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Kommentar: Plattform-Modelle erobern die Finanzbranche

In der Finanzbranche etablieren sich zusehends moderne Plattformmodelle der dritten Generation – beispielsweise im Bereich der API-Plattformen, Lending, Payment, Personal Finance, Equity Financing, Retail und Krypto Investment. ECODYNAMICS unterstützt dabei Kunden, Veränderungen in den digitalen Märkten und Ecosystemen zu beherrschen und in diesen proaktiv und erfolgreich zu agieren. Ein Überblick.

Dr. Holger Schmidt (oben) und Hamidreza Hosseini

Seit einigen Jahren rücken Plattformgeschäftsmodelle wie Alphabet, Alibaba oder Netflix aufgrund ihrer Marktkapitalisierung und damit ihrer Marktmacht ins Licht der Öffentlichkeit. Sechs der zehn wertvollsten börsennotierten Unternehmen der Welt arbeiten inzwischen nach diesen Modellen. Die Plattformgeschäftsmodelle sind dabei, die ökonomischen Prinzipien sowie das Interaktions- und Kommunikationsverhalten der Märkte und der Unternehmen grundlegend zu ändern. Neben den Auswirkungen auf die Gesellschaft oder den Arbeitsmarkt rücken die Effekte der Plattformen auf Volkswirtschaft und Unternehmen in den Fokus.

Die ökonomischen und betriebswirtschaftlichen Effekte liegen vor allem in einer Änderung der Marktmechanismen, was in der Regel zu einer Verlagerung der Handelsplätze und damit auch des Kapitals führt. Das Ergebnis sind erhebliche Verschiebungen des Wohlstands, vor allem in die Länder der Plattformbetreiber wie die USA oder China. Denn mit jeder Transaktion fließt ein Teil der Transaktionssumme direkt in die Kassen der Plattformbetreiber.

Durch diese Verlagerung hat sich seit einigen Jahren neben den klassischen Marktmechanismen eine Marktmetastruktur der Plattformökonomie etabliert. Gut sichtbar ist dies bereits im Plattform-Index der 15 wichtigsten Plattform-Aktien, die sich als „Category-Winner“ in der Plattform-Welt durchsetzen könnten. Dieser Index wird seit August 2016 berechnet, hat seitdem 60% an Wert gewonnen und die Standard-Indizes DAX, Dow Jones und Nasdaq Composite klar geschlagen.

Die Ansätze hinter den Plattformmechanismen sind nicht ganz neu; die Forschung beschäftigt sich schon länger mit der Plattformökonomie. Forscher wie Jean Tirole, Marshall Van Alstyne, Geoffrey Parker, Peter C. Evans, Jean-Charles Rochet, Jean-Jacques Laffont, Thomas Eisenmann oder Sangeet P. Choudary haben die Erkenntnisse in den vergangenen Jahren aber spürbar weiterentwickelt. Der rasante Trend der Vereinfachung bei der Umsetzung der Anwendungen, Microservices, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle vereinfacht die Umsetzung der Plattformgeschäftsmodelle, so dass immer mehr netzökonomische Interaktionsmodelle entstehen.

Entscheidend sind die Unterschiede zu den klassischen linearen Geschäftsmodellen. Diese Modelle basieren in der Regel darauf, dass ein Anbieter ein Produkt oder einen Service direkt dem Kunden verkauft. Diese Modelle haben keinen direkten oder dynamischen Ecosystem-Einfluss und leiden unter einem starken Wettbewerb. Um sich gegen über dem Wettbewerb zu positionieren, sind hohe Investitionen in Produkt, Marktforschung, Kundenbedarfsanalyse und die Definition des Unique Selling Points notwendig. Im Windschatten dieser linearen Geschäftsmodelle, die weiterhin den Löwenanteil der gesamten Weltwirtschaft ausmachen, haben sich seit Ende der 1990er-Jahre drei Plattform-Generationen entwickelt, die immer größere Teile der Wertschöpfung absorbieren.

Die erste Generation der Plattformen waren die Marktplätze, die in dem Zeitraum 1995 bis 2006 existierten und weitestgehend gescheitert sind. Diese dienten lediglich als Multiplikatoren der linearen Geschäftsmodelle, ohne jegliche Intelligenz oder Ecosystemeffekte. Aus heutiger Sicht wurden allenfalls die Nachteile eines linearen Geschäftsmodells vervielfacht.

