Doch selbst bei denjenigen Sparern, die vorsorgen – entweder neben der gesetzlichen Rentenversicherung oder nur privat – ist Vorsicht angebracht. Denn die Institutionen der Altersvorsorge – privat wie öffentlich – haben erhebliche Schwierigkeiten, die Leistungsversprechen an ihre Kunden durch eine entsprechende Performance im Asset Management zu erwirtschaften und zu halten. Besonders deutlich wird das am Beispiel der Lebensversicherer in Deutschland: Der Garantiezins für Neuverträge in der Lebensversicherung wurde seit Mitte der Neunziger Jahre von 4% auf aktuell 1,75% gesenkt. Die Bundesregierung hat zudem Mitte dieses Jahres beschlossen, den Garantiezins ab Anfang 2015 weiter auf 1,25% senken zu wollen. Betroffen sind allerdings bei weitem nicht nur die Lebensversicherer. Auch Pensionskassen, Versorgungswerke und Versicherungen tun sich im Anlagegeschäft schwer. Viele Einrichtungen schaffen es kaum, ihren internen Rechnungszins – derzeit etwa 4% – zu erreichen.
Anlagenotstand: Vielfältige Hintergründe
Für den Anlagenotstand vieler institutioneller Investoren gibt es verschiedene Ursachen. Speziell für die Altersvorsorgeeinrichtungen lassen sich jedoch drei wesentliche Faktoren ausmachen:
*Das Niedrigzinsumfeld
*Das beschränkte Anlageuniversum
*Die demographische Entwicklung
Der schwerwiegendste Faktor dabei ist derzeit das Niedrigzinsumfeld. Nach der Insolvenz der Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 und den anschließenden dramatischen Verwerfungen an den internationalen Kapitalmärkten hatten die wichtigsten Notenbanken ihre Leitzinsen drastisch gesenkt. Mit dieser Maßnahme sollten Kapitalmarkt und Konjunktur gestützt sowie die Funktion des Interbankenmarkts wiederhergestellt werden. In mehreren Schritten fuhr beispielsweise die US-amerikanische Federal Reserve (FED) ihren Leitzins von 2,0% auf aktuell 0,25% zurück, die Europäische Zentralbank (EZB) von 4,25% auf derzeit 0,05%. Parallel stellte die FED den Kapitalmärkten über das so genannte „Quantitative Easing“ – den Kauf von Anleihen – zusätzliche Liquidität zu Verfügung.
Insbesondere die Zinssenkung trifft die Altersvorsorgebranche, da ihre Möglichkeiten im Asset Management beschränkt sind. Denn Altersvorsorgeeinrichtungen sind stark auf festverzinsliche Wertpapiere – besonders Staats- und Unternehmensanleihen – angewiesen. So halten Versicherungen etwa 80%, Pensionsfonds etwa 56% ihres Vermögens in Rentenwerten. Um konstante und planbare Cash Flows zur Bedienung ihrer Kundenansprüche erwirtschaften zu können, sind die regelmäßigen, in der Regel jährlichen Kuponzahlungen aus Anleihen ideal. Allerdings sind die Altersvorsorgeeinrichtungen dazu angehalten, in Anleihen hoher Bonität zu investieren – deren Kupons und Renditen ohnehin nicht fürstlich sind. Vor dem Hintergrund des Niedrigzinsumfelds sinken die Renditen insbesondere der Staatsanleihen zudem noch deutlich ab. Im Jahr 2014 erreichten etwa die 10-jährigen „Bunds“ zeitweise ein Zehnjahrestief mit Renditen von nahe 1%.
Neben dem Niedrigzinsumfeld kommen die strengen regulatorischen Bestimmungen des Kapitalanlagegesetzbuches (KAGB) sowie aufsichtsrechtliche Regelungen wie Solvency II hinzu. Asset Manager wie Versicherungen dürfen ertragsstärkere, aber riskantere Assetklassen wie Aktien nur zu einem bestimmten Anteil in ihr Portfolio beimischen. Und selbst diese Anteile sind für einige Unternehmen in der Branche schwer zu erreichen, da die Solvency II-Regelungen strikte Anforderungen an die Eigenkapitalunterlegung stellen. Selbst wenn eine Versicherung ihren Anteil an ertragsstärkeren Assets ausbauen wollte, scheitert dies häufig an den Eigenkapitalvorschriften.
Eine weitere Herausforderung für die Altersvorsorgeeinrichtungen liegt im demographischen Wandel begründet. In seiner letzten Bevölkerungsvorausberechnung prognostizierte das Statistische Bundesamt (Destatis) einen Rückgang der Bevölkerung in Deutschland von 82 Millionen im Jahr 2008 auf 60 bis 70 Millionen im Jahr 2060. Da sich gleichzeitig die Altersstruktur deutlich verändert – tendenziell wird die Bevölkerung immer älter bei einer gleichzeitig niedrigen Geburtenzahl – werden die Ansprüche gegenüber den Altersvorsorgeeinrichtungen in Zukunft steigen. Dieser Effekt wird nun spürbar, da die so genannte „Baby Boomer“-Generation – die Geburtenjahrgänge zwischen 1955 und 1969 – ins Rentenalter kommt.
