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„Die Entwicklung der Tesla-Aktie oder die Hysterie um die Börsengänge mancher SPACs erinnert mich doch stark an die Zeit um die Jahrtausendwende“

„Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu Leben“ (Albert Einstein). Markus Hill* sprach für IPE D.A.CH mit Martin Friedrich, Lansdowne Partners Austria GmbH, über die Themenbereiche Inflation, Fiskalpolitik, Asset Allocation sowie über „SPACs & Neuer Markt“, REITs und Infrastrukturinvestments. Die Fragestellung „Sind wir auf dem Weg nach Simbabwe?“ aus seiner aktuellen Research-Publikation vertieft diese Betrachtungsweise zusätzlich.

Martin Friedrich

Hill: In Ihrem letztem Kapitalmarktkommentar haben Sie sich stärker mit dem Thema Inflation beschäftigt. Wie schätzen Sie die derzeitige Gefahr in diesem Feld ein?
Friedrich: Inflation ist nicht nur für Verbraucher wichtig, sie ist auch ein ganz wesentlicher Einflussfaktor für alle Volkswirtschaften, und wird damit automatisch zur Triebfeder für Kapitalmärkte. Deshalb verfolgen wir die Entwicklung der Preise ganz genau. Allerdings kann ich in Bezug auf Ihre Frage nach einer „Gefahr“ beruhigen, zumindest in der Kurzfrist. Wir sehen aufgrund der Rezession starke deflationäre Kräfte am Werk, und es wird noch eine ganze Weile dauern, bis diese an Wirksamkeit verlieren. Die oft verteufelten quantitativen Maßnahmen der Zentralbank sollten in diesem Zusammenhang vor allem als Bollwerk im Kampf gegen einen deflationären Kollaps gesehen werden. Das soll natürlich nicht heißen, dass die – teils neuen – makro-ökonomischen Steuerungsmechanismen des Jahres 2020 nicht mittelfristige Risiken bergen. Genau darüber haben wir auch geschrieben.

Hill: Wo sehen Sie - in der näheren oder fernen Zukunft - Treiber für steigende Inflation?
Friedrich: Bevor ich das beantworte, lassen Sie mich definieren, von welcher Inflation wir sprechen. Ich beziehe mich auf den von offizieller Seite – also Eurostat oder Bureau of Labor Statistics etc. – berechneten Verbraucherpreis-Index. Daneben gibt es natürlich viele andere Methoden, die Preissteigerungsrate zu messen, zum Beispiel die Inflation der Vermögenswerte. Oder die subjektive Wahrnehmung von Konsumenten, welche überproportional von Waren des täglichen Lebens geprägt ist, also häufig Transaktionen getätigt werden. Forbes berechnet sogar einen „Cost-of-Living-Extremely-Well“-Luxusgüter-Index. Dieser Warenkorb-der-Hochvermögenden hat seit 1982 eine besonders inflationäre Entwicklung genommen. Das ist alles interessant, und manchmal gut für eine Schlagzeile, aber meist von untergeordneter volkswirtschaftlicher Relevanz.
Traditionelle Inflationskennzahlen werden nach unserer Erwartung spürbar anziehen, sofern unsere These einer fortschreitenden Konjunkturerholung eintritt. Das ist nur recht und billig, denn aktuell schreiben wir im Euroraum Werte unter null. Ab dem 2. Quartal macht sich dann bemerkbar, dass viele Rohstoffpreise höher sein dürften als im 2. Quartal 2020, und diese Basiseffekte werden zu einem vorübergehenden Anstieg führen. Wenn sich die Entwicklung der Jahre 2016 bis 2017 wiederholt, könnten wir schon in einem Jahr wieder im Ziel-Korridor der EZB von „nahe 2,0 %“ sein. Das ist aber für sich allein noch keine Gefahr, auch wenn es interessant sein wird zu sehen, wie sich der Anleihemarkt in diesem Kontext verhält.
Interessanter wird es ab 2022 und 2023, denn es gibt etliche langfristige Entwicklungen, welche ein Wieder-Erstarken inflationärer Tendenzen ab Mitte des Jahrzehnts nahelegen. Zu nennen wären hier die Möglichkeit einer angebotsseitigen Verknappung kritischer Rohstoffe nach einem Jahrzehnt unterdurchschnittlicher Investitionen in Förderkapazitäten, die Einschränkung des Welthandels infolge protektionistischer Strömungen, aber auch ein relativer Rückgang der Kohorte der erwerbstätigen Bevölkerung infolge einer komplett absehbaren demographischen Entwicklung.
Letztlich muss man sich auch fragen, ob das relativ junge Steuerungselement der Fiskalpolitik in der Praxis ausreichend antizyklisch umgesetzt wird. Hier ist es noch zu früh, ein Urteil zu fällen. Einerseits war es richtig und wichtig, die Wirtschaft soweit möglich von der Krise der öffentlichen Gesundheit zu entkoppeln. Ohne das „Helikoptergeld“ wäre es schwer möglich gewesen. Andererseits müssten eben diese fiskalpolitischen Anreize auch rechtzeitig wieder zurückgenommen werden. Ob das in der Mitte unseres aufgeheizten politischen Diskurses möglich sein wird, bleibt abzuwarten.

