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Expertenbeitrag: Der Kreditzyklus schreitet voran

Der aktuelle Kreditzyklus ist mit fast neun Jahren der bislang zweitlängste in der Geschichte, und auch 2017 ist noch kein unmittelbares Ende abzusehen. Die Langlebigkeit des aktuellen Zyklus beruht auf dem moderaten Weltwirtschaftswachstum, der anhaltend lockeren Geldpolitik und dem im historischen Vergleich überwiegend wenig aggressiven Vorgehen von Kreditgebern, Kreditnehmern und Investoren. Der heutige Zyklus wird von einer Reihe historischer Besonderheiten geprägt, die auf regulatorische Änderungen nach der Krise, die Rohstoffblase, den demographischen Wandel und andere Faktoren zurückzuführen sind. Das Ergebnis ist ein asynchroner Zyklus, den die verschiedenen Wirtschaftsbranchen nicht alle mit der gleichen Geschwindigkeit durchschreiten.

Michael Collins

Ausschließlich für professionelle Investoren bestimmt – nicht an Privatkunden weitergeben

In diesem Jahr war zu beobachten, dass die bislang zurückhängenden Sektoren zum Rest der Wirtschaft aufschließen und der Zyklus sich allmählich synchronisiert. In den nächsten zwei Jahren könnte sich dadurch eine Belebung des Kreditgeschäfts und der Investmenttätigkeit ergeben bei gleichzeitiger Abnahme der Gewinnmargen. Die Synchronisierung des Zyklus könnte insbesondere im Zusammenspiel mit einer laxeren Haltung der Regulierungsbehörde in den USA und einer Verschärfung der Geldpolitik den Boden für die nächste Abschwungphase der Weltwirtschaft bereiten. Vor diesem Hintergrund ist die Bottom-up-Analyse bei allen Sektoren und Emittenten gerade jetzt besonders wichtig, um die vielfältigen und teilweise gegenläufigen Trends der verschiedenen Regionen, Branchen und Einzelunternehmen korrekt einschätzen zu können.

Im Folgenden werden wir uns mit dem zyklischen Verhalten verschiedener Wirtschaftssektoren befassen.

Rohstoffunternehmen (international): Zahlreiche Unternehmen aus dem Energiesektor und der Bergbau- und Metallindustrie durchlaufen zügig bereits den nächsten Kreditzyklus. Der letzte Zyklus ging mit der Rezession dieser Branchen in den Jahren 2015 und 2016 zu Ende. Viele Unternehmen haben seitdem ihre Kosten reduziert, die Kapitalinvestitionen zurückgefahren, ihren verfügbaren Cashflow gesteigert und ihre Verschuldungsquote deutlich gesenkt. Da der Ölpreis sich jedoch ebenso wie der Preis vieler anderer Rohstoffe auf vergleichsweise niedrigem Niveau stabilisiert hat, erscheint eine weitere Bilanzkonsolidierung unwahrscheinlich. Tatsächlich zeigen sich viele Unternehmen angesichts ihrer verbesserten finanziellen Aussichten und der guten Verfügbarkeit von Eigenkapital wieder bereit, ihre Investitions- und Produktionsprogramme offensiv voranzutreiben. Bei diesen Firmen handelt es sich in erster Linie um größere, besser diversifizierte Rohstoffunternehmen mit überwiegend guter Bonität. Sie sind im Vergleich zu kleineren, stärker verschuldeten Unternehmen mit Junk-Bond-Rating deutlich besser positioniert. Letztere benötigen meist höhere Ölpreise, um eine Ausweitung ihrer Verschuldung rechtfertigen zu können. Wir gehen davon aus, dass die größeren, diversifizierten Unternehmen weiterhin in der Mittelphase des Kreditzyklus verharren werden, soweit es nicht zu einem erneuten Absturz bei den Rohstoffpreisen oder einer deutlichen Abkühlung des chinesischen Wirtschaftswachstums kommt.