Auch DAX-Konzerne betroffen
Die Altersvorsorge-Thematik umfasst in ihrer Tragweite die gesamte Industrie in Deutschland, und damit auch die Blue Chip-Unternehmen. Die Pensionsverpflichtungen der DAX-Konzerne belaufen sich derzeit auf 300 Mrd. Euro und könnten auf bis zu 450 Mrd. Euro bis zum Jahr 2020 ansteigen. Stand heute sind ihre Pensionskassen mit einem Deckungsgrad der Pensionsverpflichtungen von 66% noch relativ komfortabel finanziert. Es ist jedoch davon auszugehen, dass ein Großteil der Pensionseinrichtungen der DAX-Konzerne auch aufgrund der oben genannten Punkte ihren internen Rechnungszins zurücknehmen muss – vorausgesetzt, das Niedrigzinsumfeld hält weiterhin an. Bis 2020 könnte der Deckungsgrad ihrer Pensionsverpflichtungen daher auf bis zu 50% zurückgehen. Das wird voraussichtlich Auswirkungen auf die Beitragszahler und Pensionsanwärter haben. Die Beiträge dürften steigen und zukünftige Leistungen gekürzt werden.
Alternative Investments erlangen zunehmend an Bedeutung
Um das Dilemma des Anlagenotstands zu lösen, muss die Branche neue Wege beschreiten – sprich, neue Anlageklassen erschließen. Die Maßgaben der Altersvorsorgeeinrichtungen an Liquidität, Rendite und Wertstabilität werden anders nicht ein Einklang zu bringen sein.
Ein zunehmend wichtiger Ertragsbringer für institutionelle Investoren wie Altersvorsorgeeinrichtungen ist der Bereich Alternative Investments, wie zum Beispiel Absolute Return- oder Multi Asset-Strategien. Einer Studie von McKinsey zufolge hat sich seit dem Jahr 2005 das Gesamtvolumen der Alternative Investments weltweit auf 7,2 Bio. Euro verdoppelt. Die Studienautoren erwarten für die kommenden fünf Jahre ein Marktwachstum von jeweils 5%. Das ist doppelt so schnell, wie die gesamte Asset Management-Industrie wächst. Bis 2020 sollen Alternative Investments einen Anteil von 25% an den verwalteten Vermögen haben – aber bereits 40% der Erträge stellen. Heute liegen die Werte bei zwölf (Anteil an verwalteten Vermögen) respektive 30% (Anteil an Erträgen).
Zu den meist nachgefragten Eigenschaften, die Alternative Investments für Altersvorsorgeeinrichtungen mitbringen sollten, gehören Sicherheit und eine geringe Volatilität. Strategien wie Absolute Return – sofern es sich um ein seriöses und bewährtes Anlagekonzept mit einem aktiven Risikomanagement handelt – können dies leisten. Sie können je nach Ausgestaltung auf einen konservativen Wertausbau ausgelegt sein und eine nur geringe Korrelation zu anderen Märkten aufweisen. Bei solchen Strategien ist eine wachsende Nachfrage von institutionellen Investoren aller Klassen zu beobachten. Nicht zu vergessen ist natürlich der Renditeaspekt. Um eine Rendite von vier Prozent zu erwirtschaften, müssten Investoren wie Altersvorsorgeeinrichtungen mit hochverzinsten Junk-Bonds ein unverhältnismäßig hohes Risiko eingehen. Mit seriösen alternativen Strategien sind diese vier Prozent mit einem geringeren Risiko durchaus möglich. Hinzu kommt, dass über gezielte Portfolio-Strukturierungen gleichzeitig beispielsweise der Kapitalaufwand des Investors für die Partizipation an einer bestimmten Strategie gering gehalten werden kann. Vor dem Hintergrund von Solvency II ist dies ein nicht zu verachtender Vorteil besonders für Versicherungen.
Fazit
Das Asset Management für Altersvorsorgeeinrichtungen ist und bleibt besonders vor dem Hintergrund des Niedrigzinsumfelds herausfordernd. Einige Effekte – wie beispielsweise die mögliche weitere Absenkung von internen Rechnungszinsen oder der abnehmende Deckungsgrad von Pensionsverpflichtungen bei DAX-Unternehmen – werden in der kommenden Zeit sicht- und spürbar bleiben. Für die Branche heißt es deshalb, weiter aufmerksam nach alternativen Anlagemöglichkeiten von spezialisierten Asset Managern zu suchen, um ihr Leistungsversprechen auch in Zukunft erbringen zu können.
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*) Harald Bareit ist Geschäftsführer und Gesellschafter der QC Partners GmbH in Frankfurt am Main, einer eigentümergeführten Asset Management-Gesellschaft mit Schwerpunkt auf alternativen Investmentstrategien. Zuvor war Harald Bareit Leiter des Geschäftsbereichs Asset Management von Kepler Capital Markets (heute: Kepler Chevreux) in Frankfurt am Main. Der Diplom-Kaufmann und CFA-Charterholder ist zudem ehrenamtlicher Präsident der CFA Society Germany, dem größten Berufsverband für professionelle Anleger und Portfolio Manager in Deutschland. QC Partners ist eine eigentümergeführte Asset Management-Gesellschaft mit Sitz in Frankfurt am Main. Das Unternehmen ist darauf spezialisiert seiner vornehmlich institutionellen Klientel werthaltige und weitgehend unkorrelierte Investmentstrategien zu offerieren. Zu den Kunden von QC Partners zählen dabei Versorgungswerke, Banken, Versicherungen und andere institutionelle Anleger, die mit derzeit mehr als 300 Mio. Euro in entsprechende Spezialfonds und Publikumsfonds investiert sind.