Die Pensionsverpflichtungen der 40 Unternehmen im deutschen Leitindex Dax waren noch nie so gut mit Kapital ausgestattet. Mit mehr als 82% erreichte der Ausfinanzierungsgrad im Jahr 2024 laut der Unternehmensberatung Mercer einen neuen Rekordwert. International liegt die Quote sogar noch deutlich höher. Global hat sich der Deckungsgrad betrieblicher, leistungsorientierter Altersversorgungssysteme zeitweise sogar auf 96% gesteigert, wie die jüngste verfügbare Analyse der Frankfurt School of Finance & Management ergibt.
Allein dieser Reifegrad schafft Spielräume, Risiken bei der Kapitalanlage zu reduzieren. Schließlich verringert sich mit dem Grad der Ausfinanzierung die Notwendigkeit, Mehrerträge zu erwirtschaften, um künftigen Verpflichtungen genügen zu können. Einer der am weitest verbreiteten De-Risking-Ansätze ist seit den späten 2000er Jahren das Liability Driven Investing (LDI). Bei LDI geht es im weitesten Sinne darum, Vermögenswerte und Verbindlichkeiten gegenüber Veränderungen der entscheidenden Bewertungsparameter abzusichern und die Volatilität des Anlagevermögens auf Tagesbasis zu kontrollieren.
Mittlerweile rückt indessen ein anderer Ansatz immer stärker in den Fokus: Cashflow-Driven Investing (CDI) oder Cashflow-orientiertes Investieren. CDI ist weitaus zukunftsorientierter als LDI und konzentriert sich auf die langfristige Planung, um sicherzustellen, dass Pensionspläne über die nötigen Zahlungsströme verfügen, um alle Zusagen an die Mitglieder effizient zu erfüllen.
Es handelt sich mithin nicht um ein Absicherungsinstrument, mit dem sich die Einrichtungen gegen die Volatilität der Märkte oder bestimmte Szenarien schützen wollen. Vielmehr handelt es sich um eine Strategie, die sicherstellt, dass sie über das erforderliche Liquiditätsniveau verfügen, um alle ihre Verbindlichkeiten bei Fälligkeit zu erfüllen.
Der aktuelle Trend zu CDI-Strategien ist dabei im Grunde eine Renaissance. Denn Cashflow-Matching gibt es bereits seit dem Zweiten Weltkrieg. Seinerzeit wurde das Konzept vom niederländischen Wirtschaftsmathematiker und späteren Träger des Nobelpreises für Wirtschaftswissenschaften Tjalling C. Koopmans im Rahmen seiner Tätigkeit für Penn Mutual Life Insurance Co. vorgestellt.
Für das aktuell wieder stark wachsende Interesse an dem Konzept sorgt neben der genannten Entwicklung des Ausfinanzierungsgrads vor allem ein weiterer Trend, der im Segment der Pensionspläne mit einer Leistungszusage (Defined Benefit Plans, kurz DB-Plans) voranschreitet: Viele Einrichtungen und Kassen befinden sich auf dem Weg zur oder bereits mitten in der Leistungs- oder Auszahlphase. Immer weniger Beitragszahlern stehen immer mehr Leistungsempfänger gegenüber. Damit lassen sich die zugesagten Auszahlungen nicht mehr aus Beitragseinnahmen finanzieren, was nichts anderes als negative Cashflows bedeutet.
In Großbritannien ist dieser Prozess bereits weit fortgeschritten: Fast drei Viertel aller britischen Defined-Benefit-Pensionsfonds haben zurzeit negative Cashflows. Aber auch in Deutschland sinken die Beitragszahlungen bereits seit 2017 vor dem Hintergrund sinkender Neuaufnahmen oder der gänzlichen Schließung für Neuanwärter. Experten gehen davon aus, dass die Auszahlungen über alle deutschen Pensionskassen hinweg bereits im laufenden Jahr die Beiträge übersteigen werden und somit ein Großteil dieser Kassen ihre Kapitalanlagestrategie anpassen muss.
CDI-Lösungen erscheinen besonders geeignet, den Herausforderungen negativer Cashflows zu begegnen. Entscheidende Bedeutung gewinnt in dieser Phase das Timing von Erträgen aus der Kapitalanlage. Sie müssen der Pensionseinrichtung möglichst genau immer dann zur Verfügung stehen, wenn sie Rentenzahlungen zu leisten hat. Denn nur so lassen sich sogenannte Forced-Selling-Risiken – also Zwangsverkaufsrisiken – vermeiden.
Folgerichtig sind CDI-Investmentlösungen darauf ausgerichtet, ihre Einnahmen aus Kapitalanlagen langfristig so zu planen, dass sie passgenau die Auszahlungsverpflichtungen abdecken. Um das Ziel einer möglichst genauen Abdeckung der Verpflichtungen durch Kapitalerträge zu erreichen, eignen sich grundsätzlich Investments in eine ganze Reihe von Vermögenswerten. Voraussetzung ist, dass diese gut planbare und vertraglich garantierte Cashflows liefern.
Als Anlageklasse erfüllen insbesondere Unternehmensanleihen hoher Qualität alle Voraussetzungen für eine zuverlässige Cashflow-orientierte Strategie. Sie bieten vorhersehbare Kupon-Zahlungen zu fixen Terminen und einen Aufschlag gegenüber sicheren Staatsanleihen. Gleichzeitig bergen sie allerdings ein Durations- sowie ein gewisses Ausfallrisiko.
Das macht es im Rahmen von CDI-Ansätzen erforderlich, die Rolle von Unternehmensanleihen neu zu definieren. Dient eine Kreditallokation bei klassischen Kapitalanlagestrategien in erster Linie dazu, Überrenditen zu erzielen, steht beim Cashflow-orientierten Investieren die Sicherung der vorhandenen Vermögenswerte und die Zahlung der fälligen Renten im Fokus.
Besonders geeignet ist eine „Buy and Maintain“-Strategie, um dieses Ziel zu erreichen: Halten Pensionseinrichtungen einmal gekaufte Anleihen bis zur Fälligkeit, brauchen sie zwischenzeitliche Kursverluste nicht zu fürchten. Sofern der Rückzahlungstermin dabei mit dem Zeitpunkt von Leistungsverpflichtungen koordiniert ist, entfallen auch Wiederanlagerisiken.
Um sicherzustellen, dass sich die Cashflows – also Zinszahlungen und Rückzahlung zur Fälligkeit – wie erwartet entwickeln, ist eine umfassende Analyse von Kredit- und Ausfallrisiken jedes einzelnen Titels im Portfolio unabdingbar. Sie sollte auch Nachhaltigkeitsaspekte umfassen, die gerade auf lange Sicht die Kreditqualität beeinflussen können und zudem für immer mehr Pensionseinrichtungen zu ihren Anlagegrundsätzen zählen.
Auch hier punkten CDI-Strategien. Denn liquide festverzinsliche Wertpapiere sind eine der am einfachsten zu integrierenden Anlageklassen, wenn es um Nachhaltigkeit geht. Dies ist auf das große investierbare Universum, die Bandbreite der verfügbaren Instrumente und die natürliche Reifung der Anlageklasse zurückzuführen. Auch wenn Pensionseinrichtungen ihre Nachhaltigkeitsbilanz verbessern wollen, könnte ein CDI-Portfolio demnach einer der besten Startpunkte sein.
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*) Dr. Monika Ritter, Director Institutional Sales Germany, AXA IM
Gastbeitrag: Cashflow Driven Investing – Pensionszusagen passgenau erfüllen

Monika Ritter