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„Die finanziellen Bedingungen in den Schwellenländern haben sich seit dem Höhepunkt der Marktturbulenzen verbessert“

IPE D.A.CH-Chefredakteur Frank Schnattinger sprach mit Patrick Wacker, Portfolio Manager Emerging Market Debt Hard Currency Sovereign bei NN Investment Partners über die aktuellen Entwicklungen in den Schwellenländern und die Diskussion über Sozialanleihen.

Patrick Wacker

IPE D.A.CH: Mehrere lateinamerikanische Länder hatten in den vergangenen Monaten als Reaktion auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie Staatsanleihen ausgegeben. Was macht diese Emissionen aus Lateinamerika oder allgemein aus den Schwellenländern für Investoren attraktiv, obwohl die meisten von ihnen überzeichnet sind? Gibt es besondere Anreize diese Anleihen zu zeichnen, trotz Pandemie und abfließendem Kapital aus den aufstrebenden Märkten?
Wacker: Vor dem Hintergrund der weltweiten, positiven Entwicklung bei Investitionen in Schwellenländer haben wir in allen Regionen einen Anstieg der Neuemissionen sowie der Nachfrage nach neuen, vornehmlich Investment-Grade-Emissionen aus Schwellenländern (EM) beobachtet: eine allmähliche globale Wachstumserholung in Verbindung mit einer äußerst akkommodierenden Geld- und Finanzpolitik, die ein unterstützendes Risikoumfeld bietet. Die Schwellenländer bleiben aus Sicht der externen Nachfrage sehr zyklisch mit den globalen Wachstumsprognosen verbunden. Da die Märkte die sich deutlich verbessernden Wachstumsprognosen einpreisen, haben sich die Schwellenländeranleihen zusammen mit anderen wachstumssensiblen, risikoreichen Assets erholt. Darüber hinaus haben sich die finanziellen Bedingungen in den Schwellenländern seit dem Höhepunkt der Marktturbulenzen verbessert – in Verbindung mit einer Erholung der Kapitalströme.


Quelle: Bloomberg, EMCFPROX Index

IPE D.A.CH: Nach welchen Kriterien werden diese Emissionen als Sozialanleihen eingestuft? Wird es eine anhaltende Tendenz geben, dass sich die Schwellenländer zu mehr Sozialanleihen hinwenden?
Wacker: Ecuador begab im Januar dieses Jahres die weltweit erste staatliche Sozialanleihe, ein Darlehen von 400 Mio. US-Dollar zur Unterstützung des sozialen Wohnungsbaus. Bemerkenswert ist, dass die Interamerikanische Entwicklungsbank (IADB) die Anleihe teilweise garantierte (300 Mio. US-Dollar). Dies war das erste Mal überhaupt, dass die IADB eine Kreditgarantie für eine Anleihe gewährte. Es ist auch erst das zweite Mal, dass eine multilaterale Entwicklungsbank eine Garantie für eine Staatsanleihe übernahm. Sollten Entwicklungsbanken bereit sein, eine ähnliche Rolle als Garantiegeber für diese Emissionen zu übernehmen, könnten wir künftig eine Zunahme der Emissionen beobachten. Jetzt ist es noch zu früh, um dies zu beurteilen. Es ist wichtig zwischen Pandemie-Anleihen (wie der Emission von Peru zu allgemeinen fiskalischen Zwecken in der Corona-Krise) und den Anleihen Guatemalas zu unterscheiden. Guatemala hatte eine Tranche von 500 Mio. US-Dollar, die mit förderfähigen Sozialprogrammen unter ICMA-Anleitung verbunden war. Die ICMA-Grundsätze fördern die Berichterstattung über die Verwendung von Erlösen durch Anleihen, während Pandemie-Anleihen – von denen einige Gewinne zur Lösung sozialer Probleme genutzt werden – nicht für eine kontinuierliche Überwachung vorgesehen sind.

IPE D.A.CH: Die Renditen von EM-Staatsanleihen in Landeswährung sind im Mai stark gefallen. Ist dies ein Zeichen dafür, dass der Druck auf die Schwellenländer nachzulassen beginnt?
Wacker: Der Rückgang der Renditen von Staatsanleihen in Landeswährung hängt teilweise mit dem Rückgang der US-Anleiherenditen zusammen; die Renditen von Staatsanleihen in Landeswährung sind zwar im April und Mai gesunken, haben jedoch keine neuen Tiefststände erreicht (siehe Grafik).


