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Kommentar: Schädlicher deutscher Sonderweg bei Hedgefonds-Regulierung

Kein Finanzmarkt, kein Finanzprodukt und kein Akteur an den globalen Finanzmärkten dürfe in Zukunft unreguliert bleiben, lautet die zentrale Folgerung der Politik im Nachgang der globalen Finanzkrise 2007 bis 2009. Dadurch kommen vor allem auf die früher kaum regulierte Hedgefonds-Industrie große Veränderungen zu. Der Nutzen eines neuen Ordnungsrahmens ist heute weitgehend unumstritten. Das Ziel einheitlicher Standards scheint aber trotzdem in weiter Ferne, weil einzelne Länder – allen voran Deutschland – auf eigenen Regelungen beharren.

Die Europäische Union hat mit der neuen Richtlinie über die Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFM-Richtlinie) Anforderungen formuliert, denen alle Anbieter von alternativen Investmentfonds (AIF) in Zukunft genügen müssen. Die Richtlinie – sie erfasst so unterschiedliche Vehikel wie Hedgefonds, Private-Equity-Fonds, Infrastrukturfonds oder Rohstoff-Fonds – ist neu reguliert für all jene Investmentvehikel, die der EU-Regelung für „Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren“ (OGAW) bisher nicht unterlagen.

Aus Kundensicht sind die Neuerungen, die den Anlegerschutz verbessern und Systemrisiken begrenzen, zu begrüßen. Allerdings verfügen die Gesetzgeber der jeweiligen Länder weiterhin über zahlreiche Wahlrechte bei der Umsetzung in nationales Recht. Genau hier liegt das Problem.


Regulierungswut führt zu Abwanderung
Als Stolperstein auf dem Weg zu einheitlichen Gesetzesstrukturen für alternative Investmentfonds erweist sich insbesondere Deutschland. Der Hang des deutschen Gesetzgebers zu Sonderregelungen macht die Angleichung der Standards unmöglich. Zum anderen verstärkt die deutsche Regulierungswut die seit Jahren zu beobachtende Abwanderung der deutschen Fondsbranche nach Luxemburg und Irland. Schon heute übersteigt die Bilanzsumme der Finanzinstitute in Luxemburg das 21fache und in Irland das siebenfache der jeweiligen Wirtschaftsleistung.

Ein ganz wesentlicher Grund für die Größe des Finanzsektors in Luxemburg ist, dass das Großherzogtum die europäische OGAW-Richtlinie vom 20. Dezember 1985 besonders schnell umgesetzt und sich damit einen Wettbewerbsvorteil gesichert hat. Auch die OGAW-Änderungsrichtlinien aus dem Jahre 2002 hat Luxemburg eins zu eins übernommen.

Deutschland beschritt mit dem Investmentgesetz (InvG) schon damals einen Sonderweg. Der deutsche Gesetzgeber übersah dabei, dass Investmentfonds dank der OGAW-Richtlinie über einen europäischen Pass verfügen. Ist ein Fonds in einem EU-Mitgliedsland erst einmal zugelassen, kann er EU-weit vertrieben werden. Das Beharren auf Sondergesetzen ist in diesem Zusammenhang unverständlich. Verwaltungsgesellschaften können Fonds ohne weitere Prüfung in EU-Mitgliedstaaten auflegen und die Richtlinien schnell und effizient umsetzen. Schon heute werden mehr Fonds deutscher Fondsanbieter in Luxemburg zugelassen, als in Deutschland selbst.

Auch bei der Regulierung von Hedgefonds schuf der deutsche Gesetzgeber mit den „Sondervermögen mit zusätzlichen Risiken“ im Investmentgesetz (§112 InvG) weltweit einzigartige Regeln für Hedgefonds. Mit den bekannten Folgen: In Deutschland wurden kaum Hedgefonds nach deutschem Recht aufgelegt und London sowie andere Finanzzentren blieben die bevorzugten Destinationen für diese Anlageklasse.


Gesetzgeber kocht weiter eigenes Süppchen
Die Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich. Auch bei der bevorstehenden Umsetzung der AIFM-Richtlinie – in Deutschland geschieht dies durch den Erlass eines Kapitalanlage-Gesetzbuchs (KAGB) – ist ein Sonderweg vorgezeichnet. Dem deutschen Gesetzgeber reicht die Unterscheidung zwischen Investmentvermögen gemäß der OGAW-Richtlinie und alternative Investmentfonds nach der AIFM-Richtlinie nicht. Er führt neue Fondstypen ein, indem er hinsichtlich der Rückgabemöglichkeit weiter zwischen offenen und geschlossenen Fonds und hinsichtlich des Anlegerkreises zwischen professionellen Anbietern und Privatanlegern differenziert. Für die einzelnen Fondstypen werden unverständlich komplexe Regelungen formuliert. Gemäß dem Entwurf des KAGB soll es sogenannten „Publikums-AIF“ verboten sein, in sogenannte „Spezial-AIF“ zu investieren. Diese Regelung stellt im Vergleich mit dem Investmentgesetz (InvG) einen Rückschritt dar. Die Klauseln beschränken die Anlagemöglichkeiten einzelner Fondstypen.

