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Kommentar: Marktstimmung in Krisenzeiten – ein ideales Feld für KI-basierte Strategien

Um sich in den aktuell extrem turbulenten Märkten zurechtzufinden, ist eine Kombination aus Behavioral Science, künstlicher Intelligenz (KI) und Stimmungsdaten der Anleger eine wichtige Ergänzung zur Analyse der Fundamentaldaten. Diese Instrumente helfen, Marktbewegungen zu antizipieren und Entscheidungsprozesse der Fondsmanager zu unterstützen, um Alpha zu generieren.

Rani Piputri

Ewout van Schaik

Eine Einschätzung der zukünftigen Wirtschaftsentwicklung ist für die Asset Allokation entscheidend. Gleichzeitig war die Zukunft selten undurchsichtiger als heute. Das Coronavirus hat die Märkte auf den Kopf gestellt; das Ausmaß der Krise ist fast beispiellos. Auch wenn die Stimmung von Mr. Market schon oft schwankte, wie beispielsweise in Zeiten der Technologieblase, der Finanzkrise oder der Brexit-Abstimmung. All diese Entwicklungen führten zu einer Marktvolatilität, die aus einer tiefen Verunsicherung der Anleger resultierte. Wenn sich die Aussichten eintrüben, neigen Anleger dazu, Emotionen und Verzerrungen zum Opfer zu fallen, die zu suboptimalen Investitionsentscheidungen führen.

Um Marktbewegungen zu antizipieren und Entscheidungsprozesse zu erleichtern, ist eine Kombination aus Fundamentaldaten, Verhaltenswissenschaften, künstliche Intelligenz und Stimmungsbarometern sinnvoll. Sie unterstützt die Alpha-Generierung und eine bessere Sicht auf mögliche neue Herausforderungen.

Ziel ist es, abzuschätzen, wann die Aktienmärkte wahrscheinlich ihren Tiefpunkt erreichen werden. So hat NN IP einen eigenen „Bodenbildungsindikator“ geschaffen. Dieser Indikator kombiniert eine breite Palette von Stimmungsdaten, die von traditionellen umfragebasierten Inputs bis hin zu marktbasierten Informationen und Daten aus Nachrichten und sozialen Medien reichen. Durch die Integration dieses Indikators in den Anlageprozess sind Portfoliomanager besser in der Lage, sich in der gegenwärtigen Volatilität der Aktienmärkte zurechtzufinden und vorherzusagen, wann ein nachhaltiger Aufschwung einsetzen könnte.

Die allgemeine wirtschaftliche Lage ist nicht immun gegen die Auswirkungen von Stimmungsschocks. Verbrauchermeinungen können zu Konjunkturschwankungen führen, so dass die Stimmung selbst die wirtschaftliche Aktivität antreibt. Infolgedessen können Anlageexperten die Verbraucher- und Geschäftsstimmung analysieren und nutzen, um Muster erkennen. Dabei teilen die Datenanalysten Emotionen in Kategorien ein, je nachdem, ob sie zu Handlungen oder eher zu Passivität motivieren und ob sie auf negative oder positive Entwicklungen reagieren. Wut wird beispielsweise als aktiv und negativ klassifiziert, während Ruhe passiv und positiv ist.

Der Datenmix ist die Lösung
Mit den jüngsten technologischen Fortschritten ist die Datenanalyse einfacher und zugänglicher geworden. So fließen Informationen zur Arbeitsmarkt- und Wirtschaftslage oder der politischen Unsicherheit und anderer wirtschaftlicher Entwicklungen mit ein. Der MarketPsych Index (TRMI) von Thomson Reuters besteht aus einem Datenfeed von Stimmungsdaten, die mit makroökonomischen Informationen in sozialen Netzwerken und Nachrichtenmedien verknüpft sind und eine breite Datenbasis bezüglich Aktien, Ländern, Währungen und Rohstoffen abdecken. Durch das Durchforsten riesiger Informationsmengen in der Berichterstattung, in Blogs und Social-Media-Feeds erfasst und klassifiziert der TRMI Stimmungsdaten in Bezug auf verschiedene Anlageklassen. Anschließend wandelt es diese in quantitative Indizes um. Die Daten in ihrer direkt verwendbaren Form bestehen aus emotionalen Indikatoren, makroökonomischen Metriken und Buzz-Metriken.

