Quo vadis Finanzindustrie?
Das CFA Institute hat in einer jährlichen Studie („CFA Institute Global Market Sentiment Survey“) 6.783 Mitglieder – darunter Investment Manager, Finanzanalysten und professionelle Anleger – zu den wichtigsten Herausforderungen der Finanzindustrie befragt. Die Ergebnisse legen nahe, dass die Investmentfirmen zur Rückgewinnung ihrer Glaubwürdigkeit ethische Richtlinieninnerhalbihrer Organisationen implementieren müssen.
So machen über die Hälfte (56%) der weltweit befragten Investmentmanager ungenügende ethische Standards in den Kreditinstituten für das mangelnde Vertrauen in die Finanzindustrie verantwortlich. Eine neue Kultur sollte vom Top-Management der Finanzhäuser angestoßen und vorgelebt werden. Ethischen Standards sollte dabei eine ebenso hohe Bedeutung beigeordnet werden wie der Investment Performance. Dies bestätigten immerhin 40% der Teilnehmer. Doch wie ließe sich dies tatsächlich ausfüllen? Experten aus der Finanzwelt, Investoren und Marktakteure aus dem Bildungs- und Mediensektor müssten dafür erreicht werden. Die Bewährungsprobe läge in der Umsetzung der genannten Absichten.
Damit die Finanzindustrie hier eine treibende und nicht reaktive Rolle einnimmt, hat das CFA Institute länderübergreifend das Projekt „Future of Finance“ als Angebot aus der Taufe gehoben. Das Projekt ist langfristig angelegt und soll durch Aufklärungsarbeit zum Thema Kapitalmarktethikeinen wichtigen Beitrag zur Zukunftssicherung der Finanzbranche leisten. Denn: Wirtschaftsethik ist trainierbar. Das Thema wird oft als weiche oder intangible Kategorie unterschätzt. Der Fokus des „Future of Finance“-Projekts richtet sich folgerichtig auf die Bereiche Investorenschutz, systemische Risiken, Altersvorsorgeeinrichtungen, Regulierung sowie Markttransparenz.
Im ersten Schritt will das CFA Institute erreichen, dass Anleger ihre Rechte gegenüber Verkäufern von Finanzprodukten besser kennen. Dafür wurde das „Statement of Investor Rights“ entwickelt. Es bezieht sich – im institutionellen wie auch im Privatkundengeschäft – auf Finanzanalyse, Anlageberatung und Investment Management sowie auf Produkte und Dienstleistungen im Versicherungswesen und Immobilienbereich. Für die Initiative konnte der Ökonom John Kay von der London School of Economics als Kopf gewonnen werden. Im Rahmen der Initiative sind in Deutschland und weltweit mehrere Forschungsprojekte, Veranstaltungen und Informationsangebote geplant.
Finanzbildung muss Teil der Allgemeinbildung sein
Damit Sparer und Anleger der Finanzbranche wieder vertrauen, müssen Finanzberater ausweisen, dass sie sich zu ethischen Regeln bekennen. Dies ist aber nur der erste Schritt. Zusätzlich muss die allgemeine Finanzbildung länderübergreifend verbessert werden. Denn aufgrund der Komplexität und der zunehmenden Jargonverliebtheit des Finanzsektors sind die schwarzen Schafe der Branche für viele Marktteilnehmer oft nur schwer zu erkennen. Daher haben Mitarbeiter der Allianz Global Investors zusammen mit 3.300 weiteren Kandidaten seit Januar 2013 die Pilotphase für ein Qualifizierungsprogramm mit den Namen „Claritas Investment Certificate“ durchlaufen. Idee des Claritas Programms ist es, Nicht-Finanzexperten in grundlegenden Investmentkenntnissen auszubilden. Zielgruppe des Claritas Programms sind vor allem Mitarbeiter, die ein solides Rüstzeug an Finanzwissen benötigen - etwa im Marketing, im Vertrieb oder in der Compliance-, Rechts-, IT- und Personalabteilung. Es sind also diejenigen Mitarbeiter mit Backoffice- und Support-Funktionen, die mit Investmentthemen zwar in Berührung kommen, jedoch nicht selbst in die Finanzanalyse oder in das Portfolio Managern Management eingebunden sind.
Zu den weiteren 70 teilnehmenden Unternehmen in 43 Ländern gehören unter anderem Aviva Investors, BBC, British Airways, Morningstar und Wells Fargo. 84% der Teilnehmer weltweit empfahlen das Programm weiter, 85% ermutigten ihre unmittelbaren Kollegen, an Claritas teilzunehmen. Das Programm besteht aus sieben Modulen zum Selbststudium, für die rund 100 Lernstunden über einen Zeitraum von sechs Monaten eingeplant werden müssen. Das Curriculum umfasst wesentliche Bereiche der Finanzindustrie, Anlageklassen und Finanzinstrumente sowie Kapitalmarktethik und Regulierung. Die Tests finden als Online-Examen statt.
Die Inhalte des Programms wurden von Führungskräften aus der Finanzbranche, Wissenschaftlern und Aufsichtsbehörden gestaltet. Auch diese Initiative soll auf das ultimative Ziel der Wiederherstellung von Vertrauen und Integrität an den Finanzmärkten einzahlen. Da das Programmeinen hohen Mehrwert gleichsam für den Arbeitgeber, als auch für die persönliche Karriereentwicklung der Teilnehmer hat, verspricht sich das CFA Institute nachhaltig positive Effekte.
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*) Harald Bareit, CFA, ist Präsident der CFA Society Germany. Das CFA Institute ist ein globaler Finanzverband mit über 111.000 Mitgliedern in 140 Ländern. In Deutschland ist das CFA Institute durch die CFA Society Germany vertreten, die rund 2.000 Mitglieder zählt. Der Verband fungiert als Anlaufstelle zum Thema Finanzbildung und tritt für Anlegerinteressen sowie Verhaltenskodizes und Branchenstandards in der Investmentindustrie ein.
Gastbeitrag: Die Finanzindustrie in die Pflicht nehmen

Harald Bareit