Foundation | Welcome

Menu


Investmentstile: Growth und Value, 3. Teil

Im dritten Teil der Serie beschreibt Mark Robertson, unabhängiger Finanzjournalist und Finanzanalyst bei Vontobel Asset Management, Inc., New York von 1991–2000, die Rolle von Wettbewerbsvorteilen bei der Unternehmensanalyse.

In einem Massengeschäft hat es im Allgemeinen keinen Sinn, über die aktuelle normalisierte Ertragskraft hinaus irgendwelches Wachstum zu berücksichtigen. Hersteller von Massengütern mögen sich an dieser Aussage stoßen und auf ihr Wachstum in der Vergangenheit und die rosigen Aussichten für die Zukunft verweisen. Wir bezweifeln nicht, dass sie in der Vergangenheit gewachsen sind und dies auch weiterhin tun werden. Gleichzeitig merken wir aber an, dass das Wachstum ausschließlich eine Funktion der gestiegenen Kapitalbasis ist. Ohne neue Investitionen, gewöhnlich in Form von einbehaltenen Gewinnen, gäbe es kein Wachstum. Dies liegt daran, dass in einem Markt für Güter ohne Differenzierungsmerkmale die Produzenten nur die Kapitalkosten der neuen Investitionen verdienen können. Bietet ein Markt eine höhere Rendite als die Kapitalkosten, fließt frisches Kapital in diesen Markt, bis die Rendite auf das Niveau der Kapitalkosten abgeschmolzen ist. Die Gleichwertigkeit zwischen Kapitalkosten und Rendite führt logischerweise zu dem Schluss, dass der abgezinste Wert der künftigen Gewinne eines Massenherstellers, also ihr innerer Wert, nicht höher ist als der Wiederbeschaffungswert der produktiven Vermögenswerte des Unternehmens. Dieser fundamentale Aspekt verdient es, betont zu werden: Übersteigt die Rendite den Wiederbeschaffungswert des Vermögens, zieht der Markt so lange neues Kapital an, bis der gestiegene Wettbewerb zu einer Absenkung der Rendite führt. Sind umgekehrt die Kapitalkosten über einen längeren Zeitraum höher als die Kapitalrendite, wird so lange Kapital abgezogen (durch Pleiten oder freiwillige Liquidation), bis die überlebenden Produzenten eine angemessene Rendite auf ihr eingesetztes Kapital erzielen. Viele Value-Investoren, insbesondere der traditionellen Art, investieren in Massenmärkte, in denen die Preise niedrig (auf Basis KGV und Kurs-Buchwert-Verhältnis) und die Dividenden hoch sind. Auf Wachstum setzen sie nicht; indem sie investieren, wenn der Pessimismus hoch und die Kurse gedrückt sind, setzen sie auf eine Rückkehr der Kurse zu ihren langfristigen Gleichgewichtswerten (Reversion to the mean). Das einzige Wachstum, das bei einer Anlage in einen Massenhersteller berücksichtigt werden sollte, resultiert aus (gewöhnlich) temporären Wettbewerbsvorteilen, die sich aus Prozessverbesserungen, günstigen Vertragspreisen und dergleichen ergeben. Diese sind deshalb nur vorübergehender Natur, weil die Wettbewerber früher oder später jeder Kostensenkung gleichkommen und die Stückerlöse in einem Massenmarkt per Definition zur Norm zurückkehren. Nur nachhaltige Wettbewerbsvorteile können zu dauerhaften Renditen oberhalb der Kapitalkosten führen. Wettbewerbsvorteile bauen eine Mauer um ein Unternehmen, die es von seinen Wettbewerbern unterscheidet. Es gibt mehrere Arten von Wettbewerbsvorteilen. Der effektivste Wettbewerbsvorteil findet sich in Monopolsituationen, da das Fehlen von Konkurrenten einen starken Preisgestaltungsspielraum gewährt. In einem von staatlich genehmigten Monopolen geprägten Markt (wie Versorger) begrenzen Regulierungsbehörden die erzielbaren Renditen, um zu gewährleisten, dass die Betreiber ihre Preismacht nicht missbrauchen. In denjenigen Fällen, in denen ein Monopol organisch entsteht, nutzt die Regierung oftmals das Kartellrecht, um die Rentabilität des Monopolisten zu beschränken. Patente verschaffen einen vorübergehenden Monopolstatus; der Einfluss eines derartigen Status lässt sich im Markt an der drastischen Reduzierung der Profitabilität von Pharmaunternehmen beobachten, bei denen Medikamente ihren Patentschutz verlieren und dadurch Generikakonkurrenz ausgesetzt sind. Patente zum Schutz von Produktionstechnologien, die zu vorübergehenden Vorteilen auf der Kostenseite führen, werden in der Presse weniger diskutiert als Patente bei Konsumgütern, sind aber für ein Unternehmen gleichermaßen bedeutend, insbesondere im verarbeitenden und produzierenden Gewerbe wie der Raffinerie-, Chemie-, Papier- und Stahlindustrie.

Kundenloyalität ist ebenfalls eine Form von Wettbewerbsvorteil, den Unternehmen durch Markennamen aufzubauen versuchen. Milliarden von Dollar werden in die Werbung gesteckt, um Produkte zu differenzieren, bei denen es sich im Kern um Massenware handelt. Diese Investitionen werden deshalb getätigt, weil loyale Kunden bereit sind, einen über den Produktionskosten der Ware liegenden Preis zu bezahlen, da sie den immateriellen Qualitäten des Produkts einen bestimmten Wert beimessen. Der Wettbewerbsvorteil, der sich mit einem Markennamen verbindet, ist gewöhnlich jedoch nicht unantastbar. Wettbewerber, die sich von den hohen Renditen der Premiummarken angezogen fühlen, können letztendlich das erforderliche Kapital aufbringen, um ein ähnliches Image zu schaffen. Dies war in den 60er-Jahren im Luxussegment der Automobilindustrie der Fall; Fahrzeughersteller, die von den hohen Renditen beeindruckt waren, die Daimler in dieser Zeit erwirtschaftete, bauten Konkurrenzmarken auf und senkten die im Markt für Luxusfahrzeuge erzielbare Rendite. Wie jeder von der Madison Avenue in New York bestätigen wird, ist Markenloyalität notorisch kurzlebig, und ihre Aufrechterhaltung ist genauso Teil der Produktionskosten wie jedes Maschinenteil in einer Werkshalle.

Unternehmen mit einem Wettbewerbsvorteil können eine Rendite auf das investierte Kapital verdienen, die über ihren Kapitalkosten liegt. Die Existenz derartiger Wettbewerbsvorteile erklärt, warum Anleger oftmals bereit sind, mehr für ein Unternehmen zu zahlen, als es allein durch den Wiederbeschaffungswert der Vermögenswerte des Unternehmens angezeigt wäre. Bei der Abzinsung der künftigen Gewinne eines Unternehmens, das über einen Wettbewerbsvorteil verfügt, markiert der Teil des abgezinsten künftigen Cashflows, der über den Wiederbeschaffungswert des Vermögens hinausgeht, den Wert der Ertragskraft, der dem Wettbewerbsvorteil zuzuschreiben ist.

Nächste Woche, im vierten und letzten Teil der Serie, lesen Sie mehr über finale Frage der Unterscheidung zwischen Growth und Value.