Hill: Verhalten sich die Akteure im Bereich Fiskalpolitik „optimal“ – wo liegen hier Chancen und Risiken für Anleger?
Friedrich: Wie bereits gesagt, durch die Rettungsschirme wurden zwar nicht alle, aber sicherlich viele Unternehmen vor dem sonst sicheren Konkurs bewahrt. Der Nachteil dabei ist, dass dabei so mancher „Zombie“ überleben wird. Unser Wirtschaftssystem braucht ein gesundes Maß an kreativer Zerstörung, das wird gerade verhindert. Andererseits kann durch die Überbrückungshilfen der Regierung in vielen kritischen Wirtschaftszweigen Kapazität erhalten werden. Das ist in etwa so wie bei einem verletzten Sportler, der im Zuge einer Zwangspause versucht, den Muskelschwund so gering wie möglich zu halten. Soll heißen: je geringer der strukturelle Schaden an der Wirtschaft, desto robuster wird der Aufschwung sein, wenn wir unsere Bevölkerung durchgeimpft haben werden! Und gerade dieser Aufschwung gibt uns Optimismus, dass sich dieses Jahr Chancen an den Kapitalmärkten bieten werden. Die Risiken sind natürlich in meinem Metier auch nie weit weg. Hier möchte ich auf den spekulativen Überschwang in manchen Kapitalmarktsegmenten verweisen. Die Entwicklung der Tesla-Aktie oder die Hysterie um die Börsengänge mancher SPACs erinnert mich doch stark an die Zeit um die Jahrtausendwende. Da werden sich manche noch die Finger verbrennen.

Hill: Sie beschäftigen sich intensiv mit dem Feld Kapitalmarktstrategie. Als Fondsmanager und Fondsselektor haben Sie zusätzliche eine andere “Brille“ auf – welche Erwartungen haben Sie an das Jahr 2021?
Friedrich: Unsere Erwartung ist, dass Aktien wiederum positive Realerträge erwirtschaften. Bei G7-Staatsanleihen denken wir hingegen, dass schon eine nominale Null ein Erfolg wäre. Entsprechend ist unser Fonds natürlich positioniert. Am spannendsten wird aber wohl die Entwicklung auf Sektor-Ebene. Wir wären nicht überrascht, wenn aus etlichen Verlierern von 2020 die Gewinner des Jahres 2021 würden. Aus diesem Grund sind wir – auch wenn es zeitweise weh tat – in der Selektion unseren wertorientierten Managern treu geblieben und haben die Engagements in diesem Bereich sogar ausgebaut. Ebenso sehen wir interessante Möglichkeiten in Schwellenländern und bei REITs sowie Infrastrukturanlagen.

Hill: Vielen Dank für das Gespräch.

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*) Markus Hill ist unabhängiger Asset Management Consultant in Frankfurt am Main. Kontakt: info@markus-hill.com; Website: www.markus-hill.de.

Martin Friedrich ist Portfoliomanager des Lansdowne Endowment Fonds und Head of Research. Er kam im Januar 2019 zu Lansdowne Partners Austria von HQ Trust, einem der größten unabhängigen Multi-Family Offices in Deutschland. Herr Friedrich war dort seit 2009 beschäftigt, zuletzt als Leiter der Kapitalmarktanalyse und Co-Chief Investment Officer. Zusätzlich betreute er Kundenportfolios und war zuständig für den Investmentprozess von LIQID, einem Fintech Unternehmen in Berlin.

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