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Kommentar: Der US-Verbraucher – schwer zu überbieten

Kommentar von Ad van Tiggelen, Senior Strategist, ING Investment Management, zur Rolle der US-Verbraucher für die globale Weltwirtschaft und der künftigen Bedeutung von US-Arbeitsmarktdaten.

 

Als nüchterner holländischer Investor staune ich immer wieder über den US-Verbraucher. Nahezu 30% des weltweiten Konsums entfallen auf den amerikanischen Verbraucher. Damit ist er eine weltwirtschaftliche Größe, die man nicht ignorieren darf.

Bisher wurde der Drang der Amerikaner, jeden eingenommenen Dollar gleich wieder auszugeben und diese Konsumfreude auch mit Krediten zu befriedigen, unterschätzt. Vielleicht ist das genetisch bedingt, jedenfalls legen europäische und japanische Verbraucher weitaus größere Zurückhaltung an den Tag.

Eigentlich sollten wir dem amerikanischen Verbraucher dankbar sein. Schließlich hätte der Einbruch der Weltwirtschaftskonjunktur in 2001/2002 ohne den US-Verbraucher sehr viel schwerwiegendere Folgen gehabt. Ab 2003 fungierte der amerikanische Verbraucher dann als Motor der Weltwirtschaft. Der Rest der Welt gewann dadurch Zeit für eine breit angelegte Erholung.

Die Sparquote der Amerikaner ist bekanntlich negativ: Sie geben mehr aus, als sie verdienen. Dieses Loch muss ständig gestopft werden. Das heißt konkret: In den zwölf Monaten bis zum März 2007 betrug die Finanzierungslücke rund 680 Mrd. USD, das entspricht 7% des verfügbaren Einkommens der amerikanischen Privathaushalte. Bislang konnte dieser Trend durch den starken Anstieg der Immobilienwerte kompensiert werden. Der daraus resultierende Vermögensüberhang wurde zur Finanzierung des Cashflow-Defizits genutzt.

In den letzten Jahren wurde dieses Defizit durch Hypothekenkreditaufnahmen auf das Eigenheim, das heißt. den Abzug nicht realisierter Kapitalgewinne, gedeckt. So wurden zusätzliche Hypotheken in Höhe von über 2 Bio. USD aufgenommen, um Modernisierungen durchzuführen, Kreditkartenausgaben abzuzahlen oder Neuanschaffungen wie einen neuen Wagen zu tätigen. Dies war nur dank der enorm gestiegenen Immobilienpreise möglich. Inzwischen sind die Immobilienpreise jedoch insgesamt rückläufig. Macht sich das bereits im Verbraucherverhalten bemerkbar? Die Antwort ist „Nein“!

Stattdessen verkaufen die Amerikaner jetzt ihre Wertpapiere (hauptsächlich Aktien), um das Manko auszugleichen. Diese Aktien werden eifrig von US-Unternehmen aufgekauft. Entsprechend ist das Verhältnis zwischen Aktienemissionen und Aktienrückkäufen in den letzten vier Quartalen ins Negative (minus 400 Mrd. USD) gerutscht.

Damit bietet die erneute Aufnahme von Fremdmitteln durch US-Unternehmen, deren Bilanzen dank boomender Gewinne ansehnliche Reserven aufweisen, einen willkommenen Ausweg für den Verbraucher. Wirtschaftlich sinnvolle Maßnahmen – wie z. B. „Sparen“ – werden damit wiederum aufgeschoben.

Aber wie lange kann das noch weitergehen? Wahrscheinlich so lange, wie ein stabiler Arbeitsmarkt für einen stetigen und zuverlässigen Einnahmestrom sorgt. Insofern sollte man die Arbeitsmarktzahlen im Auge behalten. Diese Statistiken geben wertvolle Hinweise auf den künftigen Konjunkturverlauf in den USA und sogar auf globaler Ebene.