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Kommentar: Das Wiedererstarken des Multilateralismus

In diesem Jahr dürfte sich das erneute Aufleben des Multilateralismus fortsetzen, angetrieben durch den US-Präsidenten Joe Biden und regionale Handelsabkommen wie das Comprehensive and Progressive Agreement for Trans-Pacific Partnership (CPTPP) und die Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP). Obwohl klar ist, dass Chinas Neuausrichtung weniger Unterstützung für rohstoffexportierende Schwellenländer bedeuten wird als in der Vergangenheit, gibt es dennoch einen Silberstreif am Horizont, der den Schwellenländern über drei Kanäle Rückenwind geben könnte.

Dhiraj Bajaj

Erhöhte politische Berechenbarkeit der USA verringert die Tail-Risiken am Markt
Die Wahl Bidens zum Präsidenten dürfte einen strukturellen Wandel im Verhältnis der USA zu einer Reihe von Schwellenländern markieren. Im Gegensatz zu Trumps Ansatz der bilateralen Beziehungen mit bestimmten Staatsoberhäuptern erwarten wir, dass Biden einen eher multilateralen Ansatz verfolgen wird, bei dem die Zusammenarbeit mit Europa und internationalen Institutionen wie der NATO im Mittelpunkt stehen wird.

In Bezug auf China erwarten wir, dass Bidens Herangehensweise weniger radikal und berechenbarer sein wird, was das Risiko von Kollisionen verringert. Die neue US-Regierung dürfte die Beziehungen zu ihren Verbündeten stärken und über multilaterale Institutionen wie die WTO darauf drängen, den Vorteil chinesischer Staatsunternehmen zu beschneiden und gleichzeitig Chinas Zugang zu fortschrittlicher Technologie weiter einzuschränken. Wir gehen jedoch von einer stärkeren Koordination bei gleichgerichteten Zielen, wie etwa dem Klimawandel, aus.

Verbesserung der strukturellen Wachstumsaussichten
Die intensivere regionale Integration durch die Regional Comprehensive Economic Partnership und zukünftige Abkommen könnte die strukturellen Wachstumsaussichten für Volkswirtschaften mit Schwerpunkt auf dem verarbeitenden Gewerbe verbessern.

RCEP ist das größte Handelsabkommen der Welt, seine 15 Mitgliedsländer stehen für 30% des weltweiten BIP und 65% des globalen Wachstums. Das Abkommen ist zum jetzigen Zeitpunkt recht oberflächlich und sagt sehr wenig über geistiges Eigentum, Arbeit, Umwelt oder staatliche Unternehmen aus. Außerdem werden die Vorteile wohl nur allmählich zum Tragen kommen, da die Ratifizierung durch die Mitgliedsländer bis zu zwei Jahre dauern könnte. Das RCEP ist gleichwohl der Schlüssel zu möglichen Wachstumsperspektiven, da es das Potenzial hat, Lieferkettenverknüpfungen durch standardisierte Ursprungsregeln zu regionalisieren.

Mittelfristig würde dies Anreize für eine Produktion nach komparativen Vorteilen und Spezialisierung schaffen und könnte höhere Produktivitätsgewinne und Wachstum freisetzen. Langfristig dürften die ASEAN-Länder durch einen höheren Güterverkehr und ausländische Direktinvestitionen stärker profitieren, während japanische und koreanische Unternehmen ihre Investitionen erhöhen könnten, um die anstehenden Effizienzgewinne zu nutzen. Das Peterson Institute for International Economics prognostiziert, dass dieses Abkommen Korea und Japan bis 2030 einen jährlichen BIP-Zuwachs von über 1% bescheren wird.

Darüber hinaus ist dieses Abkommen ein wichtiger erster Schritt zur Verbesserung der regionalen Integration und stellt einen wichtigen Durchbruch in den Handelsbeziehungen zwischen China und Japan dar. Dies könnte die trilateralen Verhandlungen über das Freihandelsabkommen zwischen China, Korea und Japan beschleunigen und China dabei helfen, die Risiken der „Slowbalisation“ zu mindern sowie seinen Vorteil in den globalen Lieferketten länger aufrechtzuerhalten.

Das Comprehensive and Progressive Agreement for Trans-Pacific Partnership ist im Gegensatz zur RCEP weiter fortgeschritten, was den Grad der Handelsliberalisierung und die Standardisierung der Regeln zwischen den teilnehmenden Ländern angeht. Während es unwahrscheinlich ist, dass China (erhebliche Reform staatlicher Unternehmen erforderlich) oder die USA (interne politische Opposition) dem CPTPP beitreten werden, könnte die erfolgreiche Ratifizierung des RCEP in den kommenden Jahren einen positiven Impuls dafür geben.

Potenzial für multilaterale Unterstützung der Grenzwirtschaften durch einen gestärkten IWF, offizielle Entwicklungshilfe (ODA) aus den USA und weitere G20-Koordination
Als Reaktion auf die Covid-19-Krise sind multilaterale Organisationen wie der IWF und die Weltbank eingesprungen, um die ärmsten Länder zu unterstützen. Der IWF bot über seine Programme „Rapid Credit Facility“ und „Rapid Financing Instrument“ eine Notfinanzierung ohne Bedingungen an, während die G20 das Schuldenmoratorium für bilaterale Schulden bis in das Halbjahr 2021 verlängert hat. Perspektivisch zeichnet sich eine zunehmende Unterstützung dafür ab, weitere Zuteilungen von Sonderziehungsrechten durch den IWF an alle Länder zu ermöglichen. Diese werden insbesondere den Schwellenländern mit begrenzten Devisenreserven im aktuellen Umfeld helfen und wären zweifellos positiv für die Länder Subsahara-Afrikas.

Fazit
Trotz dieser ermutigenden Entwicklungen sind wir in dieser Hinsicht jedoch nicht allzu optimistisch, da sich bisher alle Hilfen auf die Liquiditätsseite bezogen haben, ohne eine Lösung für die Schuldentragfähigkeit zu bieten. Mit der Überwindung der Krise wird die Notwendigkeit dringender werden, diese Länder wieder auf eine nachhaltige Basis zu stellen. Der IWF und die G20 werden voraussichtlich eine Form der Lastenteilung vom Privatsektor verlangen, um eine gesunde Erholung in diesen Ländern zu unterstützen. Infolgedessen bleiben wir bei Anleihen aus den Schwellenländern in unserem Bereich vorsichtig.


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*) Dhiraj Bajaj, Head of Asia Fixed Income, Lombard Odier Investment Managers