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„Life Settlements haben sich zu einem willkommenen Stabilisator und strategischen Baustein der Portfoliooptimierung entwickelt"

Während in den 1980er Jahren die Ethik-Frage im US-Life-Settlement-Geschäft noch im Mittelpunkt stand und viele Marktanalysten den intrasparenten Markt kritisierten, so hat sich die Situation heute stark gewandelt. Transparenz und Liquidität sind deutlich vorangeschritten. IPE D.A.CH Chefredakteur Frank Schnattinger sprach mit Rainer Grünig, CEO und Portfoliomanager bei der Plenum Investments AG, über die Aussichten für Anleger.

Dr. Rainer Grünig

IPE D.A.CH: Herr Dr. Grünig, sind die gemachten Erfahrungen aus den vergangenen Jahrzehnten mittlerweile in den Modellen eingepreist?
Grünig: In erster Linie waren damals die Lebenserwartungsschätzungen der Medical Underwriters aufgrund mangelnder Erfahrung und einer schlechten Datenlage mit vielen Mängeln behaftet. Dies in Verbindung mit der Notlage vieler Versicherter zum Hochpunkt der HIV-Infektionen hat damals zur Ethikfrage und auch zu wirtschaftlichen Fehleinschätzungen geführt. Mittlerweile sind die Schätzungen deutlich transparenter und treffsicherer, der Markt ist erwachsener und reifer geworden.

IPE D.A.CH: Sie sprachen die HIV-Infektionen in den 1980er-Jahren an. Investments wurden zu dieser Zeit wie angesprochen ethisch sehr kritisch betrachtet…
Grünig: Die Idee war auch damals nicht unethisch. Schließlich haben sogar die US-AIDS-Hilfe und Kirchenvertreter die Möglichkeit begrüßt, dass Erkrankte durch den Verkauf ihrer Police ein Vielfaches des Rückkaufwertes erhalten und sich so eine bessere medizinische Versorgung leisten konnten. Sowohl die damalige Intransparenz des Marktes als auch die Unausgewogenheit von Angebot und Nachfrage führten dazu, dass Anleger stark von der Notsituation der Versicherten profitierten. Dieser Umstand war lange in kollektiver Erinnerung. Immer mehr Investoren erkennen allerdings, dass sich die Rahmenbedingungen derart stark geändert haben, dass eine solche Sichtweise aus heutiger Sicht schon lange nicht mehr haltbar ist.

IPE D.A.CH: Wer sind heute die aktivsten Investoren?
Grünig: Insbesondere Family Offices und Vermögensverwalter sind stark im Markt vertreten. Weniger sind es bislang noch Pensionskassen, diese testen aber vermehrt über Consultants ab, wie die Assetklasse in ihre Allokation passt?

IPE D.A.CH:  Welche Rolle spielt dabei das Bewertungsmodell?
Grünig: Wir werden nur dann substanziell mehr institutionelle Anleger sehen, wenn die Bewertungsphilosophie klar weiter den Schritt hin zu einem Mark-to-Market-Ansatz vollzieht, wie wir das in unserem Anlagevehikel getan haben. Bislang dominieren noch stark Mark-to-Model-Bewertungsansätze. Die Hauptrolle hier spielen die Life Settlement Provider, lizenzierte Broker die Marktpreisinformationen sammeln und analysieren. Durch diese Auswertungen ist es möglich, Über- und Unterbewertungen von einzelnen Policen und ganzen Portfolios zu identifizieren und gegebenenfalls zu korrigieren. Zusammen mit der Standardisierung bei den Lebenserwartungsschätzungen und der Regulierung bildet dies die Basis, Investitionen im Life Settlement-Markt auf eine völlig andere Basis zu stellen und vermehrt große institutionelle Adressen als Anleger anzuziehen. Die Lösung des Bewertungsproblems wird auch dadurch massiv entschärft, wenn man das Policenportfolio regelmäßig von unabhängigen Marktteilnehmern (Providern) bewerten lässt. Damit ist der Interessenskonflikt bei der Bewertung ausgeschlossen.

