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Asset Allocation in einer Welt im Krisenmodus

Invesco setzt auf szenariobasiertes Investieren.

Paul Jackson

In einer Welt, in der ein tödlicher Virus zu weltweiter Abschottung und Lockdowns führt, in der der Ölpreis aus anderen Gründen einbricht und Geld- und Fiskalpolitik zu extremen Maßnahmen greifen, um die Wucht der Krise zu mindern, stehen Investoren vor extremer Unsicherheit, Volatilität und zunehmenden Korrelationen an den Finanzmärkten.

Die Corona-Krise ist eine Herausforderung, wie sie die Welt noch nicht erlebt hat – dementsprechend wenig absehbar sind auch ihre Auswirkungen auf Wirtschaft und Märkte. Vor diesem Hintergrund haben die Multi-Asset-Strategen von Invesco mehrere Szenarien ausgearbeitet, um besser beurteilen zu können, ob der jüngste Ausverkauf der Märkte eine Kaufgelegenheit darstellt oder erst die erste Phase eines noch heftigeren Marktkollapses.

„Dieses Jahr läuft nicht wie von uns erwartet ab und wir wissen auch nicht, wie es enden wird“, so schreibt Paul Jackson, Global Head of Asset Allocation Research, Global Thought Leadership, in der März 2020 Ausgabe von The Big Picture, einem vierteljährlichen, vom Invesco Global Market Strategy Office veröffentlichten Marktausblick.

„Alles erscheint denkbar. Da ist es leicht, in Panik zu verfallen und die Flucht zu ergreifen – ganz buchstäblich und mit einer extrem defensiven Portfolioaufstellung. Die Frage ist nur, welche Anlagen aktuell noch diversifizierend wirken. Liquidität scheint die einzige weiterhin unkorrelierte Anlageklasse zu sein. Wenn die Banken in Schwierigkeiten geraten sollten, könnte sich aber auch das ändern.“ Angesichts der zunehmenden Korrelationen zwischen den verschiedenen Assetklassen seien aktive Anlageentscheidungen für die Diversifikation jedoch wichtiger denn je.

Als Grundlage für ihre Modell-Asset-Allokation haben Jackson und sein Team vier Szenarien ausgearbeitet, die von einer tiefen globalen Rezession bis zu einem einfachen Abschwung reichen. In ihrem Best-Case-Szenario würde sich das globale BIP-Wachstum 2020 auf 2% verlangsamen (gegenüber einer ursprünglich erwarteten Wachstumsrate von 3%). In diesem Fall würde der S&P 500 ihren Analysen zufolge zu dieser Zeit im nächsten Jahr bei 3.000 Punkten notieren; eine Feinunze Gold würde dann 1,325 US-Dollar kosten und der Ölpreis (Brent) würde bei 45 US-Dollar je Barrel liegen. Im Worst-Case-Szenario der Invesco-Analysten würde das globale BIP 2020 um 3,5% schrumpfen. In diesem Fall würden sich die Finanzmärkte im Hinblick auf die Entwicklung der Zinsstrukturkurven, Spreads, Aktienbewertungen etc. ihrer Erwartung nach so verhalten wie während der globalen Finanzkrise. Den S&P 500 sähen sie in einem Jahr dann bei 1.400 Punkten, den Goldpreis bei 1.750 US-Dollar je Feinunze und den Ölpreis bei 20 USD.

Auf Grundlage dieser vier Szenarien und einem wahrscheinlichkeitsgewichteten Durchschnittsszenario haben die Investmentstrategen Optimierungen für die verschiedenen Anlageklassen durchgeführt. Sie glauben zwar, dass Aktien (mit Ausnahme des US-amerikanischen Marktes) in optimistischen Szenarien gute Renditen versprechen, nachdem die zyklusbereinigten KGVs in einigen Regionen in Richtung 10 tendieren. Allerdings wird das die Aktienmärkte ihrer Ansicht nach nicht davon abhalten, in den nächsten Monaten noch weiter auf Talfahrt zu gehen, falls es zu einer schweren globalen Rezession kommen sollte.

Ihre Modelle tendieren entsprechend für einen „Barbell“-Ansatz mit Übergewichtungen von sowohl „defensiven“ Cash-Anlagen und Gold als auch zyklischeren Rohstoff- und Immobilienanlagen. Alle vier hält man bei Invesco auf lange Sicht für werthaltig. „Gold ist nicht mehr ganz so hoch bewertet wie zuvor und könnte sich in einem der pessimistischeren Szenarien noch weiter verteuern“, meint Jackson. „Rohstoffe, vor allem Öl, sind inzwischen sehr günstig und die Immobilienrenditen sind in den letzten Wochen dramatisch gestiegen, was für attraktive Erträge in allen Szenarien mit Ausnahme des Worst-Case spricht.“ Außerdem sehen die Invesco-Experten Investment-Grade-Anleihen in allen Szenarien unter den Gewinnern. Auf regionaler Ebene bevorzugen sie den britischen und den japanischen Markt sowie die Emerging Markets, da die meisten EM-Anlagen aktuell mit einem höheren Risikoaufschlag gegenüber Industrieländeranlagen notieren, als es gewöhnlich der Fall ist.

