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Gastbeitrag: Kapitalanlagen der Versicherer - die richtige Balance in einem volatilen Umfeld

In einem von zunehmenden geopolitischen Spannungen und den Auswirkungen der geldpolitischen Straffung geprägten Umfeld müssen Versicherungsunternehmen im Jahr 2024 versuchen, von den höheren Zinsen zu profitieren und zugleich ihr Marktrisiko zu steuern. Die richtige Mischung aus liquiden und illiquiden Assets kann den Ausschlag geben.

Johannes Heib

Volatile Zinsmärkte dürften den Versicherern im Jahr 2024 eine größere Flexibilität bei ihren Kapitalanlagen abverlangen. Die Wirtschaft der Eurozone und Großbritanniens befindet sich im Abschwung und die Geldpolitik ist deutlich restriktiver. Die Märkte haben das höhere Kreditrisiko noch nicht vollständig eingepreist, selbst Investment Grade-Anleihen erscheinen teuer. Gleichzeitig spricht das geopolitische Risiko für den Aufbau eines langfristig größeren Liquiditätspuffers sowie eine stärkere Fokussierung auf bonitätsstärkere Kreditanlagen. Mit Aktienabsicherungen, die im derzeitigen Zinsumfeld und angesichts der aktuell niedrigen Volatilität recht erschwinglich sind, können sich Versicherer gegen Worst-Case-Szenarien absichern.

Investoren müssen verschiedene makroökonomische und geopolitische Faktoren im Blick behalten. In der Eurozone und Großbritannien könnte das Rezessionsrisiko zu unvorhersehbaren Wertminderungen von Krediten führen – und Kreditanlagen machen den bei weitem größten Teil der Versicherungsportfolios aus. Durch die ausgedehnte Schwächephase der Immobilienmärkte sind viele europäische Märkte eingefroren und die nicht realisierten Gewinne aus dieser Anlageklasse schwinden. Gleichzeitig werden weniger neue Hypothekendarlehen ausgezahlt, was die Lebensversicherer zwingt, sich nach anderen Kapitalanlagen umzusehen. Die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten könnten jederzeit eskalieren, mit entsprechenden Auswirkungen auf den Welthandel und das globale Wachstum. Eine dadurch bedingte Flucht in Qualität könnte die Investitionspläne der Versicherer durchkreuzen.

Besonders problematisch ist das dadurch, dass die Kosten für die Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten vor allem aufgrund der stärkeren Häufung von Naturkatastrophen sehr schnell steigen und Lebensversicherungsprodukte mit Bankprodukten und Staatsanleiherenditen konkurrieren müssen. Für die Versicherer gilt es daher, den richtigen Zeitpunkt zu finden, um sich langfristig attraktive Renditen zu sichern und so die Rentabilität ihres Geschäftsmodells zu gewährleisten. Dabei wird zugleich die Liquidität ein stark beschränkender Faktor sein. Hier die richtige Balance zu finden, wird angesichts der erwarteten Volatilität auf den Zinsmärkten eine erhebliche Herausforderung darstellen.

Da sich die meisten institutionellen Investoren auf Investment-Grade-Anleihen und Infrastrukturanlagen konzentrieren, werden sich den Versicherern mehr und mehr Anlagemöglichkeiten in den liquidesten Bereichen der Private Credit-Marktes bieten. Wertpotenziale sehen wir insbesondere im sichersten Segment dieses Marktes, das möglicherweise nicht für alle institutionellen Investoren zugänglich ist: vorrangig besicherten Krediten (Senior Secured Loans) und vorrangigen Immobilienkrediten. Einige Versicherer sind zudem bereit, antizyklisch in Value-Add-Immobilien und Distressed-Debt-Strategien zu investieren.

Gleichzeitig müssen sich die Investoren auf mehrere regulatorischen Neuerungen einstellen. Nach den letztjährigen Debatten über das Ausmaß der Solvency II-Reformen bleiben die neuen Versicherungsregeln in Großbritannien auch 2024 das Top-Thema. Das Reformpaket umfasst eine Reduzierung der Risikomarge. Die im vergangenen Juni vorgelegten Regulierungsentwürfe sehen eine Senkung um etwa 65% bzw. 30% für langfristige Lebens- und Nichtlebensversicherungen vor. Darüber hinaus wird es endgültige Regeln zur Matching-Anpassung (MA) geben.

Die britische Finanzaufsichtsbehörde wird diese voraussichtlich im zweiten Quartal veröffentlichen, bevor sie Ende Juni in Kraft treten. Angesichts der weiterhin angespannten Haushaltslage dürfte die Regierung besonders stark auf den privaten Sektor als Quelle neuen Investitionskapitals setzen. So wird gehofft, dass Solvency II mehrere Milliarden Pfund an Kapital für Investitionen freisetzen wird. Dementsprechend groß wird der Druck auf die Versicherungsbranche sein zu zeigen, dass die Reformen die gewünschte Wirkung entfalten.

Angesichts der jüngsten Marktvolatilität und anhaltenden Rezessionsängste ist die Risikobereitschaft der Versicherer jedoch weiterhin sehr begrenzt. Stattdessen ist eine tendenzielle Überallokation in hochwertige Anleihen zu beobachten. Diese sind aktuell so attraktiv verzinst wie zu keinem anderen Zeitpunkt der letzten zehn Jahre. Verglichen damit umfasst Private Debt als Anlageklasse nur wenige Kreditanlagen sehr hoher Qualität. Für die Identifizierung und das Sourcing dieser Anlagemöglichkeiten kann es daher sinnvoll sein, mit einem erfahrenen Asset-Management-Partner mit der nötigen Expertise und Erfahrung zusammenzuarbeiten.

Ein weiterer Faktor, der zu Verschiebungen in der Asset Allokation der Versicherer führt, ist ein zunehmender Bedarf an gebundenen Eigenmittelbestandteilen in Matching-Adjustment-Portfolios aufgrund des Rückgangs neuer Hypothekenabschlüsse infolge der höheren Zinsen. Zusätzlich verstärkt werden diese Verschiebungen zudem durch die schnelle Zunahme der Pension-Risk-Transfer-Transaktionen zur Rückversicherung von Langlebigkeits- und Vermögensrisiken im Zusammenhang mit Pensionsverpflichtungen.

In vielen Versicherungsportfolios haben Private-Market-Anlagen in den letzten Jahren als effektiver Puffer gedient. Dadurch hat ihre relative Bedeutung in der Bilanz zugenommen und die Liquiditätsrisikolimits sind fast ausgeschöpft worden. Da sich die Allokationen in außerbörsliche Vermögenswerte in den letzten 18 Monaten verlangsamt haben, rechnen wir hier mit einer Preiskorrektur, durch die sich im Jahr 2024 wieder mehr Spielraum für die Diversifikation ergeben sollte.

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*) Johannes Heib, Leiter Versicherungen Deutschland, Invesco