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Kommentar: Asiens einmalige Chance, Wachstum und Klimaschutz zu verbinden

Asien steht nicht nur für 60% der Weltbevölkerung und das schnellste Wachstum der Welt, sondern inzwischen auch für 50% der globalen Treibhausgasemissionen. Der wirtschaftliche Entwicklungsbedarf ist gewaltig. Allein die Entwicklungsländer benötigen bis 2030 jährlich 1,7 Billionen Dollar an Investitionen in ihre Infrastruktur, schätzt die Asian Development Bank. Gleichzeitig steht Asien vor einer gigantischen Herausforderung bei der Energiewende: Die Region ist in erster Linie abhängig von Kohle; etwa 85% der Energie stammt aus fossilen Brennstoffen. Die Energienachfrage wird aufgrund der Urbanisierung und des Bevölkerungswachstums weiter steigen. Erneuerbare Energien sind dabei der Schlüssel für den Übergang zu grüner und sicherer Energie. Aber auch fossile Brennstoffe werden auf absehbare Zeit weiter genutzt werden.

Timothée Jaulin

Die Investitionen in saubere Energien in Asien müssen gemäß einer Amundi-Studie bis 2050 um mehr als das Siebenfache auf über 1 Billion US-Dollar steigen, um den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 °C zu begrenzen und die Treibhausgasemissionen bis 2050 auf Null zu reduzieren. Der Finanzierungsbedarf ist also gewaltig. Den meisten Marktteilnehmern ist klar: Die weltweite Energiewende wird nur dann erfolgreich sein, wenn sie auch in den Schwellenländern erfolgreich ist. Asien hat die einmalige Chance, seine Wirtschaft auf der Grundlage erneuerbarer Energieressourcen zu entwickeln und gleichzeitig seine Ziele in Bezug auf Energiesicherheit, Zuverlässigkeit und Erschwinglichkeit zu erreichen: Es könnte den Anteil an erneuerbaren Energien von 19% im Jahr 2018 auf 65% im Jahr 2050 erhöhen und dabei seine CO2-Emissionen um 75% reduzieren, gemäß des Reports 2022 der International Renewable Energy Agency.

Mischfinanzierung aus privatem und öffentlichem Kapital
Öffentliche Investitionen spielen hierbei eine wichtige Rolle, aber sie werden nicht ausreichen. Initiativen des öffentlichen Sektors ziehen privates Kapital an, wie dies bei den Just Energy Transition Partnerships mit Indonesien auf der Klimakonferenz COP27 beispielhaft gezeigt wurde. Mischfinanzierungen und Partnerschaften zwischen öffentlichen und privaten Investoren sind ein wirksames Instrument, um Investments in nachhaltige Projekte zu lenken. Das wird von der OECD als „strategischer Einsatz von Entwicklungsfinanzierung zur Mobilisierung zusätzlicher Finanzmittel für die nachhaltige Entwicklung in Entwicklungsländern“ definiert und ermöglicht es, Risiken zu verringern und gleichzeitig finanzielle Erträge für Investoren zu erzielen. Diese innovativen Finanzmechanismen werden vor allem in den Schwellenländern benötigt, wo die Risiken sehr vielschichtig und für Investoren schwer zu analysieren sind, so dass sie diese häufig überschätzen und überbewerten.

Internationale institutionelle Investoren sind zunehmend präsent
Institutionelle Investoren haben Asien für sich entdeckt. Die Umstellung auf verantwortungsbewusstes Investieren ist dabei auf zwei Hauptfaktoren zurückzuführen: regulatorischer Druck und eine erhöhte Nachfrage. Schließlich besteht ein großer Bedarf an der Integration von ESG-Risiken, da Asien eine Region ist, die unverhältnismäßig stark von den negativen Auswirkungen des Klimawandels betroffen ist und eine sozialverträgliche Umstellung dringend benötigt. Auch wenn die Regelungen zum Klimaschutz in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich sind, gibt es einen Trend von der freiwilligen Einhaltung hin zu einer verpflichtenden Offenlegung.



