Was ist das besondere an „Smart Beta“? Kurz gesagt fußt dieser Stil auf neuen Ansätzen wie beispielsweise der gleichen Gewichtung aller Indexkomponenten. Zudem stellt er einen Mittelweg zwischen den beiden Dogmen der Fondsbranche, dem aktiven Investmentstil einerseits und dem passiven Investmentstil andererseits, dar.
Zwei Dogmen, zwei griechische Buchstaben
An dieser Stelle sei ein Exkurs zum Unterschied zwischen den beiden Denkschulen „aktives“ und passives“ Investieren erlaubt. Beim aktiven Investmentansatz analysieren Portfoliomanager Unternehmensdaten oder suchen nach Mustern in Kurszeitreihen. Als „Stock Picker“ sind sie auf der Suche nach attraktiven Einzeltiteln. Der Übervater dieses Ansatzes ist US-Investor Warren Buffett, der seit Jahrzehnten ein goldenes Händchen bei der Auswahl von Unternehmen beweist.
Die Anhänger des passiven Investmentstils orientieren sich hingegen an John C. Bogle, der als Pionier kostengünstiger Indexfonds gilt. Das passive Investieren kam wohl nicht ganz zufällig in den 1970er-Jahren auf, als sich die Vorstellung durchsetzte, Märkte seien effizient. Geht man von dieser Annahme aus, so sind Aktien stets fair bewertet, denn ihr Preis spiegelt zu jeder Zeit alle zur Verfügung stehenden Informationen wider.
In einer Welt effizienter Märkte genügt es, mit einem Fonds einfach einen anhand der Marktkapitalisierung der Einzelwerte gewichteten Index wie den S&P 500 oder den MSCI World nachzubilden. Allerdings ist die Welt kaum ideal: Robert Shiller, einer der einflussreichsten Ökonomen unserer Zeit, hat den Glauben an effiziente Märkte einmal als einen der größten Fehler in der Geschichte des ökonomischen Denkens bezeichnet. Schließlich führen Gemütszustände und Triebe wie Angst oder Gier dazu, dass Menschen oft kaum rational handeln.
In Fachkreisen stellt man den Unterschied zwischen den beiden Denkschulen meist mit den ersten beiden Buchstaben des griechischen Alphabets dar. „Alpha“ steht gemeinhin für die Rendite, die auf Entscheidungen des Portfoliomanagers zurückzuführen ist – das Gütesiegel aktiver Investmentstrategien. Wer einen Fonds aktiv verwaltet, anstatt Marktindizes passiv nachzubilden, muss den Index schlagen, um die höheren Gebühren zu rechtfertigen. „Beta“ bezeichnet hingegen jenen Teil der Portfoliorendite, der von den allgemeinen Schwankungen eines Marktes abhängt. Zugleich ist „Beta“ – die durchschnittliche Rendite eines Marktes – auch das Ziel passiver Anlagestrategien.
Generationenkonflikt
„Smart Beta“ ist gewissermaßen eine Synthese aus „Alpha“ und „Beta“. Es handelt es sich um aktive Strategien, die aber nicht von Portfoliomanagern, sondern systematisch anhand von klar definierten Regeln umgesetzt werden.
Der herkömmliche „Smart Beta“-Ansatz zeichnet sich dadurch aus, dass nicht die Marktkapitalisierung, sondern andere Aspekte für die Gewichtung der einzelnen Bestandteile eine Rolle spielen. Bei gleichgewichteten „Smart Beta“-Ansätzen erhalten alle Einzelwerte die gleiche Gewichtung unabhängig von ihrer jeweiligen Marktkapitalisierung.
Diese Überlegung hat Einiges für sich. Da Märkte oftmals übertreiben, ist es nicht zwingend optimal, die Einzelwerte in einem Portfolio in Proportion zu deren Marktkapitalisierung zu gewichten. Der bekannte Finanzökonom Jack Treynor hat darauf hingewiesen, dass überbewertete Aktien in marktgewichteten Indizes systematisch überrepräsentiert und unterbewertete Aktien unterrepräsentiert sind.
