Derzeit scheint sich der Einfluss der Fed vor allem auf die kürzesten Laufzeiten zu beschränken. Am langen Ende bestimmen hingegen andere Faktoren das Bild: Die Inflation, die den Wert festverzinslicher Wertpapiere mindert, und Haushaltsdefizite. Hinzu kommen weitere Variablen, darunter auch politische Angriffe auf die Unabhängigkeit der Fed. Sparkonten und Geldmarktfonds dürften sich weiterhin eng an den Leitzinsen orientieren. Für Hypothekenzinsen, die im Schnitt rund 150 Basispunkte über den Renditen zehnjähriger US-Staatsanleihen liegen, gilt das derzeit jedoch kaum.
Die Fed hat auf das kurze Ende der Zinskurve, also auf Tagesgeld mit Laufzeiten von rund zwei Jahren, deutlich stärkeren Einfluss als auf das lange Ende ab etwa sieben Jahren. An welchem Punkt dieser Einfluss abnimmt, hängt wesentlich von den jeweiligen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowie von der Glaubwürdigkeit der Fed ab:
• 2000 – Die Tech-Blase (Dotcom): Der daraus resultierende Lockerungszyklus führte dazu, dass die Fed ihren Leitzins (Tagesgeldsatz) von Ende 2000 bis etwa ein Jahr später um 475 Basispunkte senkte. Die Rendite zweijähriger US-Staatsanleihen fiel um 250 Basispunkte, die fünfjähriger um 115 und die zehnjähriger um 45 Basispunkte. Fazit: Die Fed hatte damit einen gewissen Einfluss auf die Renditen zehnjähriger Anleihen.
• 2008 - Die große Finanzkrise: Nach dem Crash senkte die Fed die Zinsen um 500 Basispunkte auf praktisch null. Diese drastische Veränderung und das Ausmaß der Rezession führten zu einem deutlichen Rückgang der Renditen: Die Zinsen für zwei Jahre fielen um 340 Basispunkte, für fünf Jahre um 270, für zehn Jahre um 230 und für 30 Jahre um 215. Fazit: Die Fed hatte einen erheblichen Einfluss auf die gesamte Kurve.
• 2020 – Die Pandemie: Die erhebliche Unsicherheit in den Lockdowns während Covid-19 führte zu einer nahezu parallelen Verschiebung der Zinsstrukturkurve. Innerhalb eines Monats senkte die Fed den Leitzins um 150 Basispunkte, während die Renditen zweijähriger Staatsanleihen um 105, die fünfjähriger um 93 und die zehnjähriger um 84 Basispunkte zurückgingen. Fazit: Die Maßnahme der Fed hatte zwar spürbaren Einfluss, die extreme Reaktion der Kurve war jedoch in erster Linie der außergewöhnlichen Unsicherheit dieses Ereignisses geschuldet.
Der aktueller Lockerungszyklus begann vor etwa einem Jahr. Nach Zinssenkungen um insgesamt 100 Basispunkte ist er nun ins Stocken geraten und zeigt ein deutlich abweichendes Bild gegenüber früheren Phasen.
Die Annahme, dass die gesamte Zinsstrukturkurve fallen wird, sobald die Fed die Leitzinsen senkt, steht in Frage. Fed-Futures deuten derzeit auf eine Wahrscheinlichkeit von rund 85% für eine Zinssenkung bei der Sitzung des Offenmarktausschusses (FOMC) im September hin, während die Rendite der 10-jährigen Staatsanleihen unabhängig davon ihren eigenen Kurs verfolgt. Ein Teil dieser Diskrepanz lässt sich durch den enormen Druck erklären, der von Regierungseinflüssen über Zölle und anhaltende Inflation bis hin zu anderen langfristigen Risiken auf die Fed wirkt. Dadurch sinkt der Einfluss der politischen Entscheidungsträger.
Fazit: Es ist nicht zu erwarten, dass sich die Märkte nach einer Zinssenkung automatisch wieder an historische Muster anpassen. Diesmal deutet vieles darauf hin, dass die Dynamik tatsächlich anders verläuft.
In diesem Umfeld lautet unsere Zinsprognose „Bull Steepener”: Kurze Laufzeiten sinken, während die langen Laufzeiten stabil bleiben oder leicht steigen. Der mittlere Bereich der Zinsstrukturkurve – etwa ein bis fünf Jahre – dürfte stärker auf Entscheidungen der Fed reagieren, mit potenziell fallenden Renditen und steigenden Kursen. Der lange Teil der Kurve dürfte die Inflationserwartungen und andere Risiken stärker widerspiegeln.
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*) Karen Manna, Client Portfolio Managerin bei Federated Hermes
Kommentar: Wie weit reicht der Einfluss der Fed?

Karen Manna