KI-basierte Sentiment-Signale sind klassischen Momentum-Signalen überlegen
Die Automated Intelligence Equity und Multi Asset Teams von NN IP integrieren TRMI-Indikatoren in ihr eigenes Research. Das Automated Intelligence Investing-Team hat beispielsweise ein Sentiment-Signal definiert, das die Branchengewichtung in seinen globalen Aktienstrategien steuert. Ein Nachrichtenbeitrag über ein bestimmtes Unternehmen könnte die Ansichten der Peer Group oder der gesamten Branche dieses Unternehmens widerspiegeln. NN IP hat einen Algorithmus entwickelt, der die aktienspezifischen Stimmungsdaten aggregiert und dann dieses synthetisierte Signal verwendet, um anzuzeigen, welche Branchengruppen untergewichtet und welche übergewichtet werden sollten. Dieses Signal ist zeitgerechter und weniger anfällig für Abstürze als eine Momentum-Strategie. Das synthetisierte Stimmungssignal für die Branchenpositionierung hat einen positiven Informationskoeffizienten (IC), der zehnmal größer ist als der IC eines vergleichbaren Momentumsignals. Während der jüngsten Marktturbulenzen in der Corona-Krise konnte dieses Signal seine Stärken deutlich zeigen.

Da sich Stimmungen und Meinungen schnell ändern können, verwenden Analysten diese jedoch in Verbindung mit anderen Stockpicking-Signalen. Sie werten bereits seit Jahrzehnten neben harten Wirtschaftsdaten auch umfragebasierte Stimmungsindikatoren wie Einkaufsmanagerindizes (PMI) aus. Das Neue sind die TRMI-Indikatoren, die Echtzeitinformationen aus Nachrichten und sozialen Medien nutzen und somit oft die Zukunft besser einschätzen können als PMI-Umfragen. Sie decken in der Regel auch ein breiteres Spektrum von Unternehmen ab. So bieten sie einen guten Überblick darüber, wohin sich die Märkte entwickeln könnten.

Um beispielsweise die makroökonomische Stimmung für ein Land zu bewerten, fügt das Analyseteam zunächst Indikatoren dazu, die die Stimmung in Bezug auf das Wirtschaftswachstum, Arbeitslosigkeit, Handelsbilanz, Geldpolitik und vieles mehr erfassen. Dann verwendet es eine selbst entwickelte Methodik, um die konstruierten Indikatoren zu testen. So bilden die TRMI-Indikatoren einen bedeutenden Teil des Anlageprozesses. Ihre Gewichtung in den unternehmenseigenen Asset-Allokations-Modellen reicht von 26% bis 35%.

Bodenbildungsindikator für Krisenzeiten
Gerade in Zeiten einer Marktkrise kann es unzureichend sein, sich auf Standard-Stimmungsinputs zu verlassen. Dies gilt umso mehr bei exogenen Schocks wie der Coronavirus-Krise. Solche Schocks sind in den vergangenen zehn Jahren häufiger geworden und führen dazu, dass die Märkte sehr viel stärker von Gefühlen getrieben werden, vor allem, weil sie sich schwertun, einen Anker oder einen Fixpunkt zu finden, während die Zukunft in der Schwebe ist.

NN IP hat einen speziellen Bodenbildungsindikator geschaffen, der gerade in einem solchen Umfeld relevant ist. Er kombiniert klassische Stimmungsindikatoren mit Big Data und alternativen datenbasierten Verfahren – also Informationen aus drei Kategorien: traditionelle umfragebasierte Inputs, marktbasierte Informationen und TRMI-Indikatoren. Der daraus resultierende Indikator hilft, abzuschätzen, wann die Talsohle zu erwarten ist und wie sich Investoren in den hochvolatilen Aktienmärkten während der Krise zurechtfinden. So sendet der Indikator ein Signal für die Anlageentscheidung, ob Untergewichtung oder neutrale Position, bis die Corona-Krise ihren Höhepunkt erreicht hat und der Weg zur wirtschaftlichen Normalisierung klarer wird. Ein nachhaltiger Aufschwung auf den Aktienmärkten ist solange unwahrscheinlich, solange keine Klarheit über die menschlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen des Coronavirus besteht.

Die Investoren und Asset Manager, die detaillierte Analysen der aktuellen Situation durchführen und Stimmungsdaten in ihre Anlageprozesse implementieren, sind wohl besser in der Lage, sich einen Weg durch den aktuellen Sturm zu bahnen.

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*) Rani Piputri, Head of Automated Intelligence Investing, und Ewout van Schaik, Head of Multi Asset, NN Investment Partners