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Gewerbeimmobilien in Deutschland: Stabile Werte - unflexible Preise? (Teil 1)

In wohl keiner Beschreibung des deutschen Immobilienmarktes wird vergessen auf die besondere Stabilität des Sektors in Deutschland hinzuweisen. Der deutsche Markt ist zu Recht für seine geringe Volatilität bekannt. Zum Beispiel schwanken die Büromieten nicht einmal in Deutschlands volatilstem Markt Frankfurt auch nur annähernd so stark wie in den anderen Top-Märkten Europas. Die Anfangsrenditen für A-Büroimmobilien in den „Big6“ Standorten lagen seit den frühen 80er Jahren (länger Daten liegen nicht vor) immer sehr nahe um die 5%. Bei nicht-deutschen Immobilienmarktbeobachtern wird diese Stabilität oft mit Misstrauen betrachtet, da sie einerseits nicht ganz nachvollziehen können wie sie zu Stande kommen. Andererseits können sie den Stolz der Branche in Deutschland nicht verstehen, da aus ihrer Sicht Marktstabilität auch Mangel and Flexibilität bedeutet und sogar als Starre interpretiert werden kann.

Die fundamentalen Gründe der deutschen Stabilität
Die geringe Volatilität der Immobilienmärkte in Deutschland liegt in den Rahmenbedingungen begründet. Deutschland ist das einzige große polyzentrische Land Europas. Deutschland hat kein eindeutiges Zentrum, wie Großbritannien mit London, Frankreich mit der Ile-de-France oder kleine Länder wie Belgien mit Brüssel. Bei den Büromärkten wird oft von den „Big6“ gesprochen (Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, München, Stuttgart), aus denen man aber leicht auch Big7 oder Big8 machen könnte. Verschiedene Städte verfügen über eine gewisse Dominanz oder Zentralfunktion in wirtschaftlicher, ökonomischer oder geographischer Hinsicht, aber keine Stadt oder Region ist landesweit bestimmend. Welche Stadt kann sich in Deutschland Versicherungshauptstadt nennen? München? Köln? Hannover? Bei der Frage nach der wichtigsten Medienstadt werden sich Hamburg, Frankfurt, Berlin, Köln, München und sogar Mainz zu Wort melden. Das Fehlen eines eindeutigen Zentrums führt zu einer geringen Volatilität des Mietzyklus und vergleichsweise geringen Unterschieden der Mietniveaus. Schießen die Mieten an einem Standort zu weit nach oben, weichen Unternehmen an den Stadtrand aus oder verlagern Wachstumssparten gar in eine andere Stadt oder Region.

Nie sind Büro- oder Wohnflächen in einer Stadt oder Teilmarkt so begrenzt und gleichzeitig so nachgefragt, dass es zu so atemberaubenden Mietpreissteigerungen und anschließenden Einbrüchen kommen kann wie sie z.B. im Londoner West End regelmäßig zu beobachten sind. Diese natürliche Stabilität des Vermietungsmarktes bildet die Basis für die Stabilität des Investitionsmarktes. In Deutschland können Investoren im Konjunkturaufschwung nur sehr moderate Mietpreissteigerungen erwarten. Anderswo in Europa erzeugt die Erwartung starker Mietpreiszuwächse dagegen immer wieder Spekulationsblasen. Umgekehrt ist dann im Abschwung oft eine enorme Fallhöhe bei den Mieten einzupreisen, was kurzfristig enorme Preisrückgänge begründet und auslöst. Als weitere stabilisierende Effekte sind die relative Vorsicht der deutschen Banken (meist geringe LTVs), die strenge Regulierung der Fondsbranche (vor allem die Begrenzung des Fremdkapitaleinsatzes) und der Pfandbriefmarkt zu nennen. Hinzu kommt, dass der Investitionsmarkt von den Tankern „Offene Fonds“ und konservativ orientierten institutionellen Investoren dominiert wird, während risikofreudigere Spieler eine zwar wachsende aber immer noch untergeordnete Rolle spielen.

Die Rolle der Bewertung als zusätzlicher Stabilisator
In Deutschland gibt man sich mit dieser natürlichen Stabilität des Marktes allerdings noch nicht zufrieden. Die IPD Indizes von IPD beruhen auf den Gutachterbewertungen aller Objekte, welche die teilnehmenden Unternehmen zur Auswertung bereitstellen. In Deutschland liefern fast alle Großen der Branche diese Daten an IPD. Die hohe Marktabdeckung gewährleistet, dass der von IPD für Deutschland ausgewertete Index ein gutes Bild der Wertentwicklung, zusammengesetzt aus Preis- und Mietpreisveränderungen aus Sicht der Sachverständigen, abgibt. Im Gegensatz zu den vergleichbaren Indizes der europäischen Nachbarn, die regelmäßig zweistellige Wertveränderungen (nach oben und nach unten) in einem Jahr zeigen, blieben die Ausschläge in Deutschland seit 1989 (Beginn der Aufzeichnungen) immer sehr nahe bei Null. Die bislang stärkste Wertveränderung wurde in 2005 mit -3,8% beobachtet.

Nicht nur scheint es laut dem Durchschnitt der deutschen Gutachterbewertungen praktisch keine Preisschwankungen zu geben, sondern die sichtbaren geringen Veränderungen sind auch noch schwer mit Fundamentaldaten zu erklären. Der Index zeigt seit 1996 fast durchgehend jährliche Wertverluste, mit Ausnahme von winzigen Zuwächsen in 2000 (+0,4%) und 2001 (+0,2%), den Boomjahren der New Economy. Sogar in den Jahren des Aufschwungs 2006 und 2007 blieb der Index fest in den roten Zahlen. Die Marktzyklen sind in den Bewertungsdaten nicht nur unsichtbar, sie werden sogar konterkariert indem Wertverluste in offensichtlich guten Jahren der Vermietungs- und Investitionsmärkten angezeigt werden.

Die Gemeinde der deutschen Immobiliensachverständigen betont regelmäßig, dass die angegebenen Werte Marktpreise zum gegebenen Zeitpunkt darstellen sollen und damit kein wirklicher methodischer Unterschied zum angelsächsischen „mark-to-market“ Ansatz bestünde. Die Daten sprechen allerdings eine andere Sprache. Sie legen nahe, dass im Wiedervereinigungsboom Anfang der 90er die Immobilienwerte stark nach oben geschrieben wurden und seitdem ein langsamer Abbau vollzogen wird, der aufgrund der deutschen Stabilitätsmaxime nur in Trippelschritten vorangeht und Jahrzehnte dauert.

Lesen Sie nächste Woche, im zweiten Teil, mehr über die Schockstarre des Marktes in der Post-Lehman Ära und die Auswirkungen auf die Immobilienpreise.


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*) Stefan Wundrak ist Research Manager Europe bei Henderson Global Investors in London.