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Kommentar: Unternehmenskultur schafft Wettbewerbsvorteile

Kaum ist die Rede vom Erfolg eines Unternehmens, so spricht man schnell auch über die Kultur des Unternehmens, also die Werte, Vorstellungen und Verhaltensweisen, die es durch und durch prägen. Die Unternehmenskultur bestimmt die Geschäftsstrategie. Sie schafft den Rahmen für die Zusammenarbeit im Unternehmen. Und sie gestaltet letztlich die Art der Fähigkeiten, die ein Unternehmen seinen Kunden bietet. Doch wie sieht eine starke Unternehmenskultur aus und wie kultiviert man sie auf Dauer? Das hängt sicher zum Teil von der Art des Geschäfts ab, doch lässt sich grundsätzlich festhalten, dass die erfolgreichsten Investmentkulturen auf Bescheidenheit, Kooperation und gegenseitigem Respekt beruhen. Es gibt keine Stars – nur Teams, ein gleichberechtigtes Miteinander und lebhafter Ideenaustausch.

Michael Roberge (oben) und Lars Detlefs

Insbesondere für Kapitalanlagegesellschaften ist eine starke Kultur unerlässlich, wo Menschen und ihr Urteilsvermögen das größte Kapital sind. Untersuchungen haben den engen Zusammenhang zwischen der Kultur und dem Erfolg von Asset Management Gesellschaften bereits nachgewiesen. So ergaben Studien der Focus Consulting Group, dass optimierte Entscheidungsprozesse sowie die Fähigkeit, Leistungsträger zu rekrutieren und an das Unternehmen zu binden, die greifbarsten Vorteile einer positiven Kultur sind. Die Kultur bestimmt die Art und Weise, wie Teams bei ihren Anlageentscheidungen interagieren und zusammenarbeiten. Dies beeinflusst nicht nur den Erfolg einer bestimmten Strategie sondern auch den Unternehmenserfolg insgesamt. Teams müssen optimale Leistungen erbringen und gemeinsam Wert schaffen, wenn sie eine differenzierte Performance erzielen wollen.

Kluge Köpfe denken nicht gleich
Eine kooperative Leistungskultur bedeutet nicht, dass alle gleich denken. Tatsächlich führen unterschiedliche Sichtweisen sogar zu besseren Entscheidungen, da sie vielfältige Perspektiven und Analyseansätze einbeziehen und so rundum fundierter sind. Um von dieser Meinungsvielfalt zu profitieren, muss man Teams mit gebührender Sorgfalt zusammenstellen und ein Umfeld schaffen, das den Austausch von Ideen und neuen Herausforderungen fördert.

Die Unternehmenskultur bildet den Rahmen für die Zusammenarbeit in Teams und die gemeinsame Entscheidungsfindung. Der Teamansatz macht gerade bei komplexen Aufgaben wie dem Investmentgeschäft Sinn – zumal auch die Wertschöpfungsketten immer komplexer werden. Viele Firmen richten Investmentteams mit unterschiedlicher Ausprägung ein, wie etwa Investitionsausschüsse (Konsensprinzip), spezielle Analysten/Portfoliomanager-Teams nach Anlagestilen (wie etwa Value, Growth oder Global) oder zentrale Research-Teams.

Die Leistung eines Teams hängt von der Vielfalt des Teams ab, dem Ideenfluss und der Freiheit, unterschiedliche Sichtweisen zu teilen. Heterogene Teams bieten Perspektivenvielfalt, motivieren zu innovativem Denken und entscheiden nach besseren, weil umfassenderen Kriterien. Wenn ein Team sich aus Männern und Frauen mit unterschiedlichem kulturellem oder professionellem Hintergrund zusammensetzt, erhöht dies die kognitive Diversifikation durch unterschiedliche Erfahrungen und Denkprozesse.

Dabei spielt die Art und Weise, verschiedene Ansichten zu teilen, eine ebenso große Rolle wie die Bereitschaft, diese zuzulassen. Der Umgang muss respektvoll sein, auf keinen Fall aggressiv. Anstatt sich an den unterschiedlichen Arbeits- oder Sichtweisen der Teamkollegen zu stoßen, geht es um die sachliche Auseinandersetzung mit Ideen und Perspektiven, gerade um ein „Gruppendenken“ zu vermeiden. Indem die Teammitglieder dazu angeregt werden, unterschiedliche Sichtweisen zu äußern, kann das Team die immer größeren Mengen an Brancheninformationen sichten, nach Relevanz ordnen und sich auf leistungsfähiges Research konzentrieren. Durch die Diskussion im Team können persönliche Vorurteile und Voreingenommenheit ausgeräumt werden, welche bei der Entscheidungsfindung zu Problemen führen können. Im Ergebnis schaffen konstruktive Herausforderungen ein Umfeld, das bessere Ergebnisse für den Kunden erzielt.

Doch ein dialogbasiertes Umfeld kann nur funktionieren, wenn es in gemeinsame kulturelle Werte eingebettet ist. Ein gemeinsames Wertesystem ist unerlässlich für den Teamerfolg. Die sachliche Auseinandersetzung mit Anlageideen gelingt auf Dauer aber nur, wenn ein gemeinsames Verständnis über die Zielsetzung besteht. Ist beispielsweise eine Seite von einer langfristigen Sichtweise überzeugt, während die andere Seite sich grundsätzlich nach der kurzfristigen Marktstimmung richtet, behindert dieser Konflikt eine bessere Performance. So haben Studien zur Teambildung gezeigt, dass gemeinsame kulturelle Werte die Basis für kognitive Diversität bilden, die wiederum zu einer differenzierten Performance führt.

