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„Gute Aktien sind aktuell die besseren Bonds“

Extreme Bewegungen in den unterschiedlichsten Assetklassen wie Staatsanleihen, Währungen und Rohstoffen (Gold) waren in den letzten Monaten schon eher Regel als Ausnahme. Keine Frage, das Anlageumfeld unterliegt aktuell gravierenden Veränderungen. IPE Institutional Investment-Chefredakteur Frank Schnattinger sprach mit Philipp Vorndran, Kapitalmarkt-Stratege beim Kölner Vermögensverwalter und Family Office Flossbach & von Storch, über den aktuellen Zustand der Märkte und Implikationen auf die Handlungsweisen der Investoren.

Philipp Vorndran

IPE Institutional Investment: Herr Vorndran, wir stehen mitten in – vorsichtig formuliert – spannenden Zeiten. Wie sieht Ihr großes Bild derzeit aus?
Vorndran: Unser großes Bild – global betrachtet – ist zweigeteilt. Wir haben zum einen die westliche Welt mit einer nie da gewesenen Schuldenproblematik und zum anderen die oft noch als Schwellenländer verschrienen Regionen wie Lateinamerika oder Asien wo es wirtschaftlich prächtig läuft. Diese haben ganz klar die Rolle des Wachstumsmotors vom Westen übernommen. Dass dies so kommt war natürlich schon länger absehbar, die Geschwindigkeit hat allerdings auch uns überrascht.

IPE Institutional Investment: Die Schuldenproblematik ist ein gutes Stichwort – wie könnten hier Lösungswege aussehen?
Vorndran:
Im Wesentlichen sehen wir drei Möglichkeiten. Zum einen natürlich das Thema Wachstum – allerdings müssten wir dann von einem realen Wachstum im Westen von mehr als 2% p.a. über 10-15 Jahre ausgehen, aus heutiger Sicht nicht wahrscheinlich. Das zweite Szenario, das wir an den Märkten als Thema bis etwa in den April gesehen haben, heißt Deflation – verbunden mit einem Schrumpfprozess in der Wirtschaft und dem Thema Staatsbankrott. Die österreichische Schule also, in bester Weise die kreativen Zerstörung. Zu dem Zeitpunkt konnte man auch noch davon ausgehen, dass sich die Notenbanken nicht als verlängerter Arm der Politik benutzen lassen, heute muss man diese Meinung ja nun leider revidieren…

IPE Institutional Investment: Beim Blick auf die aktuelle Entwicklung in die Politik gebe ich Ihnen völlig recht. Das heißt es bleibt als wahrscheinlichster Fall die Inflationierung?
Vorndran:
Richtig, allerdings nicht wie sie von vielen derzeit erwartet wird, mit einer längerfristig gültigen Rate von 3-5%. Schauen Sie auf die Staatsverschuldung und rechnen damit dann einmal bei den höheren Renditen am Rentenmarkt die Zinskosten des Staates aus. Es würde den Haushalt – gepaart mit vielen Kosten wie Gehälter und Beamtenrenten, die de facto ja auch inflationsgeschützt sind – kollabieren lassen.

IPE Institutional Investment:  Also kurz und heftig?
Vorndran:
In Prinzip brauchen wir 100% Inflation auf kurze Zeit um die Staatshaushalte wieder auf ein vernünftiges Level zurückzuführen. Die Inflation kommt definitiv nicht über die Lohn-/Preis-Spirale, sie kommt über den Vertrauensverlust der Bürger ins Papiergeld, verbunden mit einer Flucht in langlebige Konsumgüter und Sachwerte. Zusätzlich werden wir über den Abwertungswettlauf auch Inflation impotieren.

IPE Institutional Investment:
Wie lässt sich so ein Prozess wieder stoppen?
Vorndran:
Es bleibt am Ende des Tages nur eine Bindung des Geldes an Sachwerte. Im Prinzip eine echte Rekalibrierung des Systems, verbunden mit dem Beschluss, dass die Geldmenge dann nur noch analog zum GDP-Wachstum steigen kann bzw. darf. Damit können Sie auch wieder Vertrauen der Bürger in die Papierzettel namens Geld schaffen.

IPE Institutional Investment:
Damit lösen wir aber noch keine Problemfälle wie Griechenland…
Vorndran:
Völlig richtig. Zuvor gesagtes wird uns nicht davor bewahren, Veränderungen im Euro auf den Weg zu bringen, denn der zementiert ja aktuell die nicht vorhandene Wettbewerbsfähigkeit von Ländern wie Griechenland oder Portugal und auch Spanien. Das ist allerdings ein vielschichtiges Thema, es würde schlicht den Platz hier sprengen.

