Zugleich haben die Finanzaufseher dem externen Druck nachgegeben und greifen zunehmend in unser Geschäftsfeld ein. Wenn wir uns jetzt nicht selbst reformieren, können wir mit Gewissheit erwarten, dass sie es tun werden – und dies durch Vorgaben, die in Teilen invasiv, negativ und disruptiv sein mögen oder unerwünschte Konsequenzen mit sich bringen könnten.
Durch Professionalität überzeugen
Machen wir uns nichts vor: Die Auswirkungen der globalen Finanzkrise sind auch heute noch weithin spürbar. Unser Image in der breiten Bevölkerung ist beschädigt. Nach wie vor werden milliardenschwere Bußgelder gegen die großen Finanzdienstleister verhängt und in Film und Fernsehen sind negative Darstellungen unserer Zunft weiterhin sehr präsent.
Aktuell wird prognostiziert, dass in den kommenden Jahren global eine neue Mittelschicht von circa einer Milliarde Menschen entstehen wird. Menschen also, die in ausreichenden finanziellen Komfort aufsteigen, um sich über ihre Spar- und Anlagepläne Gedanken zu machen. Doch statt diesem Boom freudig entgegenzublicken, müssen wir diesen potenziellen Kunden erst einmal beweisen, dass wir Investmentexperten zu ihrem Nutzen und Vorteil arbeiten.
Den Weg verloren
Unser Argument muss Professionalität sein. Das bedeutet die Förderung und Etablierung höchster Standards an Ausbildung, Kompetenz und beruflichem Ethos. Denn Anleger haben das Recht, von Berufsträgern beraten zu werden, die als wahre Treuhänder ihrer Ersparnisse agieren. Aktuell wendet die Investmentbranche nur sehr wenige Ressourcen für Weiterbildung und Training auf. Und als Konsequenz sind die Standards bedrohlich gesunken. Wenn wir als Berufsstand dauerhaft respektiert und wertgeschätzt sein wollen, dürfen wir nicht an der Talentförderung sparen.
Wir haben unseren Weg verloren: Weltweit legt unsere Branche mehr Wert darauf, Produkte statt Beratung zu verkaufen – eben die Dienstleistung, mit der wir Anlegern den wahren Mehrwert liefern, indem wir ihnen helfen, ihre Investmentziele bei angemessenem Risiko zu verwirklichen. Mehr noch: Wir verurteilen uns selbst zum Scheitern, indem wir das auf Dauer Unmögliche bewerben. In jedem Quartal aufs Neue die vorherige Benchmark zu übertreffen. Anstelle kurzfristiger Erträge müssen wir die langfristigen Investmentergebnisse unserer Kunden wieder in den Mittelpunkt rücken.
Aufspaltung der Branche
Meine Vermutung ist, dass unsere Branche sich auf Dauer in drei Bereiche unterteilen wird:
1. Kostengünstige Produktanbieter
2. Hochpreisige Produktanbieter wie etwa Hedgefonds, Small Cap- und Private Equity-Gesellschaften
3. „Lösungsanbieter“, beispielsweise Anlageberater, die individuell zugeschnittene Beratung auf Basis der ersten zwei Kategorien anbieten
Lösungsanbieter dürften hier eine starke Position einnehmen, denn im Allgemeinen werden sie eine offenere Produktpalette anbieten, die sowohl institutionelle Investoren als auch Privatanleger anspricht. Wenn sie den Bedürfnissen ihrer Kunden Aufmerksamkeit und Zeit widmen, wird es diesen Dienstleistern gelingen, ihr Geschäft gegenüber Robo-Advisors und den sonstigen kostengünstigeren Wettbewerbern zu verteidigen.
Einfach wird das nicht. Kunden sträuben sich dagegen, Beratungshonorare zu zahlen. Auch Gewinnmargen könnten schrumpfen. Wir treten jetzt in eine Marktphase ein, in der die (in undurchsichtigen Produkten versteckten) Rekord-Margen der vergangenen Jahrzehnte nicht länger gehalten werden können. Besser wäre es, frühzeitig auf den Wandel zu reagieren und sich anzupassen, anstatt verspätet festzustellen, dass das eigene Geschäftsmodell bei Kunden und Regulatoren gleichermaßen in Ungnade gefallen ist.
Im diesem, noch neuen, Jahr müssen wir uns selbst daran erinnern, dass ein nachhaltig erfolgreiches Geschäft auf zufriedenen Kunden aufbaut. Kundenzufriedenheit ist das Produkt aus fairen Geschäftspraktiken sowie gut ausgebildeten, ethisch und professionell agierenden Mitarbeitern. Haben wir den Mut, diesen Wandel zu vollziehen? Wenn wir uns diese Frage stellen, sollten wir auch fragen: Wie können wir erwarten, dass Kunden uns ihr Vertrauen wieder schenken, wenn wir uns nicht zunächst selbst mehr fordern?
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*) Paul Smith, CFA, ist CEO und Präsident des CFA Institute.
Kommentar: Den Anlegern einen wahren Mehrwert bieten

Paul Smith*