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Kommentar: Zinswende voraus – aussichtsreiche Unternehmensanleihen

Für Fixed-Income-Investoren ging das vergangene Jahr mit einem Stimmungshoch zu Ende. Die spektakuläre Kursrally im November und Dezember war umso eindrucksvoller, nachdem sowohl 2022 als auch phasenweise 2023 von schmerzlichen Verlusten und hoher Volatilität geprägt waren. Insbesondere Unternehmensanleihen konnten vom gesteigerten Risikoappetit profitieren. Dabei dürfte es sich um keine Eintagsfliege handeln, denn die Aussichten für die Anlageklasse sind für den weiteren Jahresverlauf so gut wie lange nicht – das gilt für alle drei Sub-Kategorien: Investment Grade (IG), High Yield und Unternehmensanleihen aus Schwellenländern.

Oliver Reinhard

Investment-Grade in der Pole Position
Investment-Grade-Anleihen erweisen sich angesichts der nach wie vor restriktiven Geldpolitik, des abgeschwächten Konjunkturzyklus, der rückläufigen Inflation und der fairen Bewertungen als Favoriten hinsichtlich Risiko und Ertragspotenzial. Historisch betrachtet war der Höchststand der Leitzinsen jeweils der ideale Zeitpunkt für den Einstieg. Es herrscht weitgehender Konsens, dass dieser Punkt erreicht ist. In den darauffolgenden Zinssenkungszyklen – momentan preist der Markt Fed-Leitzinssenkungen von 130 Basispunkten für 2024 ein – entwickelten sich Unternehmensanleihen deutlich besser als die Aktienmärkte.

Derzeit sehen wir sogar ein äußerst seltenes Phänomen: US-Investment-Grade-Anleihen weisen zum ersten Mal seit mindestens 20 Jahren eine höhere Rendite auf als Aktien (die Gewinnrendite von Aktien entspricht dem Kehrwert des Kurs/Gewinn-Verhältnisses).  Das hohe Zinsniveau bietet auch einen effektiven Renditepuffer angesichts möglicher Spreadausweitungen. Selbst in einem realistischen Negativszenario mit einem Anstieg von 40 Basispunkten auf Indexbasis läge die erzielbare Jahresrendite von globalen IG-Anleihen immer noch bei etwa 3% (in US-Dollar hedged, verglichen mit derzeit rund 5,6% und etwa 4,1% auf 10-jährige US-Treasuries). Bis ein Verlust eintritt, wäre sogar eine Ausweitung um 80 Basispunkte verkraftbar (so genannte ‚Break-Even-Rendite‘).

High-Yield: Attraktive Kompensation für höheres Risiko
Anleger, die nach noch höheren Renditen streben und für die das Konjunkturglas halb voll ist, sollten das High-Yield-Segment genauer anschauen. Dort liegen die erzielbaren Renditen bei rund 7,5% in USD-High-Yield und 6,1% in Euro-denominierten Anleihen (in Lokalwährung ohne Hedging). Die eingepreisten Ausfallraten sind natürlich höher, aber gleichzeitig sind die Fundamentaldaten der Emittenten sehr solide und sollten einem moderaten Wirtschaftsabschwung gut standhalten können. Ein niedriger Verschuldungsgrad und eine robuste Schuldentragfähigkeit angesichts guter Cashflows sprechen dafür.

Damit bleibt auch die Ausfallquote niedrig, mit höchstens einem leichten Anstieg in Richtung des langjährigen Durchschnitts von 4%. Allerdings sollten Investoren, die eine schwere Rezession erwarten – ein Szenario, von dem derzeit nur wenige Marktbeobachter ausgehen – Abstand vom High-Yield-Segment halten. Abgesehen von diesem Worst-Case sollten die hohen Gesamtrenditen aber zumindest einer gewissen Ausweitung der Risikoaufschläge standhalten.

Emerging Markets als Phönix aus der Asche
Bei Emerging-Markets (EM)-Anleihen lohnt es sich, über die reinen Renditekennzahlen hinauszublicken. Weil Schwellenländer in den vergangenen Jahren vordergründig deutlich mehr schlechte als gute Nachrichten verkraften mussten (Ukraine, China, Naher Osten), ist ihre Attraktivität vielleicht nicht auf den ersten Blick offensichtlich. Diese Betrachtung wird jedoch der sehr heterogenen Anlageklasse nicht gerecht, da die Krisenherde lokal begrenzt sind und das Universum ein breites Spektrum an Opportunitäten bietet. Die Makroperspektive spricht bereits für sich: Im Schnitt konnten die Schwellenländer ihren Vorsprung beim Wirtschaftswachstum gegenüber den Industrienationen halten und werden ihn wohl 2024 sogar wieder vergrößern. Dazu kommen die positiven Fundamentaldaten der Firmen, die über alle Ratingsegmente hinweg sehr niedrige Verschuldungsquoten aufweisen – auch relativ zu ihren Wettbewerbern in den Industriestaaten.

Anleger profitieren zudem von einem vorteilhaften technischen Marktumfeld, in dem mehr ausstehende Anleihen zurückgezahlt werden als neu emittiert werden. Durch dieses negative Nettofinanzierungsvolumen entsteht ein Nachfrageüberhang, der die Anleihenpreise im Falle auslaufender Spreads stützen und die Ausweitung somit begrenzen würde. Das technische Umfeld wird auch davon beeinflusst, dass viele Anleger tatsächlich wenig bis gar kein EM-Exposure haben – mit abnehmender Tendenz. Das sehen wir aber sogar positiv: Denn sollten sich die in den vergangenen Jahren negativen Mittelflüsse umkehren, was nur eine Frage der Zeit sein dürfte, würde die Anlageklasse davon überproportional profitieren.

Investment-Grade-Anleihen bieten in der aktuellen Marktlage solide Renditen im Vergleich zu Aktien, während risikobereite Anleger im High-Yield-Segment und in den Schwellenländern attraktive Chancen finden. Eine differenzierte Portfoliostrategie bleibt entscheidend, um flexibel auf Marktentwicklungen reagieren zu können.

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*) Oliver Reinhard ist Head Developed Markets und Senior Portfolio Manager bei Fisch Asset Management in Zürich. Er trat 2013 ins Unternehmen ein und verfügt über einen Abschluss als dipl. Betriebswirtschafter HF vom Schweizerischen Institut für Betriebsökonomie (SIB) in Zürich. Zudem ist er Certified International Investment Analyst (CIIA) und Certified ESG Analyst CESGA.