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„Das Thema Infrastruktur wird in Deutschland noch immer sehr stiefmütterlich behandelt“

Infrastruktur spielt zunehmend eine Rolle in den Allokationsüberlegungen institutioneller Investoren. Ein Sachverhalt, der noch immer viele Adressen zögern lässt, sind die gegenüber anderen Assetklassen noch immer geringen Erfahrungswerte aus der Praxis – zumindest auf deutscher Investorenseite – sowie fehlendes Research. Vor kurzem wurde von der IREBS in Regensburg allerdings eine interessante Studie vorgestellt (IPE Institutional Investment berichtete). Chefredakteur Frank Schnattinger sprach mit den Autoren der Studie Konrad Finkenzeller und Tobias Dechant.

IPE Institutional Investment: Ihre vorgelegte Studie ist meines Wissens die umfangreichste Auseinandersetzung mit dem Investmentthema Infrastruktur, die in der jüngeren Vergangenheit in Deutschland vorgelegt wurde. Was war Ihr Hintergrund, sich damit zu befassen?
Finkenzeller: Das hat zahlreiche Gründe. Zum Einen sicherlich die Tatsache, dass es wissenschaftlich noch nicht behandelt wurde und einfach aus dieser Sicht ein großer Bedarf besteht, sich näher mit der Thematik zu befassen. Darüber hinaus besteht natürlich auch von Seiten der Investoren – gerade im Zuge der Finanzkrise – großes Interesse an dieser Thematik.

IPE Institutional Investment: Wie ist Ihr Eindruck zum globalen Umgang der Investoren mit der Assetklasse Infrastruktur?
Dechant:
Hier muss man ganz klar unterscheiden. Während angelsächsische Investoren sich schon länger und sehr intensiv mit dem Thema Infrastruktur befassen und auch schon teilweise relativ hohe Allokationen (bis zu 15%) in ihren Portfolien halten, wird das Thema bspw. In Deutschland noch immer sehr stiefmütterlich behandelt. Viele Institutionelle beschäftigen sich bereits sehr intensiv mit dem Thema, ohne jedoch tätig zu werden. Es scheint derzeit so, als würden hierzulande viele auf einen Startschuss bzw. einen „First Mover“ warten. Zudem erscheint vielen Investoren das Angebot an Investitionsmöglichkeiten in Deutschland noch nicht breit genug. Zahlreiche Investoren sind deshalb noch nicht investiert, da man mit neuen Anlageklassen, mit denen man noch keine Erfahrungswerte besitzt, vorsichtig umgeht und lieber abwartet. Die Entscheidungsgremien vieler institutioneller Investoren verhalten sich in diesem Zusammenhang sehr restriktiv. Auf globaler Ebene sehen wir langfristig einen Trend in Richtung Infrastrukturanlagen. Investoren sind auf der Suche nach Alternativen zu den traditionellen Assets wie Aktien, Immobilien oder Staatsanleihen. Aktien sind häufig zu volatil und Immobilien haben sich im Laufe der Finanzkrise nicht als der vermeintlich sichere Hafen erwiesen. Auch auf dem Markt für Staatsanleihen existieren derzeit enorme Unsicherheiten wie die Einschätzung von Pimco bzw. der negative Ausblick verschiedener Rating-Agenturen für US-Staatsanleihen zeigt. Infrastruktur könnte hier eine Alternative darstellen.

IPE Institutional Investment: In Deutschland wird Infrastruktur noch immer oftmals als Untergruppe von Private Equity bzw. Real Estate Investments geführt. Wie sehen Sie den Sachverhalt?
Finkenzeller:
Das sehen wir anders. Anhand empirischer Studien kann man feststellen, dass Infrastrukturinvestments eigene Risiko- und Renditecharakteristika besitzen, die sich deutlich von denen anderer Anlageklassen – und darunter fallen auch Private Equity und Real Estate – unterscheiden. Es gibt selbstverständlich Gemeinsamkeiten mit Real Estate, dennoch wäre es falsch, die beiden Anlageklassen in gleichzusetzen. Die Nähe zu Private Equity besteht überwiegend über die verwendeten Fondsstrukturen.

IPE Institutional Investment: Sie haben im Rahmen Ihrer Studie dezidiert verschiedene Kennzahlen für Infrastrukturinvestments herausgearbeitet, was war für Sie die überraschendste Erkenntnis?
Dechant:
Das gute Diversifikationspotenzial und die gute Performance in Bärenmärkten waren sicherlich die zentralen Erkenntnisse, spiegeln aber genau die Charakteristika – also eine unelastische Nachfrage nach Infrastrukturservices, konstante Cash Flows, etc. – der Anlageklasse wider.

IPE Institutional Investment: Sie haben die Beimischung von Infrastruktur in verschiedene Portfolio-Kontexte analysiert. Können sie die Auswirkungen kurz beschreiben?
Finkenzeller:
Infrastrukturanlagen eignen sich vorwiegend zur Diversifizierung eines Portfolios und tragen somit signifikant zur Risikoreduzierung bei. Konservative Core-Infastrukturinvestments, wie von uns untersucht, eignen sich im Durchschnitt jedoch nicht dazu, die Portfoliorendite deutlich zu steigern.

IPE Institutional Investment: Was konnte die Beimischung von Infrastruktur insbesondere in Downside-Märkten wie z.B. während der Finanzkrise bewirken?
Dechant:
In solchen Marktphasen führt die Beimischung von Infrastruktur zu einer Stabilisierung des Portfolios, wodurch Renditeschwankungen vermindert werden können. Dies ist vor Allem auf die geringe Verlustwahrscheinlichkeit von Infrastrukturanlagen zurückzuführen. Tritt ein Verlust ein, so ist dieser im Durchschnitt nicht so hoch wie bei anderen Anlageklassen. Während der Finanzkrise erzielte bspw. die Anlageklasse Infrastruktur zusammen mit Staatsanleihen das beste Ergebnis und nahezu keine realen Verluste während Aktien bis zu 40% einbrachen.

IPE Institutional Investment: Gibt es weitere Erkenntnisse aus der Studie, die Sie aktuell weiterverfolgen und analysieren?
Finkenzeller:
Wir werden uns in naher Zukunft mit der Rolle von Infrastrukturanlagen im Portfolio von Pensionskassen beschäftigen und hierbei einen Ansatz wählen, der speziell die Struktur der Liabilities (Auszahlungsverpflichtungen) berücksichtigt. Zudem werden wir uns auch mit dem europäischen Markt auseinandersetzen. Auch eine klare definitorische Abgrenzung des Begriffs Infrastruktur steht mit Sicherheit auf der Agenda.

IPE Institutional Investment: Vielen Dank für diese Einblicke.