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Kommentar: Internationale Anleihen – Volatilität und Unsicherheit bleiben

Volatilität und Unsicherheit – mit diesen beiden Worten lassen sich die Anleihenmärkte im Jahr 2022 am besten beschreiben. Für das schwierige Markt- und Konjunkturumfeld gibt es viele Gründe: die Nachwirkungen von Corona, den Krieg in der Ukraine, die hohe Inflation, die rasche Straffung der Geldpolitik und den starken US-Dollar. Die Märkte haben auf diese Unsicherheitsfaktoren mit hoher Volatilität reagiert – und mit zum Teil kräftigen Ausverkäufen.

Pilar Gomez-Bravo, CFA

Makrorisiken im Überfluss
Weltkonjunktur, Inflation und Zinserwartungen verunsichern. Das zeigt sich auch in unseren bevorzugten Volatilitätsindikatoren. Die Konjunktur ist zurzeit ebenfalls nicht leicht einzuschätzen. In manchen Ländern entwickeln sich Geld- und Fiskalpolitik auseinander, sodass unklar ist, was Inflation und Wachstum letztlich bestimmt. Manche der wichtigsten Frühindikatoren wie die Einkaufsmanagerindizes (PMIs) für das Verarbeitende Gewerbe sprechen für einen deutlichen Wachstumsrückgang. Unterdessen ist die Inflation volatil, was Prognosen nicht leichter macht. Das dürfte sich so bald nicht ändern, zumal eine Reihe wichtiger Unsicherheitsfaktoren die Märkte noch immer bestimmen.

Die meisten großen Notenbanken wollen mit einer strafferen Geldpolitik die Inflation senken. Bei der Fiskalpolitik gibt es allerdings erste Unterschiede zwischen den Ländern. So hatte der Nachtragshaushalt der Regierung Truss in Großbritannien massive Marktturbulenzen ausgelöst. Entscheidend bleibt aber trotz allem die Geldpolitik. Zwar wollen alle Notenbanken den Preisauftrieb dämpfen und wählen dazu auch ähnliche Mittel, aber die Zinsen werden nicht überall gleich stark erhöht, und die Geldpolitik wird auch nicht überall gleich lange straff bleiben. Tatsache ist aber auch, dass die Inflation in vielen Ländern noch nicht ihr Maximum erreicht hat. Die daraus entstehende Unsicherheit ist für Anleger eine Chance. Entscheidend ist, ob und inwieweit die Kurse die erwarteten Zinserhöhungen bereits abbilden.

Erste Instabilitäten
Die unsichere Lage lässt die Anleihenmärkte aber auch immer fragiler werden. An den Credit-Märkten ist eine gewisse Instabilität nichts Ungewöhnliches. Es handelt sich um einen Over-the-Counter(OTC)-Markt, an dem die Liquidität schnell versiegen kann. Das gilt vor allem für risikoreichere Titel, etwa für Emerging-Market-Anleihen und High Yield. Mittlerweile zeigen sich aber auch erste Probleme am Staatsanleihenmarkt, was Anleihenmanagement und Portfoliokonstruktion noch komplexer macht. Die finanzielle Stabilität ist zu einem Extremrisiko geworden, dem die Notenbanken neben Inflation und Wirtschaftswachstum jetzt ebenfalls Rechnung tragen müssen.

Die Entwicklungen in Großbritannien im Herbst dieses Jahres haben den meisten Geldpolitikern weltweit die Augen geöffnet. Sie mussten erleben, wie schnell ein Markt instabil werden kann, wenn Investoren plötzlich Schulden und Risiken abbauen. Wenn wir die Finanzstabilität beurteilen wollen, achten wir vor allem auf versteckte Risiken, die naturgemäß nicht leicht zu erkennen sind. Investoren können sich davor schützen, indem sie in liquide Titel investieren und ihre Portfolios diversifizieren, damit sie sich auch in schwierigen Marktphasen problemlos von ihren Anlagen trennen können.

Letztlich ist Volatilität auch eine Chance. Dazu müssen Investoren aber ihre Portfoliorisiken kennen und bereit sein, bei Marktverzerrungen umzuschichten. Bei der Auswahl eines aktiven Anleihenmanagers muss man darauf achten, ob er aufgrund seiner Entscheidungsstrukturen solche Verzerrungen nutzen kann.

Verzerrungen bieten Anlagechancen
Aktive Manager sollen Marktvolatilität und unterschiedliche Einzelwertentwicklungen nutzen. Hier können sie Mehrwert schaffen. Da wir mit einem starken Konjunktureinbruch und hartnäckiger Inflation rechnen, erwarten wir noch mindestens sechs Monate lang Verzerrungen und damit Chancen für aktive Manager mit gutem Research. Für internationale Anleiheninvestoren, die in die meisten Marktsegmente investieren können, stellen die höheren Einstiegsrenditen und Spreads überdurchschnittlich attraktive Langfristerträge in Aussicht.