IPE Institutional Investment: Das Thema Inflation führt uns zur Frage nach Edelmetallen, insbesondere Gold. Für institutionelle Adressen nicht unbedingt ein immer gut greifbares Investmenttopic…
Vorndran:
Gold ist für uns so etwas wie die finale Währung. Es spricht meines Erachtens viel dafür, dass sich ein zukünftiges Währungssystem wieder stärker auf der Basis von Sachwerten (u.a. auch Gold) positioniert. Für uns steigt Gold derzeit nicht, die Währungen verlieren schlicht und ergreifend. Das mag jetzt dialektisch klingen, macht aber durchaus einen Unterschied. Schauen Sie sich aktuell das Thema „competitive devaluation“ an den Währungsmärkten an…

IPE Institutional Investment: Auch Aktien werden als Substanzwerte gerne beim Thema Inflationsschutz genannt.
Vorndran:
Langfristig ist das absolut richtig! Auch hier muss man leider feststellen, dass sie aktuell für viele Institutionelle ein „no go“ darstellen. Es mangelt an Risikotragfähigkeit. Schauen Sie z.B. auf die durchschnittlichen Quoten der Versicherer – wir sprechen vom niedrigen einstelligen Bereich! Die neuen Solvency-Regeln verschlimmern die Situation weiter. Kaum einer unserer Kunden unterliegt glücklicherweise solchen Einschränkungen und wir konnten die Quote in Qualitätsaktien in den letzten Monaten deutlich hochfahren, heute sind wir Aktien übergewichtet – wie im übrigen auch Convertibles.

IPE Institutional Investment: Gehe ich nach Ihrem Hauptszenario, dürften Sie westliche Staatsanleihen dagegen mehr oder minder meiden?
Vorndran:
Was wir hier investieren – das nebenbei gesagt auch nur am kurzen Ende – sehen wir im Prinzip als unsere Cash-Reserve, denn wir haben noch immer nur begrenztes Vertrauen, was Finanzinstituten als Gegenparteien anbetrifft.

IPE Institutional Investment: Das Inflationsszenario sollte auch das Thema Real Assets begünstigen. Wie stehen Sie dazu bzw. auch zum gestiegenen Interesse der Investoren am Klassiker, der Immobilie?
Vorndran:
Interessant könnte das Thema Wohnimmobilien werden, gerade Immobilienaktien die unter ihrem NAV notieren und ein gutes Management haben sind definitiv einen Blick wert. Dazu kommt, dass der Wohnimmobilienmarkt – abgesehen von  Ausnahmen wie München – über die letzten 20 Jahre keine echte Wertsteigerung hatte. Glauben Sie mir, der Reflex in der Bevölkerung hin zum Kauf von Wohnimmobilien wird mit zunehmender Inflationserwartung noch stärker werden. Das Thema Office überzeugt uns weniger, gerade auch vor dem Hintergrund der Liquidierung offener Immobilienfonds.

Auch viele der Infrastrukturthemen sind auf den ersten Blick spannend. Hier muss man allerdings auch auf das Risiko der Gegenpartei achten, die vielfach der Staat ist. Über das Thema Ausfall hatten wir diesbezüglich ja schon gesprochen. Auch die Fee Strukturen sind bei vielen Angeboten ein Punkt den man genau anschauen muss.

IPE Institutional Investment: Lassen Sie uns noch einmal auf das Thema Schwellenländer zurückkommen. Sie haben eingangs die wirtschaftliche Dynamik gelobt – viele Investoren teilen dies und verschieben aktuell die Asset Allocation in Richtung Emerging Markets…
Vorndran:
Der Ansatz ist in der Tat absolut richtig. Es sind aber reine Allokationsentscheidungen. Es wird in den seltensten Fällen geschaut, wie die Märkte bewertet sind.  Für uns stimmt an vielen Orten die Relation von Preis und Wert nicht mehr. Indien mit einem P/E von 19 zu kaufen ist schon mutig.
Das gilt allerdings nicht für globale Bluechips. Wir sprechen hier von einer vernünftigen Bewertung und Dividendenrenditen von durchschnittlich 3,5%. Und viele von diesen Global Playern erzielen inzwischen fast 50% ihrer Umsätze in den Schwellenländern. Gute Aktien sind derzeit definitiv die besseren Bonds.

IPE Institutional Investment: Vielen Dank für diese spannenden Einblicke.