Hedgework: Herr von Schweinitz, bis Mitte 2015 soll der EU-Pass für Drittstaatenfonds kommen und bis 2018 die Übergangsphase für die AIFM-Richtlinie enden. Wie ist der Stand der Dinge?
Von Schweinitz: Die ESMA hat am 30. Juli 2015 Advice und Opinion zum EU-Pass für Drittstaatenfonds vorgelegt. Danach wird es noch einige Zeit dauern, bis die ersten aussichtsreichen Kandidaten wie Guernsey, Jersey und die Schweiz nebst weiteren Ländern den Pass tatsächlich in den Händen halten.
Hedgework: Sie befassen sich sehr intensiv mit US-Produkten und den Bedingungen, unter denen diese auch in der EU angeboten werden könnten. Welches sind die Produkte, die dabei im Vordergrund stehen?
Von Schweinitz: Das amerikanische Pendant zu europäischen Investmentfonds sind Mutual Funds. Diese bedürfen nach dem „Investment Company Act 1940“ einer Erlaubnis, deren Asset Manager brauchen nach dem „Investment Adviser Act 1940“ ebenfalls eine Erlaubnis. In der Praxis stellen sich die Fragen zu den Vertriebsbeschränkungen aber eher bei Fonds, die unter Ausnahmebestimmungen nach dem Investment Company Act fallen, also geschlossene Private-Equity- und Immobilienfonds.
Hedgework: Geschlossene Fonds haben hierzulande derzeit einen schweren Stand. Ist das in den USA anders?
Jesch: Private-Equity-Fonds sind bei institutionellen Investoren aus den USA wie Universitätsstiftungen und Pensionsfonds beliebter als etwa bei deutschen Versicherungsunternehmen. Deutsche Family Offices und Versorgungswerke suchen aber oft auch nach Produkten aus dem Private-Equity-Bereich, weil hier die Renditeerwartungen höher sind. Deutschland hatte mit dem Retail-Vertrieb von geschlossenen Fonds über lange Jahre seine eigene PE-Branche, die erst in den letzten Jahren in schwierigeres Fahrwasser geraten ist. Geschlossene Fonds mit Retail-Investoren hat es in den USA indes so nicht gegeben. In Deutschland blicken wir dabei auf eine jahrzehntelange Historie weitestgehend steuerinduzierter Produkte zurück. Der Umdenkensprozess hin zu einer realistischen Überrendite nach Kosten und vor Steuern ist noch in vollem Gang. Wegen der vergleichsweise hohen deutschen Steuersätze können sich aber gerade im Immobilienbereich immer noch Steuervorteile ergeben, wenn nach einem Doppelbesteuerungsabkommen die Erträge lokal – als beschränkt steuerpflichtig – zu versteuern sind, der deutsche Spitzensteuersatz aber höher ist als der Steuersatz für beschränkt Steuerpflichtige nach der ausländischen Jurisdiktion.
Hedgework: Wodurch unterscheiden sich aus Ihrer Sicht amerikanische Private-Equity-Fonds von den hierzulande angebotenen?
Von Schweinitz: Die USA haben einen viel größeren Kapitalmarkt. Das Angebot ist größer, der Wettbewerb ist intensiver – aber die Renditen dürften nicht durch die Bank höher sein. Vielleicht lassen sich Unterschiede eher beim Grad der Erfahrung institutioneller Anleger ausmachen, ein Yale University Endowment mit seinen Erfolgen in der Assetklasse Private Equity hat zumindest kein gleichermaßen bekanntes Pendant in Deutschland.
Hedgework: Wer ist der bevorzugte Kundenkreis für US-Private-Equity-Fonds?
Jesch: Man kann ein wenig ironisch festhalten, dass die Zielinvestoren oft Versicherungsunternehmen sein sollen und die tatsächlichen Investoren dann oft Family Offices sind. Letztere sehen sich nicht in ein – manchmal auch nur subjektiv so empfundenes – Korsett aus Anlageverordnung und Solvency II gepresst, sondern sind auf Basis eines unternehmerischen Hintergrunds auch an unternehmerischen Investments interessiert. Außerdem sind sie in der Zeichnungsphase flexibler und haben kurze Entscheidungswege, auch Opportunity-Investments durch „club-deals“ lassen sich da leichter umsetzen.
Hedgework: Welche Möglichkeiten sehen Sie, US-Fonds hierzulande an professionelle bzw. semi-professionelle Investoren vertreiben zu können?
Von Schweinitz: Die minimaloffensive Variante der Private Placements ist zwar nicht – wie regelmäßig verallgemeinernd festgestellt – komplett abgeschafft worden, aber auf bestimmte Ausnahmefälle beschränkt. Insofern muss der US-Initiator seinen US-Fonds derzeit durch ein Notifizierungsverfahren nach §330 KAGB bringen, was mit relativ hohem Aufwand verbunden ist. Im Erfolgsfall hebt sich die Grenze nach Deutschland, der europäische Binnenmarkt lässt für geschlossene US-Fonds noch auf sich warten.