IPE D.A.CH: Wie groß ist der Markt aktuell?
Grünig: Wir sprechen von einer jährlichen Zahl von 3.000 bis 4.000 Policen mit einer durchschnittlichen Summe von rund 1,2 Mio. US-Dollar, die über den Sekundärmarkt ihren Weg an den Kapitalmarkt finden. Das pro Jahr generierte Life Settlement Nominalvolumen (Face-Value) beträgt somit ca. 3,5 bis 5 Mrd. US-Dollar. Gleichzeitig werden bestehende Policen im etwa doppelten Umfang unter Investoren gehandelt. Insgesamt wechseln damit Policen mit einem Face-Value von über 10 Mrd. US-Dollar pro Jahr die Hand. Bei einer Kaufpreisbewertung von etwa einem Drittel werden also gut 3 Mrd. US-Dollar pro Jahr investiert. Insgesamt sprechen wir aktuell über ein ausstehendes Todesfallkapital von rund 100 Mrd. US-Dollar.

IPE D.A.CH: Die Investmentbanken haben sich tendenziell aus dem Markt zurückgezogen. Wer ist als Marktakteur geblieben?
Grünig: Es sind mehrheitlich spezialisierte Asset Manager, die den Markt bestimmen. Aber auch durchaus große Häuser tummeln sich bereits in diesem Markt. Ein hoher Spezialisierungsgrad ist erforderlich, um in diesem Geschäftsfeld erfolgreich tätig zu sein. Da die Anlagekapazitäten beschränkt sind, haben kleinere Asset Manager keinen Nachteil gegenüber den großen Namen.

IPE D.A.CH: Was sind die schlagenden Argumente der Assetklasse?
Grünig: Die Returntreiber der Assetklasse sind alternativ und haben mit den Börsen kaum etwas zu tun. Vielmehr ist die Lebenserwartung der bestimmende Preisfaktor und deren korrekte Einschätzung macht am Ende die Rendite eines entsprechenden Portfolios aus. Insofern sprechen wir hier in der Tat von einem idealen Diversifikator für ein institutionelles Portfolio.

IPE D.A.CH: Ist das Angebot absehbar steigerungsfähig?
Grünig: Absolut ja. Sie müssen sich vorstellen, dass derzeit noch 70% der abgeschlossenen Lebensversicherungsverträge in den USA nicht bis zum Ende bedient werden. Die Versicherungsnehmer können und wollen oft an einem gewissen Punkt die Beiträge nicht mehr bezahlen und akzeptieren die meist schlechten Konditionen der Versicherer für einen Rückkauf. Die meisten davon kennen nicht einmal den Zweitmarkt und die damit verbundene Möglichkeit, deutlich mehr Geld für ihren Vertrag zu erhalten. Hier lauert noch ein deutliches Potenzial im Life-Settlement-Geschäft.

IPE D.A.CH: Wie ist Ihr Ausblick für den Markt?
Grünig: Das stabile Angebot von Life Settlements im Sekundärmarkt und der angesprochene Angebotsüberhang sollten meiner Einschätzung nach dafür sorgen, dass Investoren auch in Zukunft mit zweistelligen Renditen in der Assetklasse rechnen können.

IPE D.A.CH: Langfristig über 10% p.a.?
Grünig: Wie gesagt, derzeit handelt es sich aufgrund der Fehler in der Vergangenheit noch um einen Käufermarkt, die Nachfrage hatte hier stark nachgelassen, ist in den letzten Jahren aber doch wieder signifikant angestiegen, insbesondere seit Beginn der Pandemie. Ich gehe daher davon aus, dass weiterhin Bruttorenditen von über 10% p.a. realistisch sind. First Mover und Fast Follower könnten in den kommenden Jahren, wenn die Baby-Boomer beginnen, ihre Policen zu verkaufen, sogar überproportional profitieren. Im Gegensatz zu Private Equity Anlagen muss die Performance der Investition zudem nicht unbedingt durch einen Verkauf der Anlagen erzielt werden. Bei Life Settlements besteht neben dem Verkauf der Policen im Tertiärmarkt an andere Investoren immer die Möglichkeit einer Buy-and-Hold-Strategie, d.h. die Policen bis zum Ableben des Versicherten zu halten und so die erwartete Rendite zu realisieren. In dieser Hinsicht handelt es sich bei Life Settlements um ein „self-liquidating Asset“.

IPE D.A.CH: Besten Dank für diese Einblicke!