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Investmentstile: Growth und Value, 1. Teil

Im ersten Teil der Serie schreibt Mark Robertson, unabhängiger Finanzjournalist und Finanzanalyst bei Vontobel Asset Management, Inc., New York von 1991–2000 über den Unterschied der Anlagestile.

„In unseren Augen sind die beiden Ansätze untrennbar miteinander verbunden: Wachstum ist immer eine Komponente bei der Wertermittlung und markiert eine Variable, deren Bedeutung von unerheblich bis enorm schwanken kann und deren Einfluss sowohl negativ als auch positiv sein kann … Zudem ist der Begriff ‹Value-Investing› überflüssig“, so Warren Buffett in seinem Brief an die Aktionäre im Geschäftsbericht 1992.

In den Massenmedien und den Marketingbroschüren der Fondsbranche wird viel über den Gegensatz zwischen der wert- und der wachstumsorientierten Anlagestrategie geschrieben. Wir haben bereits an anderer Stelle zum Ausdruck gebracht, dass wir zwar den Nutzen dieser Klassifizierung erkennen, uns aber erheblich gegen die Vorstellung wehren, dass Anleger zwischen «Growth» und «Value» wählen müssen. Diese Klassifizierungen implizieren, dass Value-Investoren nicht in Wachstum investieren und umgekehrt Growth-Investoren sich nicht um Bewertung kümmern. Die Wirklichkeit könnte nicht anders aussehen. Wir meinen, dass die Konzepte der Kapitalanlage und der Bewertung aufs engste miteinander verbunden sind. Vieles von dem, was als Wachstumsanlage durchgeht – insbesondere Momentum-Strategien – lässt sich in unseren Augen zutreffender als Spekulation bezeichnen.

Stars und Nieten – falsche Indexklassifizierungen verschaffen Value einen Vorteil
Für uns sind die Kapitalanlage und die Spekulation entgegen gesetzte Enden eines Kontinuums. Zu Illustrationszwecken kann man sich die Kapitalanlage auf der linken und die Spekulation auf der rechten Seite vorstellen. Im Verlauf von links nach rechts steigt das Risikomaß. (Es wird allgemein davon ausgegangen, dass Risiko und Ertrag Hand in Hand gehen – je größer das eingegangene Risiko, umso höher die Rendite. Dem würden wir entgegenhalten: je größer das Risiko, umso höher die potenzielle, nicht aber zwangsläufig die wahrscheinliche Rendite.) Unter allen am Markt befindlichen Anlagealternativen würden wir inflationsgebundene Staatspapiere, die ein extrem sicheres Investment darstellen, ganz links auf der Skala einordnen. Am entgegen gesetzten Ende auf der rechten Seite würden wir vermutlich ungedeckte Call-Optionsscheine ansiedeln, eine Art von Spekulation, bei der sich ein erhebliches Gewinnpotenzial mit praktisch unbegrenztem Verlustrisiko verbindet.

Überträgt man diese gedankliche Darstellung auf den Aktienmarkt, würden die meisten Beobachter Titel mit niedrigem KGV, die für Value stehen, der linken Seite zuordnen und solche mit hohem KGV, die für Wachstum stehen, auf der rechten Seite platzieren. Andere Kennzahlen, die zu Unterscheidungen zwischen Wachstums- und Substanzwerten herangezogen werden, sind das Kurs-Buchwert-Verhältnis (niedrig heißt Value, hoch signalisiert Wachstum) und die Dividendenrendite (hoch steht für Value, während niedrig gleichbedeutend mit Wachstum ist). Diese Methode der Klassifizierung von Wachstums- und Substanzaktien ist unseres Erachtens allerdings viel zu unflexibel und simplifizierend. Nach dieser Logik ist allein der Preis der bestimmende Faktor für die Einstufung einer Aktie entweder als Growth- oder als Value-Titel. Während es zutrifft, dass viele Value-Investoren bei der Auswahl geeigneter Investments mit der Suche nach niedrigen KGV-Titeln beginnen, stellen umgekehrt Growth-Investoren sicherlich nicht Titel mit hohem KGV an den Anfang ihrer Selektion; vielmehr halten sie zunächst nach Unternehmen Ausschau, bei denen ein starkes Gewinnwachstum erwartet wird. In Wahrheit sind es die Fundamentaldaten eines Unternehmens, die darüber entscheiden, ob eine Aktie als Wachstums- oder als Substanzwert gilt.

Bernstein, eine Investmentgesellschaft, zu der wir Geschäftsbeziehungen unterhalten, weist darauf hin, dass die Aktie von Citigroup Anfang des vergangenen Jahres auf Basis des Gewinnwachstums die Merkmale eines Wachstumstitels aufwies, auf Basis ihres KGVs jedoch die Kriterien eines Substanzwerts erfüllte. Bernstein galt einst als strikt valueorientiert, hat in den vergangenen Jahren jedoch einen Wandel vollzogen und propagiert mittlerweile bei der Kapitalanlage einen «Multi-Stil»-Ansatz, der Growth und Value miteinander vereint. Die Entscheidung dazu erfolgte, nachdem die Gesellschaft das Manko in der herkömmlichen Definition von Wachstums- und Substanzaktien erkannt hatte. Durch die Segmentierung des Marktes allein auf Basis von Kursdaten werden Aktien von Unternehmen, deren Fundamentaldaten gemeinhin Growth-Investoren anziehen, als Value-Titel klassifiziert, wie im Fall von Citigroup Anfang 2004. Diese falsche Klassifizierung von Growth- als Value-Aktien erklärt in nicht unerheblichem Masse, warum die meisten wissenschaftlichen Untersuchungen zu dem Schluss kommen, dass die Value-Strategie dem Growth-Ansatz klar überlegen sei. Bernstein merkt beispielsweise an, dass sich der Russell 1000 Value Index von 1981 bis 2003 gegenüber dem Russell 1000 Growth Index jährlich um 2,9% besser entwickelt hat – eine enorme Marge. Der Triumph von Value über Growth in wissenschaftlichen Studien erklärt sich zum Teil daraus, dass Value-Indices von der Berücksichtigung von Aktien profitieren, deren Fundamentaldaten sie als Wachstumstitel ausweisen, die aber aus Kursüberlegungen heraus stattdessen als Value-Titel eingestuft werden. Bernstein bezeichnet diese niedrig bewerteten Aktien von wachstumsstarken Unternehmen als „Stars“. Rund ein Sechstel aller Markttitel fällt der Analyse von Bernstein zufolge in die Star-Kategorie. Zur Zusammensetzung von Value- und Growth-Indices merkt Bernstein ferner an, dass die hoch bewerteten Aktien einiger Unternehmen mit verhaltenen Wachstumsperspektiven mitunter ebenfalls falsch bewertet sind und daher in Growth-Indices berücksichtigt sind, obwohl sie angesichts der Fundamentaldaten der Unternehmen als Substanzwerte betrachtet werden müssten. Für diese Titel verwendet Bernstein den Begriff „Nieten“, zu denen ebenfalls rund ein Sechstel aller am Markt gehandelten Aktien gehört. In wissenschaftlichen Untersuchungen, so Bernstein, erhalten Value-Indices durch den starken Performancebeitrag der Stars einen Schub, während Growth-Indices erheblich unter der schwachen Performance der Nieten leiden.

Nächste Woche, im zweiten Teil der Serie, lesen Sie mehr über die Unterscheidungskriterien von Value- und Growth-Titeln.