China und Hongkong regulieren immer mehr
Einige Länder arbeiten intensiv an der Angleichung an internationale Standards und an der Verbesserung der Offenlegung von Informationen zur Nachhaltigkeit von Unternehmen, um Kapitalflüsse in verantwortungsvolle Aktivitäten zu fördern. So hat China Grundsätze für grüne Anleihen eingeführt, bei denen die Emittenten 100% der Erträge für grüne Projekte verwenden müssen, die entweder auf dem Green Bond Endorsed Projects Catalogue, der Common Ground Taxonomy oder der EU-Taxonomie basieren.

Hongkong hat 2020 die Greater Bay Area Green Finance Alliance (GBA-GFA) gegründet. Ziel der Allianz ist der Austausch und die Nutzung von Synergien sowie die Förderung und Mobilisierung von Ressourcen, um Innovationen im Bereich grüner Finanzierung in der Greater Bay Area weiter voranzutreiben. Hongkong wird wohl weiter als Finanztor zwischen der Volksrepublik China und dem Rest der Welt fungieren, weil es verantwortungsvolle Investitionsstandards und Zertifizierungen in der Region fördert und grüne Investitionen über die Grenze hinweg erleichtert.

In Indien regiert noch die Freiwilligkeit
In Indien hingegen scheinen verantwortungsbewusste Investitionen eher auf freiwilliger Basis von Vermögensverwaltern, die ESG-Fonds auflegen, als von Unternehmen oder staatlich vorangetrieben zu werden. Die indische Wertpapier- und Börsenaufsichtsbehörde erörtert jedoch bereits Möglichkeiten zur Verbesserung der Integration verantwortungsbewusster Investitionen und zur Einführung passender Fonds (thematische Fonds, Ausschluss, Best-in-Class). Sie könnte in den nächsten zwei Jahren detaillierte politische Leitlinien vorlegen.

Die Finanzaufsichtsbehörde von Südkorea bereitet derzeit spezifische Umsetzungsmaßnahmen für die obligatorische Offenlegung von ESG-Informationen, die Analyse von Klimarisikoszenarien und die praktische Anwendung der koreanischen Taxonomie vor. Mit der Ausweitung verantwortungsbewusster Investitionen wächst auch die Besorgnis über Greenwashing-Vorwürfe. Die Finanzinstitute werden aufgefordert, die Messung und Offenlegung der ESG-Leistung zu verstärken.



Malaysia baut auf die Religion
Malaysia geht dagegen einen anderen Weg. Das Land ist ein führendes Zentrum für islamische Finanzierung in der Region. Es ist weniger an Umwelt- als an glaubensbasierten Investitionen interessiert, einer speziellen Art von verantwortungsbewussten Investitionen, die diese mit religiösen Überzeugungen und Werten in Einklang bringen. S&P prognostiziert, dass der islamische Bankenmarkt in Südostasien in den nächsten drei Jahren eine jährliche Wachstumsrate von rund 8% erreichen wird. Aber auch Malaysia bekennt sich zum Netto Null-Ziel bis 2050.

Der Wille, die Chance zu nutzen, ist da
Die Ausweitung verantwortungsbewusster Investitionen stellt für Asien eine große Chance dar. Die Anleger in Asien engagieren sich seit einigen Jahren immer mehr für ESG-Themen: Die Besorgnis über globale ökologische und soziale Probleme und die Verfügbarkeit verantwortungsbewusster Anlagelösungen haben sich sozusagen angenähert. Laut einer Umfrage von Amundi Singapur sind Umwelt- und Sozialbelange vor allem bei der jüngeren Generation ausschlaggebend für die Kapitalallokation und haben höchste Priorität.

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*) Timothée Jaulin, Head of ESG Development & Advocacy, Special Operations bei Amundi