Hedgework: Welche Voraussetzungen müssten dafür geschaffen werden?
Jesch: Wir benötigen tatsächlich den EU-Pass für Drittstaatenfonds, um das Geschäft mit geschlossenen Fonds hierzulande nachhaltig zu beflügeln. Ein positives Assessment steht zwar aus – uns sind derzeit aber keine Missbrauchsfälle bekannt, welche ihre Begründung in dem existierenden EU-Pass für AIF finden.Die Vertriebsstrukturen sind allerdings national geprägt, es wird sicher etwas dauern, bis AIF-Fonds auch in der Praxis europaweit vertrieben werden.
Hedgework: Wie soll die steuerliche Situation, die bei ausländischen Investmentprodukten eigentlich immer der Knackpunkt ist, geregelt werden?
Von Schweinitz: Wenn wir der Einfachheit halber im Bereich der geschlossenen Fonds bleiben wollen: transparent. Es ist ein global mindestens sehr verbreiteter Grundsatz, dass die Anlage über ein Fondsvehikel steuerlich mit der Direktanlage konkurrenzfähig sein muss. Insofern sollte klar sein, dass auch ein ausländischer Private-Equity-Fonds seinen deutschen Anlegern Einkünfte aus Vermögensverwaltung vermitteln und auch ein möglicher deutscher Carry-Berechtigter den aus einem ausländischen Private-Equity-Fonds bezogenen Carry unter dem deutschen Steuerprivileg beziehen kann, ohne allzu viel Strukturierungsaufwand zu treiben.
Hedgework: Welche Unterlagen sind für den Vertrieb von US-Fonds in der EU notwendig und mit welchem Zeitaufwand ist für den Genehmigungsprozess zu rechnen?
Jesch: Wenn Sie das deutsche Notifizierungsverfahren durchlaufen wollen, brauchen sie schwerpunktmäßig das Quasi-PPM (Private Placement Memorandum) nach § 307 KAGB, das ist schon ein Haufen Arbeit, auch wenn das bestehende US-Limited Partnership Agreement als Informationsfundus herangezogen werden kann. Nach Abgabe der Anzeige müssen sie mit zwei bis vier Monaten Bearbeitungszeit durch die BaFin rechnen.
Hedgework: Wäre Reverse Solicitation als Geheimwaffe eine Alternative?
Von Schweinitz: In die Vollregulierung der geschlossenen Fonds in Deutschland werden unter anderem auch geschlossene US-Fonds hineingezogen, sobald sie mit dem Vertrieb beginnen. Nach dem für (semi-)professionelle Anleger einschlägigen Vertriebsbegriff fällt hierunter aber nicht die umgekehrte Ansprache des Fondsinitiators durch den (semi-)professionellen Anleger. Leider gibt es hier keine EU-weite einheitliche Auslegung des Begriffs „Reverse Solicitation“. Also steht den US-Fonds hiermit gewiss keine alternative Vertriebsstrategie zur Verfügung.
Hedgework: Was glauben Sie abschließend, bis wann wir die ersten geschlossenen US-Fonds am hiesigen Markt sehen werden?
Von Schweinitz: Der erste geschlossene US-Fonds mit EU-Pass? Vielleicht dürfen wir ihn noch vor dem Weihnachtsfest 2016 begrüßen – das wäre eine realistische Perspektive.
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RA/StB Dr. Oliver von Schweinitz arbeitet im Bereich Financial Services von PricewaterhouseCoopers AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Er berät Mandanten aus der Finanzwirtschaft im Bereich „operational taxes“ und ist als Rechtsanwalt im Staat New York zugelassen. Er ist Mitglied eines Arbeitsgremiums der OECD zum internationalen Informationsaustausch („Working party Nr. 10“).
RA Dr. Thomas A. Jesch arbeitet im Bereich Asset Management von PricewaterhouseCoopers AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und berät schwerpunktmäßig Emittenten und Investoren bei der Strukturierung von Investitionen in Private-Equity und Venture-Capital-, Debt- und Real-Estate-Fonds. Seine Tätigkeit umfasst neben der steuerrechtlichen Optimierung auch das gesamte Investmentrecht inkl. laufender Fund Compliance.
PricewaterhouseCoopers (PwC) bietet branchenspezifische Dienstleistungen in den Bereichen Wirtschaftsprüfung, Steuer- und Unternehmensberatung. Mehr als 195.000 Mitarbeiter in 157 Ländern entwickeln in einem internationalen Netzwerk mit Ideen, Erfahrung und Expertise neue Perspektiven und praxisnahe Lösungen. In Deutschland erzielt PwC an 29 Standorten mit 9.400 Mitarbeitern eine Gesamtleistung von rund 1,55 Mrd. Euro.
„Wir benötigen den EU-Pass für Drittstaatenfonds, um das Geschäft mit geschlossenen Fonds hierzulande nachhaltig zu beflügeln“

Dr. Oliver von Schweinitz & Dr. Thomas A. Jesch (re.)