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Anleihen-ETFs bestehen Liquiditätstest

Covid-19 verdeutlicht allerdings Defizite der Preisbildungs-mechanismen an den Anleihemärkten, so ein Invesco-Whitepaper.

Pasquale Capasso

Covid-19 hat die Anleihemärkte auf eine harte Probe gestellt, mit Kurseinbrüchen und Spreadausweitungen, wie sie die Märkte nur selten gesehen haben. Für Anleihen-ETFs wurde die extreme Volatilität an den Kreditmärkten im März und April mit der Massenflucht der Anleger in Liquidität zu einem Worst-Case-Szenario-Test, der die Erfahrung der globalen Finanzkrise klar in den Schatten stellte. In diesem Umfeld wurden eine ganze Reihe von Anleihen-ETFs vorübergehend mit einem erheblichen Abschlag gegenüber ihrem offiziell festgestellten Wert (NAV) gehandelt. Das löste eine Debatte darüber aus, ob ETFs durch die extremen Marktbewegungen an ihre Grenzen getrieben worden waren und vielleicht sogar die Finanzmarktstabilität gefährden könnten.

Ein neues Invesco-Whitepaper ist genau dieser Frage nachgegangen. Das Fazit der Autoren: Der Grund für die hohen Abschläge war nicht in den ETFs selbst begründet, sondern vielmehr in der Ermittlung des NAV. „ETFs haben diesen Liquiditätstest nicht nur bestanden, sondern gezeigt, dass sie den eigentlichen Wert der zugrunde liegenden Anleihen sogar besser reflektieren“, so Pasquale Capasso, EMEA ETF Capital Markets bei Invesco.

Wie er erläutert, sollten Investoren den NAV im Anleihenbereich nicht mit dem fairen Wert gleichsetzen. Da Anleihen außerbörslich (OTC) gehandelt werden, gebe es keine offiziellen „Schlusskurse“ wie an den Aktienmärkten. Daher müsse der NAV anders ermittelt werden. Wie eine Studie aus dem vergangenen Jahr zeige, werden an einem normalen Tag nur für rund ein Drittel der US-Dollar-Unternehmensanleihen Kauf- und Verkaufskurse gestellt. Dadurch könne der Preis einer Anleihe mehrere Tage alt sein. Hinzu komme, dass in einigen Anleihemärkten zum Teil gar nicht alle Transaktionen erfasst und gemeldet werden. Das mache es selbst in normalen Zeiten schwierig, den wirklichen Wert einer Anleihe zu bestimmen – und in einem volatilen Marktumfeld noch mehr.

Um diese Lücke zu schließen, erfragen Pricing-Service-Anbieter zum Beispiel Preisschätzungen von unterschiedlichen Anleihehändlern. „Die Genauigkeit ihrer Berechnungen hängt damit natürlich von der Legitimität der bereitgestellten Preisschätzungen ab und diese war nicht immer zweifelsfrei“, erläutert Capasso. Wie er hinzufügt, reagieren die Broker mit höheren Geld-Brief-Spannen auf das höhere Risiko, wenn Anlagewerte, wie es in einigen Anleihemärkten Ende März und Anfang April der Fall war, nur schwer zu bepreisen sind.

Die Invesco-Experten kommen zu dem Schluss, dass die NAVs von Anleihen-ETFs und -Publikumsfonds in der Phase extremer Volatilität an den Kreditmärkten praktisch bedeutungslos waren, da die Pricing-Anbieter ihre für die NAV-Berechnung verwendeten Preisbildungsmodelle nicht entsprechend adjustierten. „Die Investoren vertrauen dem NAV als akkuratem Maß des Werts ihrer Fonds- und ETF-Portfolios“, so Capasso. „Eine genauere Untersuchung der Art und Weise, wie die NAVs in dieser Phase ermittelt wurden, hat bedenkliche Defizite deutlich gemacht.”

Daher fordern die Invesco-Experten Anpassungen zur Verbesserung der Marktstruktur der Anleihemärkte sowie der Preisbildungsmechanismen von Anleihen-ETFs und -Fonds. So solle es für mehr OTC-Märkte ein zentrales Reporting von Handelstransaktionen und Preisen geben, und diese Daten sollten den Marktteilnehmern mit minimaler Verzögerung zur Verfügung stehen. Außerdem solle der Fokus stärker auf den Börsenkursen als auf nicht ausführbaren Händler-Quotierungen liegen. „Wir hoffen, dass diese Analyse den Anstoß für wichtige Anpassungen der Marktstruktur der Anleihemärkte und Verbesserungen zum Schutz der Investoren gibt“, sagt Capasso.

Aber auch wenn eine akkurate Wertfeststellung für die meisten Investoren in der jüngsten Krisenphase schwierig gewesen sei, hätten die ETFs gezeigt, dass sie auch unter schwierigsten Bedingungen handelbar bleiben und liquider sind als einige andere Produkte - in vielen Fällen sogar als die zugrundeliegenden Anleihemärkte selbst. „Damit dienten sie quasi als Preisfindungsinstrument, das Investoren einen Eindruck davon vermittelt, wo der faire Preis liegen sollte. Selbst wenn zum Teil unerwartet hohe Preisabschläge zu zahlen waren, waren dies zumindest Preise, zu denen Investoren weiter mit ETFs handeln konnten“, so Capasso. Und das taten sie auch. Selbst an den volatilsten Tagen waren sowohl Käufer als auch Verkäufer aktiv – während sich viele Investoren auf der Flucht in die Liquidität von allem Liquidierbaren in ihren Portfolios – darunter ETFs – trennten, nutzten andere Investoren die Turbulenzen als Chance für den Markteinstieg.

Seit der extremen Volatilität vom März und April haben sich die Marktbedingungen verbessert, da die US-amerikanische Notenbank (Fed) und weitere Zentralbanken im Rahmen ihrer Ankaufprogramme jetzt auch Unternehmensanleihen – und Unternehmensanleihen-ETFs – ankaufen. Diese Stimulusmaßnahmen haben zu bedeutenden Zuflüssen in Investment-Grade-Anleihen-ETFs sowie ETFs für Hochzinsanleihen geführt, darunter „Fallen Angel“-Anleihen von Unternehmen, deren Ratings aufgrund der Folgen der Coronakrise für ihr Geschäft heruntergestuft wurden.

Nachdem sie die jüngste Bewährungsprobe gemeistert haben, glaubt Pasquale Capasso, dass ETFs mit ihrer Flexibilität und täglichen Handelbarkeit künftig – insbesondere in volatilen Zeiten – noch stärker gefragt sein könnten. „ETFs haben ihre Resilienz unter Beweis gestellt und Investoren nicht nur einen jederzeitigen Marktzugang geboten, sondern im Krisenumfeld auch als Preisfindungsinstrument und wichtige Quelle der Liquidität gedient“, so Capasso abschließend.