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„Wenn unser Bild stimmt, werden die Zinsen absehbar auf niedrigem Niveau bleiben “

Nach den deutlichen Gewinnen an den Märkten im vergangenen Jahr fragen sich viele Investoren, was im Jahresverlauf 2010 zu erwarten ist. Ist die Finanzkrise vorbei oder lauern neue böse Überraschungen? IPE Institutional Investment-Chefredakteur Frank Schnattinger sprach mit Dr. Klaus Wiener, Chefvolkswirt und Geschäftsführer bei Generali Investments Deutschland, über den Ausblick für 2010.

Dr. Klaus Wiener

IPE Institutional Investment: Herr Dr. Wiener, lassen Sie uns den Ausblick mit einem Rückblick beginnen. Vieles von dem, über das wir sprechen wollen, hat seinen Ursprung in der Finanzkrise bzw. deren Folgen. Daher zunächst meine Frage – wurde von den Verantwortlichen seit dem Höhepunkt der Krise im Herbst 2007, der Lehman-Pleite, richtig reagiert?
Dr. Wiener:  Zunächst einmal muss man ganz klar festhalten, dass sich der aktuelle Befund – sowohl für die Realwirtschaft als auch für die Finanzmärkte – wesentlich besser darstellt, als man es vor gut einem Jahr nur hoffen konnte. Insofern ist sicher schon einmal richtig reagiert worden. Dennoch muss von einem geliehenen bzw. gar erzwungenen Aufschwung gesprochen werden, betrachtet man z.B. die starken Leitzinssenkungen und die Konjunkturprogramme, die letztes Jahr aufgelegt wurden.

IPE Institutional Investment:
Das erlaubt die Frage, wie dauerhaft die aktuelle Situation ist…
Dr. Wiener:
Hier muss man den Blick zunächst auf die expansive Geldpolitik richten und die Frage stellen, wie lange diese durchgehalten werden kann. 2010 werden sicher viele Programme der Notenbanken, die installiert wurden, nicht mehr verlängert werden. Hier muss der Fuß vom Gas genommen werden. Auch auf Seiten der Regierungen muss rechtzeitig wieder an die Konsolidierung gedacht werden. Es ist zweifelsohne begrüßenswert, wenn Staaten in einer Krise, wie wir sie erlebt haben, entschlossen handeln. Die Schwierigkeit ist dabei aber immer, dies wirklich temporär und nicht auf Dauer zu installieren. Es kommt sonst zu Verdrängungseffekten – zu viel Staat und zu wenig privat. Wenn man dies nun zusammen nimmt, ist klar, dass kontraktive Effekte im Jahresverlauf zu erwarten sind und wir deutlichen Gegenwind bekommen werden.

IPE Institutional Investment:
Also Rückfall in die Rezession?
Dr. Wiener:
Es kommt ganz darauf an, wie stark die endogenen Wachstumskräfte hier gegensteuern können. Meine Prognose: es wird eng. Gerade für das dritte Quartal erwarten wir, dass die Wachstumsraten nochmals Richtung Nulllinie fallen werden. Ob es dann wieder in einer kurzen Rezession mündet, darüber lässt sich trefflich streiten. Mein Zentralszenario ist allerdings das im US-amerikanischen genannte „soft patch“, also ganz niedrige Wachstumsraten nahe Null, aber keine Rezession.

IPE Institutional Investment:
Wie beurteilen Sie Nachwehen der Finanzkrise wie die restriktive Kreditvergabe der Banken?
Dr. Wiener:
Die Kreditvergabe wird dauerhaft schwach bleiben, das unterscheidet uns aktuell sehr von anderen Krisen die wir gesehen haben. In den Kreditbüchern drohen weiterhin bzw. sogar vermehrt Kreditausfälle, darüber hinaus besteht über den Verbriefungsmarkt kaum eine Möglichkeit, Risiken an den Markt weiter zu geben. Insofern erwarte ich, dass wir aufgrund der geringeren Kreditvergabe insgesamt ein schwächeres Trendwachstum für die Volkswirtschaften sehen werden. Hiervon werden aber nicht nur die nächsten Monate, sondern die nächsten Jahre geprägt sein.

