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„Anleihe-Anleger sollten wachsam bleiben“

Bonds are back: Anleihen erleben bei institutionellen Anlegern derzeit eine Renaissance. Paolo Bernardelli, Head of Fixed Income & Forex bei Eurizon, spricht mit IPE D.A.CH Chefredakteur Frank Schnattinger über die aktuelle Situation am Anleihemarkt sowie mögliche Risiken und erklärt, warum der Epsilon Fund Euro Bond in den letzten Jahren deutlich besser abgeschnitten hat als die Benchmark.

Paolo Bernardelli

IPE D.A.CH: Anleihen sind angesichts des deutlich höheren Zinsniveaus offenbar wieder im Kommen. Reichen die höheren Zinsen aus, um die institutionellen Anleger wieder in Anleihen zu bringen?
Bernardelli: Das Comeback von Anleihen bei institutionellen Anlegern ist offensichtlich, da die Zinsen nach vielen Jahren der ultralockeren Geldpolitik und der Negativzinsen wieder steigen. Der Anreiz höherer Zinsen lockt diese nach stabilen Erträgen und Risikomanagement strebenden Anleger. Anleihen bieten eine Diversifizierung und ein geringeres Risiko, was den Portfoliostrategien entgegenkommt. Allerdings ist eine sorgfältige Analyse unter Berücksichtigung von Duration, Kreditqualität, Liquidität, Inflationsdruck und Zentralbankpolitik von entscheidender Bedeutung. Institutionelle Anleger müssen diese Herausforderungen meistern, um ihre Portfolios in diesem sich verändernden Anleihemarkt zu optimieren. Außerdem wichtig zu berücksichtigen ist, dass Positionen in Kernländern eine gute Absicherung für Anleger darstellten, als die Risikoaversion in den letzten Monaten zunahm. Während sie im Negativszenario vor großen Verlusten geschützt sind, sollten Anleiheinvestoren in unserem zentralen Szenario mit positiven Gesamtrenditen rechnen, da wir eine Pause im geldpolitischen Erhöhungszyklus der Fed und schließlich Zinssenkungen in den folgenden Quartalen prognostizieren.

IPE D.A.CH: Wie ausgeprägt ist das Risikobewusstsein der Anleger in Bezug auf Anleihen, insbesondere nach dem schwierigen Jahr 2022?
Bernardelli: Das Risikobewusstsein der Anleiheinvestoren ist nach einem schwierigen Jahr 2022 stark gestiegen. Inflationsängste, eine restriktivere Geldpolitik und Unterbrechungen der Lieferkette erschütterten die Anleihekurse, was zu deutlich höheren Renditen und Spreads führte und die Risikotoleranz herausforderte. Anleger prüfen nun Risikofaktoren wie Zinssätze, Kreditqualität und regulatorische Änderungen. Diversifizierungs- und Risikominderungsstrategien haben Vorrang, während fortschrittliche Tools das Risikomanagement unterstützen. Ein erhöhtes Risikobewusstsein führt zu fundierten Entscheidungen, um die Portfolios inmitten der anhaltenden Marktunsicherheiten zu schützen.

IPE D.A.CH: Was würden Sie als das größte Risiko für den Anleihemarkt in der zweiten Jahreshälfte bezeichnen?
Bernardelli: Die Hauptrisiken für den Anleihemarkt in der zweiten Jahreshälfte könnten darin bestehen, dass der Inflationsdruck nicht schnell genug nachlässt, was die Zentralbanken zu einer weiteren Straffung ihrer Politik zwingen würde. Wenn die Inflation weiterhin hoch bleibt und die Zinssätze und Renditen unter Druck geraten, könnte es zu einem „Hot Landing“ kommen, was für Anleiheanleger sicherlich kein schönes Szenario ist: Die Inflation schmälert die Renditen von Anleihen, während die Maßnahmen der Zentralbanken und geopolitische Ereignisse die Marktvolatilität erhöhen. Wenn hingegen die verzögerten Auswirkungen früherer Zentralbankmaßnahmen zu einer Verschlechterung der Wirtschaftsaussichten führen, könnte es zu einer Art „Hard Landing“ kommen, bei der sich die Kreditqualität verschlechtert, die Zahlungsausfälle zunehmen und sich die Spreads ausweiten, was wiederum ein Risiko für die Finanzstabilität darstellt. Die Bedenken hinsichtlich des Kreditrisikos und der Zahlungsausfälle bleiben bestehen, und Zinsschwankungen wirken sich auf die Anleihekurse aus. In diesem zweiten Risikoszenario sollten Anleger der Kreditqualität der Emittenten große Aufmerksamkeit schenken. Wachsamkeit und strategische Anpassungen sind entscheidend für die Navigation auf dem Anleihemarkt in den kommenden Monaten.

