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Gewerbeimmobilien in Deutschland: Stabile Werte - unflexible Preise? (Teil 2)

In Großbritannien sind die Immobilienbewertungen seit Mitte 2007 innerhalb von zwei Jahren im Landesdurchschnitt um etwa 47% (nur Gewerbe) eingebrochen. Es wurde innerhalb eines kurzen Zeitraums reinen Tisch gemacht. Auch aus den meisten kontinentaleuropäischen Märkten werden inzwischen deutliche, teilweise zweistellige, Wertabschreibungen gemeldet. Und in Deutschland? Auch in Deutschland hat es am Markt in 2006 bis 2007 einen Preisboom gegeben, der sich jedoch nachweislich nicht in den Bewertungen niedergeschlagen hat.

Kann man daraus schließen, dass es keinen nennenswerten Abwertungsbedarf gibt, will man die heutigen Marktpreise korrekt abbilden? Leider nein. Die deutschen Sachverständigen haben zwar in der Tat den Boom ignoriert, es blieb ihnen aber auch nichts anderes übrig. Die Bewertungen lagen in Deutschland ohnehin, trotz einem Jahrzehnt von Wertrückgängen, noch immer  so hoch, dass ein weiterer Anstieg der Werte selbst im Boom nicht mehr möglich gewesen wäre. Ende 2007 lag die durchschnittliche Nettorendite für die deutschen Büroobjekte* im IPD Index bei 5% (IPD Daten beruhen auf einem Portfolio im Wert von 21,6 Mrd. €) und damit sogar niedriger als in Großbritannien (5,3%), wo die Werte mark-to-market ganz offiziell und offensichtlich in den Himmel hoch geschrieben worden waren. Ende 2008 lag die durchschnittliche Nettoanfangsrendite für deutsche Büros bei 5,4% und damit niedriger als die Spitzenrendite in den „Big6“ und sehr viel niedriger als der vergleichbare Jahresendwert 2008 für britische Büros von 8,3%. 

Konsequenzen für die Preise am Investitionsmarkt
Auch in Deutschland waren die Marktwerte für Gewerbeimmobilien in 2007 auf Rekordwerte angestiegen. In der Spitze wurden in München Nettoanfangsrenditen von nur 4% erzielt. Derzeit sind die Nettoanfangsrenditen deutlich über die 5% Marke angestiegen. B-Lagen mussten einen deutlich stärkeren Preisrückgang hinnehmen. Angesichts der Rezession, der zu erwartenden Mietrückgänge und steigenden Leerstände haben sich die Marktpreise in Deutschland trotzdem erstaunlich stabil gehalten. Deutsche A-Büros in den „Big6“ gehören damit derzeit zu den teuersten in Europa, auch unter der Maßgabe, dass mit Mieteinbrüchen von vergleichsweise nur 15-20% in diesem Zyklus in Deutschland, die Anfangsrenditen auch niedriger gerechtfertigt sind als z.B. in London, Madrid oder Paris wo 30-50% an Mietrückgängen einzupreisen sind. 

Entsprechend wäre in Deutschland ein Anstieg der Spitzenrenditen auf um die 5,9% adäquat, während Paris deutlich über 6% liegt und die Londoner City bei 7% gehandelt wird. Bisher ist diese Flexibilität aber nicht der Fall. Mit dem Durchsickern des negativen BIP-Wachstums von -6% in diesem Jahr sich abzeichnende erste Notverkäufen und Insolvenzen ist das aber durchaus noch wahrscheinlich.

Warum dauert es aber in Deutschland so lange bis sich Preisänderungen (nach unten) manifestieren? Makler sprechen derzeit oft davon, dass es durchaus genügend Angebot und Nachfrage für Objekte am Markt gäbe, dass derzeit aber meist 100 bps zwischen den Preisvorstellungen von potentiellen Käufern und Verkäufern liegen. Hier zeigen sich die Auswirkungen der Stabilitätsfixierung am deutschen Immobilienmarkt. Preisveränderungen gelten als Teufelszeug und man riskiert lieber einen völligen Marktstillstand als sich auf neue Gegebenheiten einzustellen.

Bis 2006 waren internationale Investoren dem deutschen Markt völlig fern geblieben, weil sie den Markt zu Recht als zu starr auf international sehr hohe Preise bestehend, vorfanden. Egal ob in den letzten 15 Jahren ein wirtschaftlicher Abschwung oder ein Aufschwung bevorstand: Gewerbeimmobilien kosteten immer fast dasselbe. Diese Preisbildungspolitik ließ ausländisches Kapital einen großen Bogen um den deutschen Immobilienmarkt schlagen. Der deutsche Transaktionsmarkt blieb im internationalen Vergleich zurück. Der deutsche Immobilienmarkt droht heute wieder in die gleiche Falle zu tappen. Die hohen Preise werden auch in der Rezession aufrechterhalten, damit erlahmt der Transaktionsmarkt und wird wieder eine rein deutsche Veranstaltung. Der ängstliche Blick der Eigentümer auf die scheinbar unverrückbaren Buchwerte ihrer Objekte ist an dieser Blockade nicht ganz unschuldig.

Am Immobilienmarkt wird es in Deutschland als Normalfall gesehen und als Vorzug gepriesen wenn sich die Preise nie ändern und der DIX eine waagrechte Linie beschreibt. Wenn am Aktienmarkt der DAX über 2 Jahrzehnte immer um die 7.000 Punkte gelegen hätte, würde man hingegen von Stillstand und Marktversagen sprechen.


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*) Stefan Wundrak ist Research Manager Europe bei Henderson Global Investors in London.