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„Die geopolitischen Unsicherheiten und die sehr restriktive Geldpolitik der amerikanischen Zentralbank sprechen auch für ein weiteres Anhalten der Dollarstärke“

Dr. Ulrich Kaffarnik ist Vorstandsmitglied bei DJE und verantwortet den Bereich Fondsmanagement & -handel. Außerdem ist er Geschäftsführer der Luxemburger Kapitalanlagegesellschaft, der DJE Investment S.A. Er sprach mit IPE D.A.CH Chefredakteur Frank Schnattinger über den Ausblick 2023.

Dr. Ulrich Kaffarnik

IPE D.A.CH: Seit zwei Jahren mussten wir an den Kapitalmärkten zugleich zwei Krisen miterleben. Hat sich Ihre Sichtweise auf die Märkte dadurch gravierend geändert?
Kaffarnik: Grundsätzlich hat sich dadurch nichts geändert. Krisen tauchen an den Kapitalmärkten immer wieder auf. Häufig – aber nicht immer – sind auch die negativen Ursachen gleich. Die Kombination und die Stärke der einzelnen Faktoren unterscheiden sich dagegen. Dazu ein aktuelles Beispiel: Bei den bisher in diesem Jahrtausend stattgefundenen Zinserhöhungsrunden der amerikanischen Notenbank (FED) waren sowohl die Inflation als auch die Aktienkurse am Ende des Bremszyklus höher als zu Beginn. Dies kann aber nicht auf die derzeitige Situation übertragen werden, da die FED diesmal erst bei einer viel höheren Inflation restriktiver geworden ist, dafür aber schnell und mit höheren Schritten (0,75% statt 0,25%) bremst.

IPE D.A.CH: Volatile Märkte und steigende Zinsen sorgen aktuell auch für Herausforderungen bei Mischfonds. Wie können Anleger bei dieser Anlageklasse dennoch profitieren?
Kaffarnik: In einer Zeit, in der Anleihen- und Aktienmärkte unter Druck sind, ist eine vorsichtige Grundausrichtung das Gebot der Stunde. Dies geschieht vor allem durch eine höhere Kassenhaltung, eine Verkürzung der Restlaufzeiten bei Renten und eine Übergewichtung von wenig konjunktursensiblen Branchen auf der Aktienseite. Darüber hinaus gilt es, Sondersituationen zu nutzen, wie in diesem Jahr die Stärke von Ölaktien aufgrund des hohen Ölpreises.

IPE D.A.CH: Wie schützen Sie Ihre Investmentfonds vor unvorhersehbaren Ereignissen, die auch als „Schwarze Schwäne“ bezeichnet werden?
Kaffarnik: Ein Schutz gegen solche Ereignisse gibt es nur, wenn man permanent zumindest teilweise abgesichert ist. Am besten wären dazu Put-Optionen auf Aktienindizes geeignet. Dies ist jedoch sehr teuer, da es in Aufwärts- und Seitwärtsphasen immer Performance kostet. Deshalb ist eine andauernde Absicherungspolitik nicht unsere Strategie. Manchmal zeichnen sich jedoch mögliche Belastungspunkte an den Kapitalmärkten frühzeitig ab, worauf wir mit punktuellen Absicherungen reagieren können.

IPE D.A.CH: Der Begriff Nachhaltigkeit könnte das „Wort des Jahres“ werden. Wo sehen Sie den Vorteil der Nachhaltigkeit und wie können besonders nachhaltige Unternehmen aktuell profitieren?
Kaffarnik: Der Nachhaltigkeitsansatz hat eine sehr langfristige Ausrichtung, ist aber auch der Veränderung politischer Einschätzungen unterworfen, wie aktuell die Aufnahme von Kernenergie in den Katalog nachhaltiger Energieträger zeigt. Generell weisen Unternehmen mit einem stärkeren Fokus auf Nachhaltigkeit ein geringeres Risikoprofil auf, da bestimmte Problemfelder entweder gar nicht oder in einem geringeren Ausmaß existieren. Dies wird perspektivisch zu einer erhöhten Nachfrage nach solchen Titeln durch die Investmentindustrie führen und damit die Kurse stützen. Da diese Entwicklung politisch gewünscht ist, wird sich das auch in der Kreation weiterer Investmentprodukte mit einem Nachhaltigkeitsfokus niederschlagen, was den bestehenden Trend nochmals verstärkt. Über einen kürzeren Zeitraum können aber Nachhaltigkeitsfonds auch eine deutlich Unterperformance erzielen, wie die letzten eineinhalb Jahre gezeigt haben.

IPE D.A.CH: Die aktuelle US-Dollar-Stärke ist je nach Blickwinkel „Segen und Fluch“ zugleich. Wo sehen Sie hierdurch die größten Chancen und die größten Risiken? Wer könnte wirtschaftlich ein „Gewinner“ werden?
Kaffarnik: Grundsätzlich wirkt die Dollarstärke deflationär, da sich dadurch die in Dollar notierten Rohstoffe verteuern, was wiederum die Nachfrage dämpft. Dies dauert aber eine gewisse Zeit. Allerdings scheint der Mechanismus auch jetzt wieder zu wirken. So sind beispielsweise die Preise für Erdöl und Kupfer deutlich von ihren zwischenzeitlich erreichten Hochs zurückgekommen. Ein anderer Effekt ist, dass die Dollarstärke gegenüber dem Euro die Gewinne von exportorientierten Unternehmen begünstigt. Dies wird aktuell aber durch negative Konjunkturerwartungen und geopolitische Einflüsse, insbesondere den Krieg in der Ukraine, überkompensiert. Die geopolitischen Unsicherheiten und die sehr restriktive Geldpolitik der amerikanischen Zentralbank sprechen auch für ein weiteres Anhalten der Dollarstärke. Solange dieser Trend anhält, kann man als Euroanleger vom Kauf kurzlaufender in US-Dollar notierter Anleihen profitieren.

IPE D.A.CH: Halten Sie in diesem Zusammenhang eine Rückkehr zu einem stärkeren Euro innerhalb der nächsten zwölf Monate für denkbar?
Kaffarnik: Der Euro ist allein schon durch den starken Einfluss von früheren Abwertungsländern (Frankreich, Italien, Spanien) in der Europäischen Zentralbank eine schwache Währung. Durch den vorherrschenden Pessimismus zum Zeitpunkt seiner Einführung Anfang des Jahrtausends gab es allerdings zunächst eine Aufwertungsphase der Währung, die bis zum Zeitpunkt der großen Finanzkrise 2008 anhielt. Seitdem ist der Euro im großen Bild gegenüber dem US-Dollar und dem chinesischen Renminbi in einem Abwärtstrend. Neben den vielen politischen Unstimmigkeiten in der Eurozone belastet auch der Krieg in der Ukraine den Wechselkurs des Euro. Insbesondere solange dieser Negativfaktor anhält, scheint ein stärkerer Anstieg des Euros unwahrscheinlich.

IPE D.A.CH: Besten Dank für die Einschätzungen.