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Kommentar: Mit Fallen Angels die nächste Welle reiten

Zusammen mit den ultraniedrigen Ölpreisen hat die Coronavirus-Krise dazu geführt, dass eine große Anzahl von Unternehmensanleihen jetzt ihren Status als Investment Grade verliert und von den Rating-Agenturen auf Subinvestment Grade herabgestuft wird. Eine Anlage in diese so genannten „Fallen Angels“ birgt Chancen, ist allerdings nichts für schwache Nerven.

David Fancourt

Ford, Kraft Heinz, Renault und Marks & Spencer gehören zu den Anleiheemittenten, die in diesem Jahr bereits ihr Qualitätssiegel abgeben mussten. Dabei verloren die Papiere von Ford am stärksten, weil das Unternehmen auf dem größten Schuldenberg sitzt. Wir müssen davon ausgehen, dass in der nächsten Zeit etliche weitere Kandidaten folgen werden.

In den Portfolios von Anlegern werden Anleihen mit Investment Grade und High Yield in der Regel als zwei voneinander getrennte Gruppen geführt. Wird ein Emittent herabgestuft, kann das zu erheblichen Umschichtungen bei den Investoren führen. Wenn in relativ kurzer Zeit ein großer Umfang an Qualitätspapieren auf Ramschstatus gesetzt wird, führt das unwillkürlich zu erheblichen Preisschwankungen am Hochzinsmarkt.

Zudem sorgt das ungleiche Größenverhältnis zwischen den Märkten für Investment Grade auf der einen und High Yield auf der anderen Seite für einen Angebotsüberhang: Das Volumen der Euro-Papiere mit dem niedrigsten Investment Grade Rating BBB macht mittlerweile knapp die Hälfte des Qualitätssegments aus und ist damit mehr als viermal so groß wie der gesamte europäische Hochzinsmarkt. Dies ist kein europäisches Phänomen: In US-Dollar notierte BBB-Titel stehen für 48%der Investment Grades, der BBB-Markt ist mehr als dreimal so groß wie der US-amerikanische Markt für High Yield.

Ratingagenturen mit geändertem Verhalten
Wir haben beobachtet, dass der Markt die Verschlechterungen der Ratings häufig vorwegnimmt, bevor die Agenturen handeln. Bis zum Ausbruch der Pandemie neigten diese dazu, Unternehmensentschei-dungen für fremdfinanzierte Übernahmen im Zweifel optimistisch zu bewerten. Durch die Krise kippte diese eher nachsichtige Einstellung aber. So hat S&P bis zum 17. April 2020 bei 383 Emittenten mit Investment Grade, deren Geschäftsbetrieb durch COVID-19 oder den Preisverfall des Öls beeinträchtigt ist, negative Rating-Maßnahmen ergriffen: Bislang setzte die Agentur in diesem Jahr 23 Emittenten auf Junk-Status.

Und das ist noch nicht das Ende, denn die Wahrscheinlichkeit, dass auch sie abstürzen, ist für viele Titel hoch, die gerade noch Investment Grade haben: Aktuell werden Papiere im Wert von 243 Mrd. Euro mit BBB bewertet, davon haben 107 Mrd. Euro entweder ein negatives Rating oder einen negativen Ausblick. Goldman Sachs beispielsweise sagt für den Euromarkt der nächsten zwei Quartale einen Fall von Investment Grade auf spekulativ für Papiere mit einem Volumen von 180 Mrd. Euro voraus.

Chancen für mutige Investoren
Wir sehen also eine Flut von Fallen Angels auf uns zukommen, und entsprechend werden die Preise fallen. Die gute Nachricht und Chance ist aber: Im Vergleich zu anderen Anleihen mit Investment Grade oder auch aus dem Hochzinsbereich haben diese Papiere das Potenzial, sich langfristig besser zu entwickeln als der Markt.

Mit der zunehmenden Größe des Marktes steigt zwar auch seine Anfälligkeit für Schwankungen, und darüber hinaus haben Anleihen im Investment Grade häufig wesentlich längere Laufzeiten, die empfindlicher auf Ausweitungen der Zinsspanne reagieren. Aber obwohl die Unsicherheiten in diesem Segment größer sind als bei den klassischen High Yield Bonds, überzeugen sie auf lange Sicht doch. In der Regel gleicht ein Mehr an Rendite die höhere Volatilität aus. In Zahlen ausgedrückt: Fallen Angels haben über einen rollierenden Dreijahreszeitraum nur in zehn der letzten 232 Monate eine schlechtere Performance erzielt als Titel, die ursprünglich als Hochzinsanleihen herausgegeben wurden.

Grund für diese Outperformance ist, dass die Kurse zwar zunächst fallen und die Papiere dadurch billig werden. Auf lange Sicht aber kehren Anleihen von Unternehmen, die sich wieder erholt haben, eher als Aufsteiger wieder in das Qualitätssegment zurück, als dass es Bonds, die direkt als High Yield emittiert wurden, dorthin schaffen.

Das Risiko, dass ein gefallener Engel zahlungsunfähig wird, ist anfänglich tatsächlich höher als bei einer gängigen Hochzinsemission. Wenn ein Unternehmen in Verzug gerät, dann geschieht das normaler-weise schon bald nach der Herabstufung auf Subinvestment Grade. Bei Enron beispielsweise vergingen zwischen der Abwertung und dem endgültigen Aus nur sechs Tage. Aber bereits nach etwa einem Jahr auf Ramschstatus hat ein Fallen Angel eine Chance, zum Investment Grade zurückzukehren. Dies liegt daran, dass diese Titel einige der Merkmale wie Größe und Branchentyp aufweisen, die für ein Qualitätsrating erforderlich sind und die herkömmlichen Hochzinsemittenten fehlen.

Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt, dass die Anleihen der „Überlebenden“ außerordentlich hohe Renditen erzielen. Die nächste Welle gefallener Engel mit Aufstiegspotenzial kommt und wartet auf Anleger, die sich zutrauen, sie zu reiten.

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*) David Fancourt ist Senior Credit Portfolio Manager bei M&G Investments und Spezialist für Hochzinsanleihen.