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Kommentar: Die eiserne Herrschaft von Zinsen und Inflation

Es ist ein schwieriges Umfeld für Investoren in festverzinsliche Anlagen, da wachsende Risikosorgen mit der anhaltenden Volatilität traditioneller sicherer Staatsanleihen kollidieren. Die Inflationsentwicklung und die Maßnahmen der Zentralbanken zur Inflationsbekämpfung dominieren die Aussichten für festverzinsliche Wertpapiere in der zweiten Jahreshälfte 2022 – vor allem die aggressive Straffung der Federal Reserve durch Zinserhöhungen und Bilanzverkürzung.

Steven Oh

Diese und andere Maßnahmen der Zentralbanken zur Bremsung der Wirtschaftskonjunktur haben zu einem Rückgang der festverzinslichen Anlageklassen beigetragen, da Stagflationsängste bestehen, die zwar verständlich sind, aber unserer Meinung nach angesichts des hohen Beschäftigungsniveaus und der starken Verbraucher- und Unternehmensbilanzen übertrieben sein könnten.

Verschärft werden diese Herausforderungen durch große geopolitische Risiken, vor allem durch den Konflikt in der Ukraine und seine Auswirkungen nicht nur auf die Energie- und Lebensmittelpreise, sondern auch auf die Risikobereitschaft im gesamten Kreditspektrum. Auch Chinas Lockdowns belasten die Stimmung, obwohl die jüngste Kehrtwende der chinesischen Regierung zu einer „dynamischen“ Covid-Politik ein Gefühl der Normalität zurückbringen und die chinesische Wirtschaft unterstützen könnte.

Mit Blick auf die zweite Jahreshälfte sehen wir drei wichtige Trends im globalen festverzinslichen Anlagebereich, die besonders hervorzuheben sind: eine konstruktive Haltung gegenüber ausgewählten Segmenten von Schwellenländeranleihen, eine Aufholjagd der Hochzinsanleihen gegenüber den Krediten und eine kurzfristige Ausweitung der Spreads im Investment-Grade-Bereich.

Konstruktive Haltung gegenüber ausgewählten Segmenten von Schwellenländeranleihen
Vor dem Hintergrund staatlicher und sektorbezogener Risikoereignisse in Verbindung mit starken Fundamentaldaten der Unternehmen sehen wir Wertsteigerungsmöglichkeiten. Außerdem haben das Ausbleiben von Abflüssen nach den Ereignissen in der Ukraine, die anhaltende Immobilienkrise in China und das begrenzte Angebot die technischen Aussichten verbessert.

Nach der Ankündigung im März, dass Russland und Weißrussland im nächsten Monat aus den Indizes gestrichen werden sollen, haben sich die Spreads der Schwellenländer optisch verengt. Die Emission von Staatsanleihen aus den Schwellenländern beträgt nur 40% im Vergleich zum Vorjahr. Investment-Grade-Anleihen schnitten deutlich schlechter ab als Hochzinsanleihen, da sich der Markt auf den Zinserhöhungszyklus der Fed und das Reset der US-Treasury-Kurve konzentrierte.

Doch obwohl weiterhin Vermögenswerte aus dem Markt für Schwellenländeranleihen abfließen, sehen wir keine Anzeichen von Panik. Angesichts der Erwartung eines stagnierenden Nettoemissionsvolumens und anhaltender Neuzuteilungen in diese Anlageklasse bleiben wir langfristig konstruktiv. Wir haben in der Vergangenheit Unternehmensanleihen in den Schwellenländern bevorzugt, was in einem Umfeld steigender Zinsen von Bedeutung ist, da die Duration viel kürzer ist als am Markt für Staatsanleihen.

Aufholjagd der Hochzinsanleihen gegenüber den Krediten
Die Märkte für fremdfinanzierte Wertpapiere waren in letzter Zeit sehr volatil, was größtenteils mit der Entwicklung der Zinssätze zusammenhing – insbesondere bei Hochzinsanleihen als festverzinsliche Produkte. Die Zinssätze für Staatsanleihen sind erheblich gestiegen, was den Handel auf den Kredit- und Anleihemärkten beeinflusst, und auch die Spreads für diese Vermögenswerte haben sich ausgeweitet.

Die Kurse von Hochzinsanleihen und Bankkrediten sind unter Druck geraten, da die Volatilität in die Höhe schoss und sich die Spreads rasch ausweiteten. Außerdem wurde befürchtet, dass die Straffung der Fed das Wachstum abwürgen und zu einer Rezession führen könnte.

In Anbetracht der Entwicklung der Zinssätze für Staatsanleihen und der massiven Outperformance von Anleihen gegenüber Hochzinsanleihen seit Jahresbeginn liegt der gewichtete Durchschnittspreis auf dem Hochzinsmarkt deutlich unter dem des Anleihemarktes.

Obwohl wir das Potenzial sehen, dass sich die Spreads für Hochzinsanleihen weiter ausweiten und nach unten überschießen könnten, glauben wir, dass diese Differenz in Bezug auf den durchschnittlichen Abschlag zum Nennwert letztendlich für Rückenwind sorgen wird.

Ausweitung der Spreads im Investment-Grade-Bereich in naher Zukunft
In einem weitgehend technisch geprägten Markt sind die Rahmenbedingungen für Investment-Grade-Kredite uneinheitlich. Positiv zu vermerken ist, dass die Bestände der Broker-Dealer weiterhin relativ niedrig sind. Auch wenn eine bevorstehende Rezession nicht unser Basisszenario ist, erfordern die Abwärtsrisiken auf diesem Markt eine weiterhin defensive Positionierung.

Als festverzinsliche Anlageklasse mit längeren Laufzeiten wurden Investment-Grade-Kredite von der aggressiven Politik der US-Notenbank und dem bisherigen Zinsanstieg hart getroffen, wobei sich die Spreads erheblich ausweiteten. Obwohl die Käufe von taiwanesischen Versicherern und US-Pensionsfonds einen Teil der Spread-Ausweitung kompensiert haben und die Gesamtrenditen für Anleger weiterhin attraktiv sind, gehen wir davon aus, dass sich die Spreads in nächster Zeit weiter ausweiten werden.

Während eine anhaltende defensive Positionierung dazu führen kann, dass die Performance insgesamt etwas zurückbleibt, sind wir der Meinung, dass die Wirtschaft zwar stark ist, aber einige Anzeichen von Schwäche zeigt, da die Fed die geldpolitischen Bedingungen straffen und ihre Bilanz reduzieren will.

Aus diesem Grund sollten Erholungen als Gelegenheit gesehen werden, das Risiko weiter zu reduzieren und in Erwartung eines möglichen Richtungswechsels der Fed mehr liquide und handelbare Mittel anzusammeln – zu diesem Zeitpunkt sollten Anleger bereit sein, Risiken einzugehen.

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*) Steven Oh, Global Head of Credit and Fixed Income, PineBridge Investments