IPE D.A.CH: Welche Rolle werden die großen Zentralbanken spielen – werden sie die Zinsen im nächsten Monat weiter anheben?
Bernardelli: Da die Inflation zwar immer noch hoch ist, aber langsam zurückgeht, sind die Maßnahmen der Zentralbanken von entscheidender Bedeutung. Sie müssen die Situation sorgfältig bewerten, um die richtigen politischen Maßnahmen zu ergreifen und dabei die Notwendigkeit der Unterstützung des Wirtschaftswachstums gegen das Risiko einer anhaltenden Inflation abzuwägen. In den USA beunruhigt der überhitzte Arbeitsmarkt die FED, und es muss ein besseres Gleichgewicht zwischen Arbeitsnachfrage und Arbeitsangebot erreicht werden, um die Inflation zu kontrollieren. Wahrscheinlich sind die Zinsen in den USA jetzt hoch genug, auch in Anbetracht der Straffung der FED-Bilanz und ihrer Auswirkungen auf die Wirtschaft. In der Eurozone ist der Prozess der geldpolitischen Straffung bereits weit fortgeschritten, auch wenn wir wahrscheinlich noch mindestens eine weitere Zinserhöhung erleben werden.

IPE D.A.CH: Wie ist Ihr Portfolio in Bezug auf die Duration positioniert, welche Empfehlungen haben Sie?
Bernardelli: Nach Jahren niedriger – oder negativer – Renditen und Renditeerwartungen sind wir nun wieder auf dem Weg zur Normalität, mit positiven Realrenditen in den USA und im Euroraum. In diesem Wettbewerb sind Investitionen in Anleihen wieder interessant. Die Inflation geht in Richtung der Zielwerte zurück. Die Zinssätze der Zentralbanken befinden sich wahrscheinlich in der Nähe ihres zyklischen Höchststandes, und wir könnten schon bald von einer eher zurückhaltenden Geldpolitik überrascht werden. Unsere Portfolios haben eine lange Duration, sowohl in den USA als auch in Europa. Eine lange Duration bietet auch eine Absicherung gegen unerwartete, aber immer noch mögliche wirtschaftliche, finanzielle oder geopolitische Risiken, denen wir in der Zukunft begegnen können.

IPE D.A.CH: Zahlt sich das Eingehen von Risiken bereits aus? Wo sollten sich Anleger stärker engagieren: Staatsanleihen – IG-Unternehmensanleihen – Hochzinsanleihen?
Bernardelli: Wir sind der Meinung, dass der Anleihemarkt im aktuellen Umfeld einen guten Einstiegspunkt bietet, da die meisten Teile der Renditekurve auf sehr interessanten Niveaus gehandelt werden. Der Carry-Effekt ist vor allem bei den kurzfristigen Teilen der Kurven groß, da die Zinssätze nahe dem erwarteten geldpolitischen „Endsatz“ liegen. Die Anleiherenditen befinden sich zwar auf historisch hohen Niveaus, weisen aber auch ein hohes Maß an Volatilität auf, die bei einem Mark-to-Market-Ansatz zu Verlusten führen könnte. Obwohl die Spreads für europäische Peripherieanleihen derzeit unter Kontrolle zu sein scheinen, können wir einen Anstieg der Volatilität bei diesen Titeln nicht ausschließen. Ähnliches gilt für den Unternehmenssektor, wo wir in Titeln mit Investment-Grade-Rating Wert sehen, während wir bei Hochzinsanleihen weniger aktiv sind, da es angesichts der Unsicherheit am Markt noch etwas zu früh sein könnte, diese Emittenten zu kaufen.

