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Gastbeitrag: 130/30: Weniger Restriktionen, mehr Erfolg

Die zunehmende Effizienz der Kapitalmärkte hat auch Schattenseiten. Je weniger fehlbewertete Aktien es gibt, desto schwieriger ist es, durch aktives Portfoliomanagement einen Mehrertrag zu erzielen. Deshalb sind Produktinnovationen nötig. Eine der jüngsten Neuerungen ist die 130/30-Strategie, bei der das Portfolio neben klassischen Long-Positionen auch Short-Positionen (Leerverkaufspositionen) enthalten kann. Dadurch werden höhere Portfolioerträge ohne ein proportional höheres Risiko möglich.

Die Grenzen von „Long-only-Portfolios
Ein Index wie der Russell 1000 enthält nicht nur hochkapitalisierte Aktien, wie zum Beispiel General Electric mit einem Indexgewicht von 2,7%, sondern auch Werte mit einem Anteil von weniger als 0,1% (Stand: Juli 2007). Ein Portfoliomanager, der diesen Index als Benchmark hat und auf kleinere Unternehmen setzt, kann Blue Chips wie General Electric untergewichten und Aktien mit niedriger Marktkapitalisierung entsprechend stark übergewichten. Wer kleineren Unternehmen aber eher wenig zutraut, steht vor einem Problem: Die maximal mögliche Untergewichtung einer Aktie mit einem Indexgewicht von 0,1% beträgt 0,1 Prozentpunkte – es sei denn, man kann Short-Positionen eingehen. Doch genau das ist bei traditionell gemanagten „Long-Only-Portfolios“ nicht zulässig.

Ertragschancen durch Leerverkäufe
Leerverkäufe erweitern die Möglichkeiten des Portfoliomanagers erheblich. Statt sich mit Portfolioanteilen von Null für wenig attraktive Unternehmen zu begnügen, kann er sie nun negativ gewichten. Dazu leiht er sich deren Aktien, verkauft sie, deckt sich zu einem späteren Zeitpunkt wieder ein und gibt die Aktien seinem Kontrahenten zurück. Wenn der Kurs einer leer verkauften Aktie wie erwartet in der Zwischenzeit gefallen ist, hat der Manager einen Gewinn erzielt. Am Beispiel der Aktie mit einem Portfolioanteil von 0,1% wird deutlich, dass Leerverkäufe eine Untergewichtung von weit mehr als 0,1 Prozentpunkten möglich machen. Statt sich für ein Portfoliogewicht von Null zu entscheiden, wählt der Manager beispielsweise eines von minus 2,7 Prozentpunkten. Damit würde er die Aktie genauso stark untergewichten, wie es für einen traditionellen Portfoliomanager nur bei General Electric möglich ist. Da die Summe aus Über- und Untergewichtungen stets Null betragen muss, sind auch höhere Übergewichtungen möglich. Der Portfoliomanager kann stärker von der Benchmark abweichen und hat deshalb größere Mehrertragschancen. Der Erfolg eines Portfoliomanagers hängt nämlich nicht nur von seinem Geschick bei der Einzelwertauswahl ab. Ebenso wichtig ist, in welchem Umfang er seine Einzelwerteinschätzungen tatsächlich im Portfolio umsetzen kann.

Restriktionen müssen gelockert werden
In der Praxis ist ein Portfoliomanager einer Reihe von Restriktionen unterworfen. Verlangt wird etwa, dass die durchschnittliche Marktkapitalisierung des Portfolios derjenigen des Index entspricht oder die Branchenstruktur nicht von der Branchenstruktur der Benchmark abweicht. Es gibt Ober- und Untergrenzen für Einzelwert- und Ländergewichte, Vorschriften für die Anzahl der Portfoliopositionen und Vorgaben für das Portfoliobeta. Auch das bereits erwähnte Verbot von Leerverkäufen zählt dazu. Solche Restriktionen begrenzen das Risiko eines Minderertrags gegenüber dem Markt. Sie verringern aber auch die Chance, dass der Portfoliomanager seine Benchmark schlägt. Wer höhere Erträge will, muss diese Restriktionen lockern – allerdings so, dass das Portfoliorisiko dadurch nicht zu stark zunimmt. Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass gerade das Verbot von Leerverkäufen die Chance auf Mehrertrag erheblich mindert. Eine maßvolle Lockerung dieser Restriktion kann das Risiko-Ertrags-Profil des Portfolios verbessern, insbesondere wenn für einzelne Aktien tatsächlich Verluste prognostiziert werden.

Netto-Aktienpositionen bleiben bei 100 Prozent
Eine solche maßvolle Lockerung bietet die so genannte 130/30-Strategie. Bei ihr kann ein Portfolio bis zu 30% des Nettoportfoliovolumens in Short-Positionen und bis zu 130% in Long-Positionen halten. Die Netto-Aktienposition beträgt also 100% – und ist damit genau so hoch wie die eines traditionellen „Long-only-Portfolios“. So können zum Beispiel in einem US-Portfolio mit dem Russell 1000 als Benchmark die Aktien mit der niedrigsten Marktkapitalisierung mit dem Fünf- bis Sechsfachen ihrer Benchmarkanteile untergewichtet werden. Noch größer sind die Chancen durch Leerverkäufe, wenn die Portfoliobenchmark ein Small-Cap-Index wie der Russel 2000 ist. Die größten in diesem Index vertretenen Unternehmen haben Portfolioanteile von weniger als 0,2%, und die 40% kleinsten Werte machen zusammen gerade einmal 10% der Indexkapitalisierung aus. Diese Zahlen machen deutlich, wie sehr man gerade bei einer Small-Cap-Benchmark von weniger restriktiven Vorgaben profitieren kann. In welchem Umfang man Short-Positionen zulassen soll, hängt letztlich von den konkreten Risikovorgaben für das Portfolio ab. Auf jeden Fall aber bedeutet eine Lockerung der Long-Only-Vorgabe eine effizientere Gewichtung aktiver Portfoliopositionen. Schon Short-Positionen in Höhe von 10 bis 30% des Portfoliovolumens sind geeignet, die Erträge spürbar steigen zu lassen, ohne dass das Portfoliorisiko proportional zunimmt. 


*) Autoreninformation:
Will Cazalet ist Director of Strategy bei AXA Rosenberg.