Bewertungsunterschiede entstehen dadurch, dass unterschiedliche Investoren mit verschiedenen Herausforderungen zu tun haben. Bisweilen kann es interessant sein, zusätzlich zu einer Anleihe in den dazugehörigen Single-Name Credit Default Swap (CDS) zu investieren. Anstelle von Unternehmensanleihen bzw. hochwertigen Investmentgrade-Titeln können sich Verbriefungen anbieten. Da viele Anleihen zurzeit deutlich unter ihrem Nennwert notieren, kann es sich manchmal auch lohnen, am Sekundärmarkt aktiv zu werden.

Sicher können die Märkte noch eine Zeit lang turbulent und volatil sein. Ein Großteil der Schwierigkeiten ist in den Kursen aber bereits berücksichtigt, und die meisten Investoren sind defensiv positioniert. Weltweit zeigen sich große Unterschiede zwischen euro- und US-dollardenominierten Investmentgrade-Anleihen. Jeder weiß, dass die Energiekrise für Europa eine große Herausforderung ist. Die Zinsdifferenz zwischen beiden Märkten ist zurzeit sehr hoch, und am US-Markt streuen die Renditen stärker. Insgesamt bietet der Euro-Markt aber mehr Chancen.

Wenn man an beiden Märkten investieren kann, lassen sich risikoärmere Portfolios konstruieren, die sowohl die erwartete Richtung der beiden Märkte als auch die Zinsunterschiede zwischen Sektoren berücksichtigen.

Was bringt die Zukunft?
Fest steht, dass das Risiko einer harten Landung der Konjunktur in den Anleihenkursen zunehmend berücksichtigt ist. Weil die einzelnen Volkswirtschaften unterschiedlich zinssensitiv sind und es daher zu Unterschieden in der Geld- und Fiskalpolitik kommt, rechnen wir auch mit wachsenden Zinsunterschieden. Daher erwarten wir deutlich mehr Möglichkeiten, länderspezifische Renditeprognosen in den Portfolios umzusetzen. Im Credit-Bereich sehen wir Chancen bei eurodenominierten Titeln, vor allem für US-Dollar- Investoren. Im High-Yield-Bereich kommt es vor allem auf die Einzelwertauswahl an.

Bei strukturierten Produkten halten wir ausgewählte Collateralised Loan Obligations (CLOs) für interessant, deren Kurse zuletzt stark nachgegeben haben, aber auch ausgewählte konsumnahe Asset-Backed Securities (ABS). An den Emerging Markets könnten Währungen attraktiv sein, aber auch einzelne Lokalwährungstitel. Wegen der Konjunktur- und Zinsunsicherheit rechnen wir auf absehbare Zeit aber weiter mit einem starken US-Dollar.

Worauf Investoren achten sollten
In dieser für die Märkte entscheidenden Phase sollten Investoren mehrere Dinge bedenken. Erstens glauben wir, dass wir auf absehbare Zeit mit der unsicheren Wirtschaftslage und der Volatilität leben müssen. Zweitens rechnen wir weiterhin nicht nur mit einer unsicheren Geld- und Fiskalpolitik, sondern auch mit uneinheitlichen Daten. Als aktive Investoren wollen wir von den täglichen Kursschwankungen abstrahieren. Für uns zählen Fundamentalfaktoren, und wir vergleichen unsere Einschätzung mit dem Marktkonsens, der in den Kursen berücksichtigt ist.

Drittens müssen wir uns auch der Risiken für die Finanzstabilität bewusst sein. In unsere Portfolios müssen wir daher gewisse Risiko- und Liquiditätspuffer einbauen, damit wir bei Problemen handeln und Chancen nutzen können. Schließlich bleibt die Einzelwertauswahl zentral. Letztlich muss das investierte Kapital geschützt werden. Umso wichtiger ist es, sich für die richtigen Einzelwerte und Emittenten zu entscheiden. In Zeiten wie diesen mit großen Marktverzerrungen ist es wichtig, dass man weltweit investieren kann und ein großes Anlageuniversum mit unterschiedlichen Alphaquellen zur Verfügung steht. Das aktuelle Umfeld ist nicht immer einfach. Wir glauben aber, dass eine aktive und flexible Anlage den Investoren hilft. Schließlich lassen sich so alle Chancen nutzen, die die Märkte gerade jetzt bereithalten.

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*) Pilar Gomez-Bravo, CFA Director Fixed Income – Europe bei MFS Investment Management