IPE D.A.CH: Was raten Sie in Bezug auf die Länderauswahl?
Bernardelli: Wir empfehlen in Bezug auf Qualität und Rating selektiv vorzugehen: Bei den Staatsanleihen bevorzugen wir Kernländer wie Deutschland und die USA. Auch Peripherieländer favorisieren wir, insbesondere solche mit einer besseren Wirtschaftsdynamik und mit den größten Spreads, wie Italien.

IPE D.A.CH: Ihr Epsilon Fund Euro Bond hat in den letzten Jahren deutlich besser abgeschnitten als die Benchmark. Was sind die Gründe dafür und sind sie immer noch gültig?
Bernardelli: Seit seiner Auflegung im Jahr 2007 hat der Fonds seine Benchmark (JPM EMU GBI Index®) kontinuierlich um deutliche 20% übertroffen. Der Epsilon Fund Euro Bond ist mit Abstand einer der größten Fonds, die in den Markt für Euro-Staatsanleihen investieren. Die Stabilität des Managementteams, ein konsistenter Anlageprozess und die Ex-ante- und Ex-post-Risikoanalyse sind die drei Schlüsselelemente, die die Performance der letzten Jahre erklären. Diese drei Säulen werden auch in den kommenden Jahren die charakteristischen Merkmale sein. In den letzten Jahren konnte die Überperformance durch ein aktives Durationsmanagement, eine aktive Verwaltung der Positionen zwischen den Euro-Ländern, eine Abflachung der Renditekurve und eine Übergewichtung von inflationsgebundenen Anleihen erklärt werden. Gegenwärtig bevorzugt der Fonds eine Übergewichtung von Euro-Staatsanleihen gegenüber der Benchmark, wobei er stets einen Risikomanagementansatz verfolgt.

IPE D.A.CH: Wie weit verbreitet sind Direktinvestitionen von Anlegern in Staatsanleihen und den festverzinslichen Sektor insgesamt im Vergleich zu Fondslösungen und Mandaten, und wo sehen Sie die größten Unterschiede?
Bernardelli: In der Regel ziehen es institutionelle Anleger vor, direkt in Anleihen, insbesondere Staatsanleihen, zu investieren, da sie denken, dass sie Gebühren sparen und langfristig eine bessere Performance erzielen können, wenn sie direkt in diese Anlageklasse investieren. Das ist aber nicht immer der Fall. Die Wahl aktiv verwalteter Fonds mit einem hervorragenden und stabilen Managementteam, das strikte Anlageprozesse und eine strenge Risikokontrolle anwendet, könnte die beste Lösung sein, vor allem, wenn sie niedrige Gebühren haben.

IPE D.A.CH: Normalerweise sollten Anleiheinvestoren gut schlafen, aber gibt es ein Risiko, das Sie Ihrer Meinung nach nachts wachhalten könnte?
Bernardelli: Es stimmt nicht ganz, dass Anleiheinvestoren ruhige Nächte genießen, denn Anleihen können sogar noch volatiler sein als Aktien, wie uns die letzten Jahre vor Augen geführt haben. Der Kurs von 30-jährigen Bundesanleihen hat in den letzten 18 Monaten mehr als 50% verloren. Manchmal haben auch Anleiheinvestoren Albträume wie die Anleger in anderen Anlageklassen! Richtig ist, dass Anleihebesitzer wachsam bleiben und die Entwicklung der Zinssätze genau beobachten und ihre Portfolios entsprechend anpassen müssen, um mögliche schlaflose Nächte zu vermeiden.

IPE D.A.CH: Vielen Dank für diese Einblicke.