Noch sind nicht alle Details final geklärt, dennoch zeichnet sich nach den jüngsten Ankündigungen ein recht klares Bild des Handelsabkommens zwischen den USA und der EU ab:
• Die USA erheben künftig auf den Großteil der EU-Waren einen Zollsatz von 15 Prozent. Ausnahmen bilden Stahl und Aluminium (weiterhin 50%) sowie Flugzeuge und einige andere Waren, auf die keine Zölle erhoben werden. Auch für Autos, Halbleiter und Pharmazeutika scheint der 15-prozentige Satz zu gelten. Da für letztere Sektoren zuvor härtere Maßnahmen befürchtet wurden, kann dies durchaus als positives Signal gewertet werden.
• Die EU verpflichtet sich zu Energieimporten im Umfang von 750 Mrd. US-Dollar während der Amtszeit von Präsident Trump, Investitionen in den USA in Höhe von 600 Mrd. US-Dollar (eine vage Zusage, da sie von unsicheren Investitionsentscheidungen des Privatsektors abhängt), und zum Kauf einer bislang nicht spezifizierten Menge an US-Rüstungsgütern.
• Die EU wird auf die US-Handelsmaßnahmen nicht mit Gegenmaßnahmen reagieren.
Der vereinbarte Zollsatz von 15% entspricht weitgehend unseren Annahmen und beseitigt das Risiko extremerer Szenarien. Gleichwohl dürften die Handelsbeschränkungen nach unseren Modellrechnungen das Wachstum der Eurozone in den kommenden Quartalen um rund einen Prozentpunkt schwächen und es damit in der zweiten Jahreshälfte nahezu zum Erliegen bringen.
Die Hälfte des Schwächungseffekts sind direkte Auswirkungen der Zölle auf die Handelsbilanz. Die andere Hälfte ergibt sich aus der Unsicherheit über die Handelspolitik, die erfahrungsgemäß Unternehmensinvestitionen ausbremst. Der letztgenannte Effekt ist jedoch nur schwer zu bemessen, da als jüngste Vergleichsperiode lediglich die Maßnahmen der ersten Trump-Regierung 2018/2019 herangezogen werden können. Außerdem hat sich die globale Handelsunsicherheit laut einer weit beachteten Kennzahl des US-Notenbankforschers Matteo Iacoviello zuletzt sogar verringert.
Auffällig ist, dass die Eurozonen-Wirtschaft bislang keine nennenswerten Anzeichen einer Abschwächung zeigt: Im ersten Halbjahr lag das annualisierte Wachstum bei über einem Prozent, und der zusammengesetzte Einkaufsmanagerindex (PMI) ist im Juli trotz zunehmender Handelsspannungen gestiegen. Allerdings dürfte ein Großteil der Widerstandsfähigkeit auf vorgezogene Bestellungen vor Inkrafttreten der August-Zölle zurückzuführen sein. Für den weiteren Jahresverlauf rechnen wir daher weiterhin mit einer konjunkturellen Abkühlung.
Zu dieser Einschätzung gesellt sich noch eine zweite – nämlich, dass die Inflationsrisiken infolge der schwächeren Konjunktur, nachlassender Lohnzuwächse und eines stärkeren Euro kurzfristig nach unten zeigen. Beide Entwicklungen zusammen sprechen dafür, dass die Europäische Zentralbank noch weitere Lockerungsmaßnahmen vor sich hat. Wir halten eine letzte Zinssenkung auf ein finales Niveau von 1,75% für möglich – ein Wert, der nahe an der aktuellen Geldmarktpreisbildung liegt. Allerdings werden die kommenden Konjunkturdaten entscheidend für den weiteren Kurs der EZB sein.
Im Rahmen der EZB-Sitzung am 24. Juli bescheinigte Präsidentin Christine Lagarde der derzeitigen EZB-Geldpolitik eine komfortable Position. Das überrascht kaum: Das Wachstum liegt nahe am Trend, die Inflation nahe am Ziel, und der Leitzins befindet sich aus Sicht der EZB auf neutralem Niveau. Zudem dürfte die Notenbank das Risiko minimieren wollen, nach Erreichen des Endzinssatzes direkt wieder gegensteuern zu müssen.
Bedeutung für Anleiheinvestments
Da die EZB-Zinserwartungen bereits weitgehend an den Märkten eingepreist sind, bleiben europäische Anleihen aus unserer Sicht ein attraktiver Schutz gegen wirtschaftliche Widrigkeiten in Europa. Bei Laufzeiten bevorzugen wir den kurzen bis mittleren Bereich. Die kurzfristigen Zinsen sind recht gesetzt, die langfristigen allerdings erhöht – getrieben vor allem durch Deutschlands fiskalpolitische Impulse und die Bilanzverkleinerung der EZB.
Auf Währungsseite dürfte sich die jüngste Aufwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar fortsetzen – allerdings eher infolge eines schwächeren Dollars als eines starken Euro.
Zudem sehen wir weiterhin gute Anlagechancen in gut strukturierten, defensiven Spread-Segmenten im Euroraum. Mit einer gezielten Auswahl von Emittenten und Sektoren lassen sich aus unserer Sicht attraktive risikoadjustierte Renditen erzielen – bei gleichzeitig geringerer Volatilität im Vergleich zu Aktien.
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*) Nicola Mai, Portfoliomanager und Analyst für Staatsanleihen, und Konstantin Veit, Portfoliomanager und Leiter European Rates- und Short-Term Desks, beide PIMCO
Kommentar: EU-US-Handelsabkommen – Wachstumsdämpfer trotz weniger Risiken

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