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Analyse: E-Commerce – nicht zwangsläufig eine Gefahr für Filialisten

Traditionelle Ladengeschäfte werden häufig zu Unrecht als Auslaufmodell gesehen. Richtig ist, dass Unternehmen wie Kmart und J.C. Penny in den USA und Debenhams in Großbritannien trotz des starken wirtschaftlichen Umfelds durch den Online-Handel (E-Commerce) und eine sich verändernde Einzelhandelslandschaft vom Markt gedrängt wurden. Viele andere wie Toys «R» Us, Brookstone und Gerry Weber mussten Insolvenz anmelden. Es gibt aber auch Filialisten, die ihre Ladenkonzepte umsatz- und gewinnfördernd mit E-Commerce verbinden oder sich sogar als ausschließlich stationäre Einzelhändler behaupten.

Ramiz Chelat

Um die Perlen in diesem Sektor zu finden, müssen Anleger sehr selektiv vorgehen. Ein attraktives Angebot ist sicherlich entscheidend, aber andere Faktoren wie Spielraum für Flächenwachstum, gute Marken- und Vertriebskontrolle sowie die Fähigkeit den Online-Handel nutzen zu können, werden zunehmend wichtiger.

Der E-Commerce wird für den Einzelhandel immer bedeutender. In den meisten entwickelten Volkswirtschaften macht dieser 10-20% des Einzelhandelsumsatzes aus. Doch wie kann ein Einzelhändler vom Online-Handel profitieren? Entscheidend ist, ob der Einzelhändler auch der Eigentümer der wichtigsten Marken ist, die er vertreibt. Mehrmarken-Vertriebsformate wie Kaufhäuser oder sogar Spezial-Sportbekleidungsformate sind tendenziell stärker durch E-Commerce gefährdet, da die von ihnen vertriebenen Marken direkt über deren E-Commerce-Kanäle erworben werden können. So führt E-Commerce oft zu Kannibalisierung.

Der Schlüssel liegt darin, sicherzustellen, dass E-Commerce so eingesetzt werden kann, dass die Rendite neutral bleibt oder nur geringfügig belastet wird und er gut zu den Verkaufsfilialen passt. Ein wichtiger Teil der Strategie ist das Angebot von Click-and-Collect seitens der Einzelhändler und die Abwicklung von Retouren sowohl online als auch über die Geschäfte. Anbieter mit Offline-Shops haben einen Vorteil gegenüber reinen Online-Anbietern, da die Abholoption im Geschäft Wiederholungsgeschäfte fördert und den Kunden die Möglichkeit bietet, mit dem Personal zu interagieren. Hierfür sind Warenbestandsysteme, die Offline- und Online-Shops integrieren, entscheidend und stellen für einige Einzelhändler eine Herausforderung dar. Im Bekleidungsbereich haben Inditex und Nike die Veränderung gut bewältigt. Sie generieren jetzt einen bedeutenden Prozentsatz schneller wachsender Verkäufe online, und dies zu Margen, die mindestens gleich, wenn nicht sogar besser als offline sind.

Home Depot (HD) ist ein gutes Beispiel für ein Unternehmen, das E-Commerce sehr gut einbindet. Weil viele Baumarktprodukte großvolumig sind und fachliche Beratung erfordern, ist das Geschäftsmodell durch E-Commerce weniger bedroht als bei anderen Einzelhändlern. Dennoch formulierte HD eine eigene Online-Strategie und entwickelte eine starke Verbraucherschnittstelle und integrierte Kapazität zur Bestellabwicklung. Das Online-Geschäft macht mittlerweile rund 7% des Umsatzes aus und wächst aktuell am stärksten (mit mehr als 20%) – etwa jede zweite online aufgegebene Bestellung wird im Geschäft abgeholt.

Wir haben eine starke Präferenz für Unternehmen, die Marken nicht nur vertreiben, sondern sie auch besitzen. TJX, der führende Anbieter im Discount-Einzelhandel, ist jedoch eine bemerkenswerte Ausnahme, den wir als Vertreiber von Marken anderer Hersteller schätzen. Sein Angebot an den Verbraucher ist überzeugend, da er attraktive Marken mit erheblichen Discounts anbietet, wenn Einzelhändler überschüssige Bestände abbauen müssen. Dies wird TJX durch sein führendes Filialnetz, seine starken Merchandising-Fähigkeiten und seine Beziehungen zu einer breitgefächerten Händlerbasis ermöglicht. Die Kaufmacht ist ein entscheidender Faktor, und TJX hat gegenüber der Konkurrenz einen beispiellosen Vorsprung mit dem 2,5-fachen der Kaufmacht der Nummer zwei, Ross Stores, und fast dem 7-fachen der Nummer drei, Burlington. Diese Größe ermöglicht es TJX, seinen Lieferanten (also den Einzelhändlern) einen höheren Betrag vorab zu zahlen und so Zugang zu höherwertigen Beständen zu erhalten.

TJX konkurriert ebenfalls effektiv in der Online-Welt, da Marken es vorziehen, dass (vergünstigte) Produkte bei ihnen nicht landesweit online verkauft werden. TJX sieht sich daher weniger direktem Online-Wettbewerb ausgesetzt. Zudem ermöglichen die fast 3.000 Filialen von TJX in den USA Marken den Vertrieb von Off-Price-Produkten, ohne das Markenimage zu beeinträchtigen oder Konflikte im Vertrieb zu verursachen.

Obwohl der Online-Handel viele stationäre Einzelhändler verdrängt hat, sehen wir dennoch in Ladengeschäften großes Potenzial. Unternehmen mit einer starken Marke und einem starken Produktangebot bieten ihren Kunden in den eigenen Filialen die Möglichkeit, die Produkte mit gut ausgebildeten Verkäufern anzuschauen, auszuprobieren und zu diskutieren. Zudem sind sie offen dafür, wie der Kunde sie kauft oder zurückgibt – ob nun im Geschäft oder online.

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*) Ramiz Chelat ist Portfolio Manager Quality Growth bei Vontobel.