Alternativ können die Aktien auch anhand ihrer Volatilität gewichtet werden. Beim sogenannten „Minimum Volatility“-Ansatz wird ein Algorithmus zur Berechnung der Gewichtungen der Einzelwerte angewendet, der sicherstellen soll, dass die Wertschwankungen des Portfolios minimiert werden. Bei dem als „Fundamental Indexing“ bezeichneten Ansatz sind Dividendenrendite, Kurs-Buchwert-Verhältnisse oder andere Kennzahlen für die Gewichtung der Einzelwerte ausschlaggebend.
Allerdings wird an solchen Ansätzen der ersten Generation bemängelt, dass Anleger mit ihnen oftmals sehr konzentrierte Risiken in einzelnen Branchen („Sector Bias“), niedrig bewerteten Werten („Value Bias“) und Werten mit einer niedrigen Marktkapitalisierung („Size Bias“) eingehen. Ist beispielsweise die Dividendenrendite maßgebend, dann führt dies oftmals dazu, dass im Portfolio Versorger wie RWE sehr stark und Technologiewerte wie SAP sehr gering oder gar nicht gewichtet werden.
Das gleiche Problem hoher Konzentrationen tritt beim „Minimum Volatility“-Ansatz auf. „Minimum Volatility“-Indizes weisen grundsätzlich eine ähnliche Wertentwicklung wie traditionelle marktgewichtete Indizes auf: Während der Finanzkrise 2007 bis 2009 sind beide Indizes stark eingebrochen. Die Darstellung macht klar: Zur Diversifikation eignen sich die meisten „Smart Beta“-Indizes der ersten Generation aufgrund ihrer hohen Korrelation mit marktgewichteten Indizes nicht.
2.0-Version: Fokus auf alternative Risikoprämien
Richtig „smart“ sind „Smart Beta“-Ansätze der zweiten Generation. Das Ziel von „2.0“ ist es, Anlegern einen kostengünstigen Zugang zu sogenannten alternativen Risikoprämien zu verschaffen. Diese werden primär von der Handelsstrategie bestimmt, die Investoren verfolgen. Traditionelle Risikoprämien hängen hingegen in erster Linie von den Anlageklassen ab, in die Anleger investierten. Zu den in der Literatur gut dokumentierten Alternativen zählt beispielsweise die „Momentum“-Risikoprämie.
Solche alternativen Strategien unterscheiden sich deutlich von sogenannten „Replikationsprodukten“, die versuchen, einen mehr oder weniger willkürlich gewählten Hedgefonds-Index nachzubilden. Sie zielen vielmehr darauf ab, durch die direkte Anwendung von systematischen Investmentstrategien empirisch gut dokumentierte alternative Risikoprämien zu erwirtschaften.
Bei „Smart Beta“-Strategien der zweiten Generation gilt: Die richtige Auswahl und Mischung der alternativen Risikoprämien ist entscheidend. Die angehängte Grafik vergleicht die Wertentwicklung von Aktien und Anleihen über den Zeitraum von 2003 bis 2013 mit der Wertentwicklung eines Portfolios nach Gebühren und Transaktionskosten, das aus drei in der Literatur gut dokumentierten alternativen Anlagestrategien besteht. Jede von ihnen führt zu Anlagen in einer Vielzahl von Märkten und Instrumenten. Bei der Auswahl der Strategien wurden bewusst nur solche Ansätze berücksichtigt, die in Phasen stark fallender Märkte strategiebedingt nur geringe Korrelationen mit traditionellen Anlageklassen aufweisen. Die Grafik zeigt, dass auf diese Weise ein auch in Krisenzeiten sehr wertstabiles „Smart Beta“-Portfolio der zweiten Generation konstruiert werden kann.
„Smart Beta“-Strategien der zweiten Generation sind nicht nur für Pensionsfonds und andere institutionelle Kunden attraktiv. Sie vereinen nämlich gleich zwei Vorteile: Anleger können mit ihnen attraktive risikoadjustierte Renditen bei geringen Schwankungen sowie Diversifikationsvorteile erzielen. Zudem sind „Smart Beta“-Strategien ähnlich wie passive Indexfonds sehr kosteneffizient.
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*) Jan Viebig ist CEO und Head Alternative Investments der Harcourt Investment Consulting AG.
Meinung: Smart Beta - Anlagekonzept mit Zukunft

Jan Viebig