Kultur stärkt Investment-Überzeugungen
Die Philosophien und Überzeugungen einer Investmentfirma müssen fest in ihrer Kultur verankert sein. Wenn beispielsweise die Überzeugung besteht, dass ein langfristiger Anlagehorizont mit größeren Chancen für eine differenzierte Wertentwicklung verbunden ist, muss die Unternehmenskultur diese Überzeugung stützen. Das heißt: langfristige Performance muss belohnt, kurzfristige Underperformance toleriert und einen Investmentprozess sowie eine Teamorientierung verfolgt werden, die zu diesen Zielen beitragen. Die Schaffung und Aufrechterhaltung einer solchen Kultur ist nicht einfach. Es bedarf der vorbehaltlosen Unterstützung durch die Geschäftsführung sowie institutionalisierter Unterstützung in Form von Anreizsystemen, die eine längerfristige Perspektive belohnen.

Zunehmende Globalisierung und immer komplexere Strukturen erfordern Kooperation und Teamarbeit, nicht nur rund um den Globus, sondern auch entlang der Kapitalstrukturen. Man denke an einen Aktienanalysten, der die Bewertungen von Unternehmen, makroökonomische Faktoren sowie die Rahmendaten von Wettbewerbern durchleuchtet, normalerweise aber keine ausgeprägte Expertise im Anleihebereich aufweist. Verknüpft man indes die Sichtweise des Aktienanalysten mit einer Fixed-Income-Perspektive, die sich stärker an den komplexen Kreditfragen im Zentrum der Kapitalstruktur eines Unternehmens orientiert, wie etwa Finanzierungsfazilitäten und Zahlungsverpflichtungen, so ergibt sich – Kapitalstruktur übergreifend – eine deutlich stärkere Perspektive auf den Substanzwert eines Unternehmens.

Eine Kultur, die ein Gefühl gemeinsamer Verantwortung schafft, ist für ein leistungsfähiges Risikomanagement unerlässlich. Eine Risikomanagementkultur sollte sogar in den Investmentprozess integriert sein und nicht etwa als Anhängsel oder Overlay gesehen werden. Das bedeutet in der Praxis: Der Portfoliomanager nimmt Risiko als selbstverständlichen Teil seines Researchs und seiner Wertpapieranalyse wahr und nicht als Portfoliobeschränkung, mit der man sich auf Einzelfallbasis auseinandersetzen muss. In einer risikobewussten Kultur können gemeinsame Werte und abgestimmtes Verhalten zu einer Stärkung des Risikomanagements führen – ein weiteres Beispiel für eine starke Kultur, die dem Kunden dient.

„Set it and forget it“ funktioniert hier nicht
Es reicht nicht, talentierte Mitarbeiter einzustellen. Sie müssen auch die Fähigkeit mitbringen, in einem Team zu arbeiten, Informationen teilen und gut zur Unternehmenskultur passen. Ebenso wichtig, wie die Rekrutierung der richtigen Leute, ist die tägliche Betonung der kulturellen Werte auf Management-Ebene. Um eine kooperative Leistungskultur zu schaffen, müssen die Mitarbeiter diesen Anspruch völlig verinnerlichen. Nur so wird diese Kultur ein integraler Bestandteil des Unternehmens.

Wenn Mitarbeiter von Grund auf in die Unternehmenskultur einbezogen werden, identifizieren sie sich dauerhaft mit dem Unternehmen. Zugleich wirkt dies der Personalfluktuation entgegen. Nur so lassen sich Brüche und Diskontinuitäten beim Portfoliomanagement vermeiden. Nicht zuletzt senkt dies auch die Kosten des Unternehmens für Rekrutierung und Einarbeitung. Von ebenso kritischer Bedeutung für eine leistungsfähige Kultur ist die Ausgestaltung der Anreizsysteme. Die Anreizsysteme müssen zu den Geschäfts- und Anlagezielen passen und die Leistungsmaßstäbe müssen sowohl in quantitativer als auch qualitativer Hinsicht transparent sein. Im Ergebnis wird eine Leistungskultur geschaffen.

Positive Kulturen entstehen, wenn jeder in der Firma die Grundwerte „lebt“ und diese die Handlungen bestimmen. Die Mitarbeiter orientieren ihr Verhalten an diesen Grundwerten und so hängt der Unternehmenserfolg letztlich davon ab. Die Führung von Investmentfirmen muss hier mit gutem Beispiel vorangehen und sowohl Träger als auch Kultivator der Unternehmenskultur sein.

Kultur ist keine Fähigkeit und kein Talent. Wettbewerber können eine Kultur nicht so ohne Weiteres kopieren wie eine Investment- oder Geschäftsstrategie. Firms own their culture – die Kultur gehört dem Unternehmen selbst und es liegt in der Hand des Unternehmens, sie am Leben zu erhalten.

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*) Michael Roberge ist Präsident und Chief Investment Officer bei MFS Investment Management. Lars Detlefs ist Geschäftsführer MFS Investment Management Deutschland.