Die Fortschritte der gestiegenen Kreditwürdigkeit europäischer Großbanken resultieren primär aus der besseren Kreditqualität, die die moderate wirtschaftliche Entwicklung der meisten Länder widerspiegelt. Sie schlägt sich in niedrigeren Risikokosten und der materiellen Auflösung von Risikovorsorgebeständen nieder. Aber auch erhöhte Kapitalquoten fallen ins Gewicht. Die Studie belegt, dass die Rangordnung in der europäischen Bankenlandschaft stabil bleibt. Substanzielle Unterschiede zwischen stärkeren respektive schwächeren Volkswirtschaften und Banken haben sich verfestigt.
Allgemein belasten tiefe Zinsen und die Zurückhaltung von Kunden in der Vermögensverwaltung und im Kapitalmarktgeschäft die Ergebnisse, den Kapitalaufbau und den Unternehmenswert der Banken sehr. Die massiven Problemkredite italienischer Banken sind, neben den strukturellen Mängeln Frankreichs und Italiens, das wichtigste Hindernis für die Gesundung der europäischen Wirtschaft sowie Banken. Sie sind zudem entscheidend für die Glaubwürdigkeit der europäischen Bankenaufsicht. Aus unserer Sicht zeichnet sich noch keine überzeugende Lösung ab und Investoren sollten diese Entwicklungen bei ihren Anlageentscheidungen im Blick haben.
Zwei schwedische Banken mit Rating AA-
Von den 34 ausgewerteten Banken stellt Deutschland das Gros mit acht Instituten dar, gefolgt von Großbritannien mit fünf Banken und Frankreich sowie Schweden mit jeweils vier. Die weiteren Banken stammen aus den Niederlanden (drei), aus der Schweiz, Österreich, Italien und Spanien (je zwei) sowie Dänemark und Norwegen. Aufgrund von mehr als 30 Bewertungsfaktoren wurde die fundamentale Stärke jedes einzelnen Instituts evaluiert. Im Anschluss wurden die Banken einem umfassenden Stresstest unterzogen und mögliche Auswirkungen von regulatorischen Eingriffen sowie Marktveränderungen untersucht.
Daraus ergibt sich eine breite Spanne der Bonitätseinschätzungen von AA- bis BB+. Swedbank und Svenska Handelsbanken aus Schweden bleiben unverändert bei AA-, während mit der italienischen Unicredit SpA und deren Bewertung BB+ auch in dieser Studie nur ein Institut im Bereich ‚Non Investmentgrade‘ eingestuft wurde. Die leichte Stabilisierung im Bankenmarkt hat drei Upgrades um jeweils eine Stufe und lediglich ein Downgrade bei Standard Chartered von BBB+ auf BBB zur Folge. Schweizer Institute bleiben solide bewertet, während sich in Deutschland ein heterogenes Bild zeigt und die österreichische Raiffeisen Bank International sowie Erste Group unverändert weit hinten in der Rangliste zu finden sind.
Das Ergebnis der österreichischen Banken ist auch eine Folge des I-CV-Stresstests, der den Kapitalbedarf ermittelt hat unter Annahme bestimmter Modell-Parameter. Hier kommt der gespaltene europäische Bankenmarkt besonders zu Tage. In der Schweiz und in Nordeuropa sehen wir einen geringen zusätzlichen Kapitalbedarf. Dagegen wäre bei Eintritt des Stressszenarios in Südeuropa, in Österreich und zum Teil auch in Frankreich ein enormer Kapitalbedarf vorhanden. In Südeuropa würde der Kapitalbedarf 129 Prozent der aktuellen Marktkapitalisierung betragen und in Österreich immerhin noch 99 Prozent. Insofern sind die Bonitäten der Banken dieser Staaten bereits durch diese Fakten abgestraft worden. Eine Erkenntnis des Stresstests lautet: höhere Kapitalanforderungen lösen die strukturellen Probleme einzelner Banken (-systeme) nicht, sondern erhöhen unter Umständen das Risiko für ihre Gläubiger (Stichwort Bail-in). Es ist also definitiv nicht für alle Banken Licht am Ende des Tunnels.
Vorsichtiges Vorgehen bei Anlagen in Schuldverschreibungen europäischer Banken
Analog zu den Ergebnissen in 2015 erwarten wir für 2016/2017 insgesamt eine leicht positive Entwicklung der intrinsischen Bonität der Banken auf befriedigendem Niveau. Fortschritte dürften erzielt werden dank besserer Kreditqualität (wirtschaftliche Entwicklung) und niedrigen Risikokosten. Und der regulatorische Druck zur Umsetzung von Basel III führt zu höheren Kapitalquoten. Doch angesichts der signifikanten wirtschaftlichen und politischen Unwägbarkeiten in Europa und den vielfach nur mit Mühe zu bewältigenden regulatorischen Anforderungen empfehlen wir weiterhin ein vorsichtiges und selektives Vorgehen bei Anlagen in Schuldverschreibungen europäischer Banken.
Wir bevorzugen weiterhin Banken mit einfachem, nachvollziehbarem und robustem Geschäftsmodell und gut diversifizierten Aktiva, Passiva und Erträgen. Zu vermeiden beziehungsweise unterzugewichten sind generell Banken mit problematischen Geschäftsmodellen (zum Beispiel bezüglich Komplexität, Transparenz, Anfälligkeit für Tail-Risiken aus Kapitalmarkt oder Kreditgeschäft), unvorteilhaftem Refinanzierungsprofil (etwa große bevorrechtigte Gläubigergruppen, Übergewicht institutioneller und/oder ausländischer Gläubiger) oder qualitativ und quantitativ schlechtem Eigenkapital. Aufgrund der bonitätsbereinigt unzureichenden Risikoprämien halten wir Engagements bei bonitätsschwachen Banken für unattraktiv. Generell empfehlen wir daher, die Duration von Anlagen in Anleihen europäischer Banken kurz zu halten beziehungsweise zu verkürzen.
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*) Christian Fischer ist seit 2009 Partner der Independent Credit View AG (I-CV). Der ausgewiesene Betriebsökonom hat im Jahre 2008 das MAS Corporate Finance erfolgreich abgeschlossen und ist Hauptautor der Bankenstudie. I-CV berät seit zehn Jahren institutionelle Investoren bei Anlagen in Kreditinstrumente und dies konsequent nach dem Investor-Pay Ansatz. Die Analysen der Experten mündet in einem I-CV Rating und einer Relative Value Empfehlung.
Kommentar: Nicht für alle europäischen Banken Licht am Ende des Tunnels

Christian Fischer