Die Share-Economy war im Zeitraum 2007-2013 die zweite Generation der Plattformen. Kennzeichnend hierfür ist vor allem die Fokussierung der Plattform auf die Bereitstellung der Interaktionen zwischen dem Anbieter und der Nachfrage, zwei- und mehrseitige Märkte und vor allem die Teilung von Kapazitäten und Fähigkeiten zwischen den beiden Seiten des Marktes. Die Akteure waren allerdings in einem vertikalen Umfeld begrenzt; Eco-Systeme konnten nur eingeschränkt aufgebaut werden. Weiterhin wurden die informationsökonomischen Aspekte wie Sammlung, Analyse und Monetarisierung von Informationen nur rudimentär genutzt. Aufgrund dieser Einschränkungen haben nicht alle Share-Economy-Modelle diese kurze „Epoche“ überlebt.

Seit 2014 etabliert sich die dritte Generation der Plattformökonomie. Einige Charakteristiken – zusätzlich zu den Eigenschaften der zweiten Generation – sind vor allem die vollständige Monetarisierung der Informationen entlang der informationsökonomischen Kriterien, die Analyse dynamischer Ecosysteme und die Ableitung neuer Ansätze für die Ausgestaltung der Ecosysteme und Netzwerkeffekte auf Basis komplementärer Allianzen. Durch die Nutzung von Informationsökonomie, dynamischen Ecosystemen und Allianzen existieren keine vertikalen Einschränkungen, womit horizontale, vertikale und laterale Diversifizierungen weitaus einfacher zu etablieren und pivotieren sind. Die Plattformen der dritten Generation sind damit in der Lage, neue Märkte zu modellieren und bestehende Mechanismen zu verändern und haben einen starken Fokus auf die Generierung von Netzwerkeffekten durch mehr Partner und ihre Kunden. Bei einigen Plattformen wird diese Strategie auf Basis einer Invertierung des Unternehmens oder der Services beschleunigt, etwa in Form einer konsequenten API-Strategie als Bestandteil der Unternehmensstrategie. Diese Elemente haben teilweise zu einer massiven Veränderung der Marktmechanismen geführt.

Die Plattformgeschäftsmodelle der dritten Generation definieren die grundlegenden Spielregeln der Ökonomie und Betriebswirtschaft neu. Dabei können auch kleine Plattformen durch intelligente Ecosystem-Interaktionen und -Netzwerkeffekte neue Märkte und Geschäftsmodelle entstehen lassen oder die Branche maßgeblich verändern. Einige interessante Beispiele sind Quovo, die derzeit das gesamte Finanzökosystem für Gründer auf einer Plattform vernetzt und Netzwerkeffekte generiert, Openfolio, die vollumfänglich die gesamten Interaktionen der Konsumenten mit einem Ecosystem vernetzt, Paydiant als Paypal-Tochter, das eine Plattform auf Basis der Paypal-Technologie als Wallet für die Unternehmen anbietet, und die SolarisBank, die derzeit als Plattform die Banking-Applikationen, Services und APIs für B2B anbietet.

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*) Hamidreza Hosseini ist Experte für Plattformökonomie & digitale Beratung, Startup-Gründer, Referent und Dozent an der WHU. Er verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Unternehmensberatung. Nach einer Weiterbildung am MIT & Y Combinator berät er Unternehmen seit 2013 in digitalen Fragen. 2016 gründete er die ECODYNAMICS GmbH, die seine Schwerpunkte in der Plattformökonomie und Digitalisierung mit der Strategieerstellung, Konzeption, Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen für Markteintritt, Traktion und Wachstum verbindet. Dr. Holger Schmidt beobachtet die digitale Ökonomie seit zwei Jahrzehnten. Zuerst als Journalist, darunter 15 Jahre als Wirtschaftsredakteur der F.A.Z, inzwischen als Keynote-Speaker, Dozent an der TU Darmstadt und Kolumnist für das Handelsblatt. Als Senior Partner der ECODYNAMICS GmbH baut er Plattform-Geschäftsmodelle auf. Sein Blog Netzökonom gehört seit vielen Jahren zu den meistgelesenen Publikationen der digitalen Ökonomie.

Der Fokus von ECODYNAMICS liegt darauf, Unternehmen zu unterstützen, wie sie die Veränderungen in den digitalen Märkten und Ecosystemen beherrschen und in diesen proaktiv und erfolgreich agieren können. Neben der Umsetzung von Plattformgeschäftsmodellen und Digitalisierungsprojekten liegt der Schwerpunkt bei den digitalen Geschäftsmodellen auf Marktangang, Traktion und Wachstum.