Europäische und britische Banken sind im Zyklus vorgerückt und befinden sich jetzt kurz vor der Halbzeit. Die Entwicklung der Banken folgt im Allgemeinen der Entwicklung der jeweiligen Volkswirtschaft. Und die Wirtschaft in Europa hat 2017 überwiegend positiv überrascht. Die Banken haben ihre Eigenkapitalausstattung verbessert und die meisten Kreditinstitute erfüllen mittlerweile die neuen aufsichtsrechtlichen Anforderungen. Außerdem hat es in jüngerer Zeit endlich Fortschritte bei der Konsolidierung und Restrukturierung der schwächeren Banken in Peripherieländern wie Italien und Spanien gegeben. Nach langem Zögern werden notleidende Kredite jetzt aus der Bilanz entfernt und verkauft. Die gerichtlichen Auseinandersetzungen um die Haftung aus der weltweiten Finanzkrise neigen sich ebenfalls dem Ende zu. Natürlich haben britische Banken und auch andere Banken mit größeren Aktivitäten in London mit den Auswirkungen des Brexit zu kämpfen. Und nicht nur die Banken sind betroffen – die gesamte britische Wirtschaft wird durch den bevorstehenden Austritt Großbritanniens und angesichts des ungewissen Ausgangs der Brexit-Verhandlungen in den nächsten Jahren mit größeren Herausforderungen und Unsicherheiten zu kämpfen haben.

Die US-Banken befinden sich etwa in der Mitte ihres Zyklus. Die großen US-Banken sind ausreichend kapitalisiert und einige schütten sogar mehr als 100 % ihrer Gewinne an ihre Aktionäre aus – sie erhöhen also ihre Verschuldungsquote. Sollte die Trump-Regierung es schaffen, mit der angestrebten Deregulierung des US-Bankensystems voranzukommen, könnte dies für die Banken zu einer weiteren Beschleunigung des Kreditzyklus führen. Wir gehen davon aus, dass eine Lockerung der Kreditstandards bei gleichzeitiger Beibehaltung der höheren Kapitalanforderungen im Fall einer Deregulierung das wahrscheinlichste Szenario ist.

Die US-Verbraucher profitieren von einem starken Arbeitsmarkt, sicheren Arbeitsplätzen, Lohnwachstum und Vermögenszuwächsen durch steigende Immobilienpreise und Aktienkurse. Die Entwicklung hat aber auch Schattenseiten. Viele Verbraucher haben von der positiven Entwicklung nicht profitiert und die Verschuldung der Privathaushalte nimmt wieder zu. Ein großer Teil der Bevölkerung trägt eine erhebliche Schuldenlast in Form von Studiendarlehen, Kfz-Krediten und Kreditkartenschulden. Betroffen sind davon vor allem Schuldner mit unterdurchschnittlicher Bonität. Außerdem ist die Sparquote in den USA von zwischenzeitlich 5 % erneut auf 3 % gefallen, was wenig Potenzial für zusätzliche Ausgaben lässt.

Die Industrieunternehmen in den USA und Europa befinden sich vermutlich am Ende des zweiten Drittels ihres Kreditzyklus. Diese großen Wirtschaftssektoren umfassen Dutzende von Teilsektoren und Tausende von Emittenten mit sehr vielfältigen Trends. Die meisten Unternehmen profitieren von den niedrigen Zinsen, der lockeren Geldpolitik und den guten wirtschaftlichen Fundamentaldaten. Die Unternehmen in Europa sind im Vergleich zu US-Unternehmen weniger bereit, ihre Verschuldungsquote zu erhöhen. Dennoch steigt das Eventrisiko wieder und auch bei der Geldpolitik könnte sich eine allmähliche Verschärfung abzeichnen. Die Industrieunternehmen in den USA haben dagegen ihre Verschuldung wieder signifikant ausgebaut. Viele Unternehmen begeben in großem Umfang Anleihen, um Übernahmen und Fusionen, Aktienrückkäufe und Ausschüttungen zu finanzieren. Sollte der US-Regierung eine Durchsetzung ihrer geplanten Unternehmenssteuerreform gelingen, könnte sich die Ertragslage der Unternehmen verbessern und ihre Bereitschaft zur Kreditaufnahme verringern. Die entscheidende Frage ist, ob es im Rahmen der Steuerreform tatsächlich zu einer Beschränkung der Abzugsfähigkeit von Zinskosten kommt.