Das Zusammenlaufen der Spreads liegt weitgehend am allgemeinen Stimmungsrisiko. Darüber hinaus unterscheidet sich diese Krise von früheren Krisen dadurch, dass viele Zentralbanken in den Schwellenländern die Zinssätze gesenkt oder sogar QE-Programme gestartet haben. Dies hat zu niedrigen Renditen geführt. In früheren Krisen waren die Zentralbanken der Schwellenländer oft gezwungen, die Zinsen zu erhöhen, um ihre Währungen zu verteidigen.

IPE D.A.CH: Sehen Sie angesichts dieses „wiedergewonnenen“ Vertrauens in diesem Jahr einen Aufschwung bei den Emissionen sowohl von Staats- als auch insbesondere von Unternehmensanleihen?
Wacker: Sowohl die Ausgabe von Staats- als auch von Unternehmensanleihen aus den Schwellenländern haben sich aufgrund der IG-Emissionen verstärkt. Die Emissionen bei Hochzinsanleihen haben nur langsam zugenommen und einige Emittenten testen die Stimmung. Die Unternehmensemissionen beliefen sich bis Ende Mai dieses Jahres aufgrund ihres erfolgreichen Starts in den ersten Monaten auf rund 202 Mrd. US-Dollar, verglichen mit 216 Mrd. US-Dollar im Jahr 2019. Regional gesehen verteilt sich das Bruttoemissionsvolumen hauptsächlich auf Asien (vor allem China), und zu einem viel geringeren Prozentsatz auf Lateinamerika, EM Europa, den Nahen Osten und Afrika. Ausgehend von einer anhaltenden Verbesserung des globalen Wachstums sehen wir mit der Beteiligung von HY-Emittenten eine Fortsetzung dieses Trends bis Ende 2020.

IPE D.A.CH: Welche Auswirkungen haben diese Neuemissionen und die Suche nach Fremdfinanzierung auf die fiskalische Gesundheit der Länder angesichts einer möglichen Rezession? Wird es längerfristige Auswirkungen geben?
Wacker: Angesichts der Produktions- und Gewinnverluste der Schwellenländer, des Kostendrucks im Zusammenhang mit Corona sowie der Notwendigkeit, die Erholung zu unterstützen, stehen die Regierungen unter Druck ihre Haushalte in den Griff zu bekommen. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass sich die Bilanzen der Schwellenländer im Vergleich zur globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09 in einer schwächeren Ausgangsposition befinden. Die längerfristigen Auswirkungen einer höheren Verschuldung nach Corona hängen dabei von einer Vielzahl von Faktoren ab, wobei es von Land zu Land erhebliche Unterschiede gibt. Einige Schwellenländer (MOE, Russland, ein Großteil der asiatischen Schwellenländer, Chile und Peru) werden in der Lage sein, ihre durch die Corona-Ausgaben verursachten höheren Schuldenquoten zu halten, ohne aggressive Sparmaßnahmen oder andere Maßnahmen ergreifen zu müssen. Wir denken jedoch, dass Länder wie Brasilien, Mexiko, Südafrika und Indien, deren Finanzlage bei Beginn der Krise schwächer war, mehr Probleme haben werden. Generell gibt es vier Möglichkeiten, wie Länder mit höheren Schuldenquoten umgehen können: Wachstum, Sparmaßnahmen, Inflation, Zahlungsausfall. Die erste und die letzte sind in den großen Schwellenländern unwahrscheinlich, so dass Sparmaßnahmen und Inflation übrig bleiben. Sparmaßnahmen werden die Nachfrage und damit die Dynamik der wirtschaftlichen Erholung belasten. Und Inflation ist eine komplizierte Angelegenheit. Einen Schuldenabbau im Stile einer Hyperinflation wird es eindeutig nicht geben. Aber subtilere Formen des Schuldenabbaus durch Inflation – wie finanzielle Repression (Anreize für den privaten Sektor, mehr Staatsanleihen zu halten und die Renditen künstlich niedrig zu halten) – sind in einigen Ländern zunehmend denkbar, insbesondere in Brasilien, wo die Infrastruktur bereits vorhanden ist (viele große staatliche Banken).

IPE D.A.CH: Besten Dank für diese Einblicke.