Der Einsatz von Zweckgesellschaften ist ein zwar schon lange etablierter, aber nach wie vor überraschend selten genutzter Weg, um institutionellen Investoren, allen voran Versicherern, den Zugang zu Anlageklassen zu eröffnen, die ihnen sonst verschlossen blieben, beispielsweise aus regulatorischen oder bilanziellen Gründen. So kann in Anlagen investiert werden, die einen Renditeaufschlag und Diversifikationsvorteile gegenüber herkömmlichen Anlageklassen bieten, ohne dabei das Risikoprofil zu beeinträchtigen. Darüber hinaus können Investitionen über Zweckgesellschaften auch die Bilanzierung, das operative Handling und das Risikomonitoring effizienter machen.
Die speziellen Zweckgesellschaften, sogenannte Special Purpose Entities, kurz SPEs, werden ausschließlich zur Erfüllung spezifischer Investitionsziele gegründet. Ihre Aufgabe ist es, Vermögenswerte, Risiken oder Verantwortlichkeiten bei einer Finanzierung abzugrenzen. Versicherer können damit flexibel verschiedenste, auch komplexe Investitionen in einem Instrument umsetzen, die dann genau zu ihrer eigenen Bilanzstruktur passen. Gut geeignet sind dafür unter anderem Infrastrukturprojekte, Immobilienfinanzierungen, Unternehmenskredite sowie Asset-Backed-Securities-Emissionen. Dabei isolieren SPEs Sicherheiten wie Immobilien oder sogar Flugzeuge und finanzielle Vermögenswerte, wie zum Beispiel Wertpapiere, zugunsten der definierten Gläubiger vor dem Ausfall anderer Parteien in einer Transaktion.
Komplexität reduzieren
Besonders wegen ihrer günstigen Kapitalbehandlung im Rahmen von Solvency II sind Hypothekendarlehen bei europäischen Versicherungsgesellschaften beliebt. Allerdings sind Investments in Hypotheken operationell aufwändig und stellen für die KVGen große Herausforderungen dar, weil es sich hier um sehr kleinteilige Portfolios handelt, die dazu noch häufig laufenden Anpassungen wie Vorauszahlungen, Ausfällen und Zahlungsverzug unterliegen. Sie erfordern auch spezifische Expertendienste etwa für Zahlungseinzug, Abstimmung und Verpfändung von Sicherheiten, die eine KVG nicht anbietet.
Durch die Gründung eines SPE zum Erwerb von Hypothekendarlehen investiert die Versicherungsgesellschaft nur in ein einziges Instrument statt in eine Vielzahl einzelner Posten. Den größten Teil der operativen Aufgaben und das Management des SPE übernimmt ein Dienstleister, der auch mit den anderen maßgeblichen Parteien in Verbindung steht.
Alternative Anlageformen, passend zur eigenen Bilanzstruktur
Lebensversicherungsgesellschaften haben langfristige, stabile Verbindlichkeiten und könnten daher von den sogenannten Illiquiditätsprämien profitieren, die Private-Debt-Anlagen wie die beschriebenen Hypothekendarlehen bieten. Aber selbst innerhalb Europas kann ein hier ansässiger Investor auf etliche regulatorische, steuerliche oder rechtliche Hindernisse stoßen. Das Strukturieren eines SPE ermöglicht die Diversifizierung über Länder und Anlageklassen hinweg, ohne dass die Investoren lokale Lizenzen oder spezifisches lokales Wissen benötigen und ohne ihr Risiko wesentlich zu erhöhen.
Durch den Einsatz von SPEs können Versicherer aber nicht nur in Private-Debt-Anlagen wie Hypothekendarlehen investieren, sondern auch in öffentliche Märkte, die sonst für sie nicht zugänglich wären – etwa, weil Zahlungsströme in verschiedenen Währungen erfolgen. Das würde voraussichtlich den Einsatz von Derivaten notwendig machen, die die Zahlungsströme in die lokale Währung des Investors umwandeln. Das wiederum erfordert einerseits eine entsprechende, aufwändige Infrastruktur und ist andererseits auch in herkömmlichen Risikosystemen nur schwierig darstellbar. Dank der Strukturierung eines SPE können diese Probleme umgangen werden.
Ein weiterer großer Vorteil von SPEs besteht darin, dass sie auf den individuellen Bilanzbedarf zugeschnitten werden können. Ein Lebensversicherer kann damit beispielsweise eine festverzinsliche Anleihe so strukturieren, dass sie mit seinen Durationszielen übereinstimmt. Zudem können durch die Zweckbindung eines SPE auch die immer wichtiger werdenden ökologischen, sozialen und Governance-Faktoren – oder kurz ESG-Faktoren – der so strukturierten Anlage klar definiert und gemessen werden.
Flexibel, effizient und unabhängig von Investmentbanken
Traditionell wurden SPEs von Investmentbanken eingesetzt. Regulatorische Änderungen nach der Finanzkrise haben die Banken hier jedoch in einen Interessenskonflikt gebracht. Nun bestimmen ihre eigenen Ziele, wie zum Beispiel die Reduzierung der Bilanz, das Format der Strukturen. Und das kann einen direkten Konflikt mit den spezifischen Bedürfnissen des Investors bedeuten.
In den vergangenen Jahren haben deshalb viele Asset Manager für ihre Investoren das entsprechende Strukturierungs-Know-how aufgebaut. Damit behalten diese die Kontrolle über das Risikoprofil und die Auswirkungen auf die Bilanz. Versicherer können so über ihren Asset Manager Anlagen, wie zum Beispiel Unternehmens- oder Hypothekendarlehen, direkt vom Originator, das heißt von lokalen Banken oder auch Fintech-Plattformen, übernehmen.
Eine weitere Herausforderung, bei der SPEs helfen können, ist die vorgeschlagene Änderung des deutschen Außensteuergesetzes AStG als Teil des Gesetzes zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie. Durch diese Änderung drohen in vielen Fällen erhebliche steuerliche Nachteile bei Investitionen durch herkömmliche Fondsstrukturen. Die vorgesehenen Regelungen machen es für inländische Investoren unattraktiver, in ausländische Investmentfonds zu investieren. Die Gleichbehandlung von ausländischen und inländischen Investmentfonds, die durch das grundlegend reformierte Investmentsteuerrecht durchgesetzt wurde, wird dadurch wieder ausgehebelt. Vor diesem unsicheren Hintergrund könnten strukturierte Investitionslösung über SPEs für deutsche Investoren wieder eine größere und attraktivere Rolle spielen.
Das aktuelle Marktumfeld erfordert von institutionellen Investoren ein hohes Maß an Flexibilität. Durch individuell zugeschnittene Strukturierungen von SPEs können Versicherungsunternehmen Anlagemöglichkeiten effizient nutzen, die ihnen andernfalls verschlossen blieben.
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*) Sam Taylor ist Senior Portfolio Manager Insurance Solutions & Alternative Rates bei NN Investment Partners.
Strukturierungen eröffnen Versicherern bisher verschlossene Anlagemöglichkeiten

Sam Taylor