Insgesamt gehen die Investmentexperten von Invesco davon aus, dass Dienstleistungssektoren die negativen Auswirkungen dieser Krise weniger stark spüren werden als Industriesektoren. Daher und aufgrund ihrer relativ geringen Abhängigkeit von den Handelsströmen halten sie auch die US-Wirtschaft für besser aufgestellt als die meisten anderen Volkswirtschaften. Während einige Sektoren – wie die Tourismus-, Luftfahrt- und Freizeitbranche – aktuell komplett außer Gefecht gesetzt seien, würden andere Sektoren profitieren, zum Beispiel Hersteller von Medizintechnik, Toilettenpapier oder Händedesinfektionsmittel sowie Lebensmittelhersteller und -händler. In der Betrachtung seit Jahresanfang wiesen folgende Sektoren eine relativ gute Performance auf: Einzelhändler, Lebensmittel-, Getränke- und Tabakhersteller und Kosmetik, Drogeriemärkte und Lebensmittelhändler. Angesichts der fieberhaften Suche nach einem Impfstoff und der Notwendigkeit der Beschaffung von Ressourcen aus dem privaten Sektor für das öffentliche Gesundheitssystem dürfe es keine Überraschung sein, dass sich die Gesundheitsbranche noch besser entwickelt hat.

Mit Blick auf die Reaktion der Finanzmärkte sehen Jackson und sein Team drei Entwicklungen, die der Panik entgegenwirken könnten: erstens das Erreichen des Höhepunktes der Covid-19-Infektionen und -Todesfälle außerhalb Chinas; zweitens entschlossene geld- und fiskalpolitische Reaktionen, die die Finanzmärkte massiv beeindrucken und die Liquidität der Unternehmen und privaten Haushalte sichern, und schließlich die Entwicklung eines Impfstoffs (und von Mitteln zur Behandlung der Viruserkrankung). Da es bis zur Zulassung eines Impfstoffs noch mindestens zwölf Monate dauern dürfe, richteten sich die Hoffnungen aktuell auf Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Virus und die Maßnahmen, mit denen sich die Notenbanken und Regierungen der Wirtschaftskrise entgegenstemmen.

Tatsächlich handele die Politik – wie schon bei der globalen Finanzkrise – schnell, entschlossen und mit immer umfangreicheren Liquiditätsspritzen und Hilfspaketen. Der Erfolg derartiger Maßnahmen zur Förderung des Kreditwachstums hänge jedoch von der Bereitschaft der Banken und ihrer Kunden ab, derartige Kredite abzuschließen. Derzeit sehe es zunehmend danach aus, dass die Regierungen einschreiten und normale Einnahmequellen ersetzen müssen. „Wir glauben, dass wir viele derartige Maßnahmen sehen werden. Sie werden aber ihren Preis haben“, so Jackson. Seiner Einschätzung nach könnten die Haushaltsdefizite dadurch in diesem Jahr auf 10% bis 20% des BIP ansteigen – ein Niveau, das gewöhnlich eher nur in Kriegszeiten zu sehen ist.

Unter „normalen“ Umständen basieren die makroökonomischen Einschätzungen der Analysten auf den verfügbaren Wirtschafts- und Unternehmensdaten. Wie Jackson betont, sind die Zahlen für den Zeitraum vor Februar 2020 aus heutiger Sicht aber weitgehend irrelevant und die für die Phase des wirtschaftlichen Shutdowns so gut wie nutzlos. Jetzt komme es darauf an, wie schnell sich die Wirtschaft erholt, wie lange es dauert, bis die Wirtschaftsaktivität wieder ihr normales Niveau erreicht hat, wann – falls überhaupt – Produktionsausfälle aufgeholt werden und wie viele irreparable Schäden es gibt, zum Beispiel in Form von Unternehmensinsolvenzen.

Wie schwer die Einschnitte für die chinesische Wirtschaft im ersten Quartal 2020 waren, wissen wir noch nicht. Die Rückgänge der Einzelhandelsumsätze und Anlageinvestitionen sprechen aber dafür, dass Chinas BIP im ersten Quartal geschrumpft ist. Hier glaubt man bei Invesco, dass andere Volkswirtschaften von Ende des ersten Quartals bis Anfang des zweiten Quartals einen ähnlichen Prozess durchlaufen werden. Auf dieser Grundlage halten sie eine technische Rezession (zwei aufeinanderfolgende Quartale negativer Wachstumsraten) auf globaler Ebene für möglich und meinen, dass das Wachstum im Gesamtjahr davon abhängen wird, wie schnell die Rückkehr zur Normalität gelingt und Produktionsausfälle aufgeholt werden. „Ausmaß und Dauer des Abschwungs sowie das Tempo der anschließenden Erholung hängen von den politischen Entscheidungen ab, die jetzt getroffen werden“, so Jackson abschließend.