasse aktiv sein. Das zeigt die Performance der vergangenen 20 Jahre. Während europäische Large Caps um durchschnittlich 220% zulegten, waren es bei den mittelgroßen Aktienunternehmen hingegen 650%. Nahezu das Dreifache. Zwischen fünf und zehn Jahren ist dabei aus unserer Sicht das Minimum.

Um noch einige M&A-Beispiele zu nennen: Im vergangenen Jahr übernahm der schwedische Finanzinvestor EQT die Mehrheit an dem Würzburger Thermo- und Isolationsspezialisten Va-Q-Tec. Die Deutsche Börse wiederum kaufte in Dänemark zu. Ziel war der Finanzdienstleister Simcorp. Diese Transaktionen waren wichtige Treiber für den Small und Mid Cap Sektor in Europa.

Wachstumsunternehmen partizipieren an langfristigen Trends
Was kann das positive Szenario für dieses Jahr gefährden? Da sehen wir vor allem einen Verzicht der Notenbanken, in Europa der EZB, auf die erwarteten Zinssenkungen. Dies dürfte Wasser in den Wein der Optimisten schütten. Wir rechnen zwar nicht damit, dass die Zinsen wieder auf das Niveau der langanhaltenden Niedrigzinsphase zurück gehen werden, aber ein Niveau zwischen 3% und 4% erscheint realistisch.

Die Grundstimmung ist also positiv. Generell ist ebenfalls festzuhalten, auch die europäischen Small und Mid Caps profitieren ebenso wie Large Caps von den großen Trends: Digitalisierung, Wachstum der Gesundheitsausgaben und die grüne Transformation der Wirtschaft. Besonders aussichtsreich schätzen wir den Halbleitersektor, als einen der dominierenden Profiteure des KI-Trends ein. Zwei relevante Unternehmen aus den Niederlanden sind zum Beispiel ASML und BE Semiconductor Industries.

Wir bevorzugen ganz klar Wachstumsaktien, wo wir neben dem Halbleitersektor im Moment vor allem Opportunitäten in den Bereichen Pharma, Consumer Electronics und Medtech ausmachen. Aber auch Unternehmen aus dem Bereich erneuerbare Energien sind attraktiv, wie etwa Neoen, der französische Hersteller für Wind-, Solar- und Energiespeicherlösungen. Wir sehen aber nicht für alle Branchen dieselben Chancen. Mit Zurückhaltung schauen wir auf zyklische Aktien: Immobilien- oder Biotech-Unternehmen sind uns zurzeit zu risikoreich. Der Industriestandort Deutschland ist bei Wachstumstiteln eher schwach aufgestellt. Zykliker überwiegen aufgrund der starken Position deutscher Unternehmen in diesem Bereich. Die skandinavischen Länder und auch Großbritannien bieten beim Thema Growth dagegen wesentlich mehr interessante Unternehmen mit einem guten strukturellen Wachstumspfad.

Für Anleger mit einem langfristigen Horizont führt also kein Weg an europäischen Small und Mid Caps vorbei. Und jetzt ist der Zeitpunkt, nach guten Gelegenheiten Ausschau zu halten, denn die Zinsen werden sinken. Zudem zeigt der Blick auf den Gewinn je Aktien: Dieser steigt bei Nebenwerten deutlich schneller als bei Blue Chips.

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*) José Berros ist Fondsmanager des Echiquier Agenor SRI Mid Cap Europe beim französischen Vermögensverwalter LFDE.