IPE Institutional Investment:
Sie sprechen das Wirtschaftwachstum an. Welche Rolle spielt hier künftig noch der US-Konsument, der dies auch lange mit angeheizt hat?
Dr. Wiener:
Knapp ein Fünftel des Weltsozialprodukts, der globalen Wertschöpfung, sitzt im US-Konsum. Angesichts der exorbitanten Konsumraten dort bzw. der jetzt notwendigen Konsolidierung in den US-Privathaushalten wird auch von dieser Seite das Trendwachstum global gesehen deutlich schwächer werden. Das heißt aber auch, dass Export-Nationen wie Deutschland und China hier entsprechende Schwierigkeiten bekommen.

IPE Institutional Investment:
Wie sehen Sie die immer wieder diskutierte Inflationsthematik am Markt?
Dr. Wiener:
Ich bin der festen Überzeugung, dass der Inflationsdruck eher niedrig bleiben wird, jedenfalls solang die Lücken bei der Kapazitätsauslastung so groß sind. Das zeigt mir zumindest die Erfahrung der Vergangenheit. Immer wenn es eine so starke Unterauslastung der industriellen Kapazität gab, war Inflation kein Thema. Das Argument vieler, die expansive Geldpolitik ins Feld zu führen, kaufe ich deshalb nicht, da Geld der Notenbanken nur zu höheren Preisen führt, wenn es indirekt über die Geschäftsbanken und deren Kreditvergabe in den Konsum fliest. Aber dieser Transmissionsmechanismus ist, wie ich schon ausgeführt habe, elementar gestört. Die einzige Gefahr, bzw. das wesentlich größere Risiko ist, dass die zur Verfügung gestellte Liquidität zu einer Assetbubble führt. Hier liegt der eigentliche Grund, warum die Notenbanken ihre expansive Geldpolitik auf Dauer nicht durchhalten können.

IPE Institutional Investment:
Wie sollte man sich als Anleger dann positionieren? Bei anhaltend niedriger Inflation könnte das lange Ende der Zinskurze ja durchaus eine Option darstellen…
Dr. Wiener:
Ich erwarte an den Rentenmärkten ein sogenanntes Bearflatening, also eine flachere Zinskurve, aber vom kurzen Ende her. Am langen Ende haben wir in den vergangenen Wochen einen Renditeanstieg gesehen, wohl aus der Angst, dass sich die Staaten zu sehr verschulden. Wenn ich mir die Steilheit der Kurve aktuell anschaue, steckt für mich durchaus einiges an Risikoprämie drin. Wenn unser Bild stimmt, werden die Zinsen absehbar niedrig bleiben.

IPE Institutional Investment:
Corporates vs. Souvereigns?
Dr. Wiener:
Im Investmentgrade-Bereich birgt der aktuelle Spread durchaus noch einen attraktiven Carry. Vorsichtiger wäre ich im High Yield-Sektor, hier drohen meines Erachtens im skizzierten Umfeld Ausfälle.

IPE Institutional Investment: Wie sehen Sie das Klima für Aktien?
Dr. Wiener:
Ich glaube nicht an einen dramatischen Rückschlag, ein Durchatmen zur Jahresmitte kann ich mir allerdings sehr gut vorstellen. Bis dahin dürften wir vom aktuellen Momentum aber noch ganz gut leben und auch zum Jahresende kann ich mir wieder steigende Kurse vorstellen. Insgesamt glaube ich aber nicht, dass wir bei europäischen Aktien über rund 5% Total Return hinauskommen werden. Es wird viel auf die taktische Asset Allocation ankommen.

IPE Institutional Investment:
Also kein Jahr für „Buy and hold“?
Dr. Wiener:
Richtig, die Bewegungen im Markt können für den Investor, der etwas aktiver ist, einen guten Mehrertrag bringen.

IPE Institutional Investment:
Vielen Dank für Ihre Einschätzungen.