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Österreich: Pensionskassenmitglieder gehen vor Gericht

2.600 Mitglieder österreichischer Pensionskassen unterstützen einen Antrag durch den der Verfassungsgerichtshof prüfen soll, ob durch das System ihre Eigentumsrechte verletzt werden.

Einige tausend Rentner müssen in diesem Jahr Pensionskürzungen von 20% hinnehmen, da die Pensionskassen durch die Finanzkrise stark unter Druck gekommen waren. Etliche alt-Verträge inkludieren noch Rechnungszinse von 5,5% oder teilweise 7,5%. Die Interessensvertretungsgruppe Pekabe hat nun einen Anwalt beauftragt zu prüfen, ob es Pensionskassenmitgliedern ermöglicht werden kann, ihr Geld individuell aus der Pensionskasse zu entnehmen.

Derzeit ist ein Austritt aus einer Pensionskasse nur kollektiv über das Unternehmen und nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Anwalt Alfred Noll ist jedoch überzeugt, dass das Nicht-Vorhandensein einer Beendigungsmöglichkeit des Vertrages durch den Begünstigten, gegen die Verfassung verstößt, weil es sich um eine Beschränkung des Eigentumsrechtes handle.

Noll spricht sogar von „sittenwidrigen Verträgen“ mit einer „ewigen vertraglichen Bindung“ wie sie zuletzt im Zeitalter der Sklaverei zu finden gewesen waren. Der österreichische Gesetzgeber habe mit der Einführung der zweiten Säule im Pensionssystem, also den Pensionskassen, „halb Österreich zu Gefangenen gemacht,“ sagte Noll.

„Die Berechtigten aus den Verträgen sind – ohne die Möglichkeit Eingriff zu nehmen – gezwungen, der Vernichtung und Entwertung ihres Pensionskapitals zuzusehen. Tatsächlich läuft die geltende Regelung auf eine De-facto-Enteignung der Beschwerdeführer hinaus,“ so der Anwalt von Freimüller, Noll, Obereder, Pilz & Partner Rechtsanwälte weiter.

Der Pekabe zeigte sich enttäuscht, dass die Reformkommission zum Pensionskassensystem, die gestern ihre ersten Vorschläge präsentiert hat, keine Einigung über die Abfindung von betroffenen Pensionisten erzielt hat. Überhaupt sprach Pekabe von einer „kosmetischen“ Reform, die das Überleben des Systems nicht sichere.

Die Reformkommission hat sich geeinigt, dass die Pensionskassen in Sachen Kosten und Performance transparenter werden müssen. Außerdem soll das System individuell durchlässiger gestaltet werden. Das heißt einzelne Pensionskassenmitglieder können sich entscheiden in den versicherungsförmigen Durchführungsweg der betrieblichen Kollektivversicherung zu wechseln wenn sie Garantien wollen.

Über die Altverträge mit hohem Rechnungszins und die Mindestgarantie bei Pensionskassen wurde keine Einigung erzielt. Gemeinsam haben Pensionsexperten von Mercer und Watson Wyatt jedoch festgestellt, dass die Wiedereinführung von Mindestertragsgarantien, wie sie ursprünglich Anfang der 90er-Jahre vorgesehen waren, einen „Bankrott“ der Pensionskassen bedeuten würden.

Die Experten unterstützten den Ruf nach mehr Flexibilität im System und raten den Pensionskassen ihre Veranlagung weiter zu diversifizieren. Unterdessen hat Ökonom und Pensionsexperte Gerald Klec eine vergleichende Studie zur Risikoverteilung in europäischen Pensionssystemen durchgeführt und festgestellt, dass das österreichische System für die Mitglieder von Pensionskassen das weitaus risikoreichste ist.

Während in anderen Ländern die Mitglieder zumindest in der Anspar- oder Auszahlungsphase, manchmal auch in beiden, durch Nachschusspflichten der Unternehmer, den verpflichtenden Kauf eines gesicherten Rentenauszahlungsvehikels („annuity“) oder bestimmte Garantien, zumindest teilweise gegen Kapitalmarktrisiken abgesichert sind, ist das in Österreich nicht der Fall.