Die von den deutschen Bürokraten erdachten Beschränkungen basieren auf der Fehleinschätzung, dass Verbote und Produktbeschränkungen Portfolios sicherer machen. Dabei ist es die Beschneidung der Anlagemöglichkeiten, die ein Problem darstellt: Alternative Investmentfonds können unter diesen Bedingungen ihren Zweck – die möglichst breite Verteilung von Risiken – nicht mehr voll erfüllen. Eine kluge Regulierung sollte Anleger zu risikobewusstem Handeln ermutigen – also zu einer breiten Streuung des Vermögens – und die Türen beispielsweise zu ausgewählten Hedgefonds-Produkten möglichst weit offen lassen. Alternative Strategien haben nach wie vor ihre Berechtigung, denn traditionelle Anlageklassen wie Anleihen, Aktien und Rohstoffe sind seit der globalen Finanzkrise bereits stark gestiegen. Die nächste Krise kommt bestimmt, und bei traditionellen Investmentfonds hängen typischerweise über 90% des Risikos von einer Variablen ab: der Bewegung des jeweiligen Marktes.

Ein weiterer zentraler Fehler der bestehenden OGAW-Richtlinie und des deutschen Umsetzungsgesetzes der AIFM-Richtlinie besteht in der Beschränkung von Leerverkäufen. In der OGAW-Richtlinie werden physische Leerverkäufe untersagt – also beispielsweise die Veräußerung einer Aktie, die der Verkäufer zum Verkaufszeitpunkt nicht besitzt und zu einem späteren Zeitpunkt zu einem tieferen Kurs zu kaufen beabsichtigt. Erlaubt sind hingegen synthetische Leerverkäufe, beispielsweise der Handel mit Swaps und anderen Derivaten. Die Unterscheidung zwischen physischen und synthetischen Leerverkäufen ist aus ökonomischer Sicht nicht nur sinnlos, sondern auch schädlich. Für Anleger ist es schließlich unbedeutend, ob Gewinne oder Verluste aus einem physischen oder einem synthetischen Leerverkauf stammen, etwa einen Total Return Swap. Das Verlustrisiko ist in beiden Fällen grundsätzlich gleich. Allerdings entstehen durch den Handel von synthetischen Wertschriften Gegenparteienrisiken. Das heißt, der Verkäufer der strukturierten Produkte, meist eine Investmentbank, kann ausfallen – Lehman Brothers lässt grüßen.

Eine kluge Regulierung sollte darauf abzielen, Gegenparteienrisiken zu beschränken, anstatt den Verkauf komplexerer, synthetischer Produkte zu fördern. Das Verbot physischer Leerverkäufe in der OGAW-Richtlinie führt dazu, dass Investmentbanken eine Vielzahl von OGAW-konformen Derivaten konstruieren. Dies führt zu neuen Gegenparteienrisiken. In den EU-Beratungen zur AIFM-Richtlinie wurden Regelungen zu Leerverkäufen bewusst verworfen. Zusätzlichen Regulierungsbedarf gibt es nicht, da die EU-Leerverkaufsverordnung bereits ungedeckte Leerverkäufe untersagt. Ein darüber hinausgehendes Verbot in Deutschland würde nur dazu führen, dass Marktteilnehmer verstärkt auf synthetische Leerverkäufe ausweichen oder ins Ausland abwandern. Zudem führt der deutsche Gesetzgeber aus unklaren Gründen Definitionen zu Hedgefonds und Dach-Hedgefonds ein, die die AIFM-Richtlinie nicht kennt.


„Brüssel“ trifft keine Schuld
Das Fazit lautet: Die deutsche Umsetzung der AIFM-Richtlinie ist überaus systematisch, aber leider grundfalsch. Offensichtlich hat der Gesetzgeber aus früheren Fehlern nichts gelernt. Über den EU-Pass werden in anderen EU-Mitgliedstaaten zugelassene AIF ohnehin in Deutschland vertrieben. Das Beispiel zeigt auch, dass Fehler, die reflexartig „Brüssel“ angelastet werden, oftmals auf das Konto der Gesetzgeber in den einzelnen Ländern gehen.

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*) Dr. Jan Viebig ist CEO & Head Alternative Investment der Harcourt Investment Consulting AG.