Marktzyklus
Der Fortschritt unterschiedlicher Branchen und Sektoren im Kreditzyklus


Quelle: PGIM Fixed Income. Stand: August 2017 Nur zu Illustrationszwecken.

In den Schwellenländern gibt es so viele länderspezifische politische, wirtschaftliche und markttechnische Trends, dass generelle Aussagen fast unmöglich sind. In einigen Ländern läuft die Wirtschaft gut. Andere Länder stecken in Rezessionen fest oder wachsen seit Jahren nur langsam. Grund sind zum einen die Schwäche im globalen Rohstoffmarkt und zum anderen Fehler in der nationalen Wirtschaftspolitik. In einigen Ländern (z. B. Argentinien, Brasilien) ist es zu politischen Veränderungen gekommen. In anderen Ländern (z. B. Indien, Mexiko) gibt es Bemühungen zum Abbau der Regulierung, zur Öffnung der Märkte und zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Dagegen scheint China entschlossen zu sein, das Wachstum um jeden Preis voranzutreiben. Die Tatsache, dass dies mit hohen Schulden erkauft wird, wird wohl auch in Zukunft ein Problem bleiben. Zusätzliche protektionistische Maßnahmen und andere geopolitische Risiken stellen für eine Reihe von Schwellenländern ebenfalls eine Gefahr dar.

In der Gesamtbetrachtung gehen wir aber trotz der ungewissen politischen Entwicklung in den USA, den Unsicherheiten um den Brexit und die nach wie vor hohen Länderrisiken bei den Schwellenmärkten davon aus, dass der Kreditzyklus noch eine Weile weiterlaufen wird. Dagegen steht ein hohes Bewertungsniveau, bei dem das Potenzial für höhere Volatilität und Outlier-Risiken nicht eingepreist zu sein scheint. Daher erscheint es angeraten, das Engagement in Sektoren und Branchen zurückzufahren, die besonders teuer sind und sich in der Spätphase ihres Zyklus befinden. Diversifikation und eine konsequente Bottom-up-Analyse sind in der aktuellen Situation unverzichtbar.


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Quelle(n) der Daten (soweit nicht anders angegeben): PGIM Fixed Income vom 21.09.2017.

*) Michael Collins, CFA, ist Managing Director und Senior Portfolio Manager für Core Plus, Absolute Return und weitere Multi-Sector-Strategien im Fixed Income Bereich von PGIM. Herr Collins arbeitet seit 1986 im Unternehmen. Er war zuvor als Portfoliomanager für Hochzinsanleihen und als Credit Research Analyst tätig. Im Rahmen seiner Tätigkeit entwickelte Herr Collins Modelle für die Zins- und Währungsanalyse. Er erhielt einen BS in Mathematik und Computerwissenschaften von der State University of New York und einen MBA im Finanzwesen von der New York University.

PGIM Fixed Income ist ein globaler Assetmanager, der aktive Investmentlösungen für alle Anleihemärkte bietet. Das Unternehmen verfügt über Geschäftsstellen in Newark (New Jersey), London, Tokio und Singapur und verwaltet mehr als 676 Mrd. US-Dollar. Weitere Informationen finden Sie unter den IPE Referenzen und auf pgimfixedincome.com. (Stand: 30. Juni 2017)

Quelle: PGIM Fixed Income. Die in diesem Dokument enthaltenen Informationen beruhen auf öffentlich verfügbaren Informationen aus Quellen, die PGIM Fixed Income als zuverlässig erachtet. Die Informationen stellen die Ansichten und Meinungen des Autors mit Stand zum 20. September 2017 dar und dienen ausschließlich der Information. Sie stellen keine Anlageberatung dar und sollte nicht als Grundlage für eine Anlageentscheidung verwendet werden. Die zugrunde liegenden Annahmen und Ansichten unterliegen der Änderung. Die Performance in der Vergangenheit ist keine Garantie und gewährt keine zuverlässigen Anhaltspunkte für die Zukunft. Eine Investition in Indices ist nicht möglich. Dieses Material wird nur für Personen bereitgestellt, die professionelle Kunden oder zugelassene Gegenparteien sind. 2017-4449