IPE Institutional Investment: Welches sind die langfristigen Auswirkungen der anhaltenden Niedrigzinspolitik für die Pensionskassen bzw. Versorgungswerke?
John: Auf der Anlageseite regulierter Pensionseinrichtungen, wie Pensionskassen und Versorgungswerke, besteht Anlagenotstand, das heißt Anlagen zu finden, die die notwendigen Renditen erwirtschaften um Rechnungs- bzw. Diskontzins zu erwirtschaften. Das ist in der Regel nur möglich bei Erhöhung des Risikos bzw. Verkauf von Anleihen mit hohen Kupons zur Realisierung von stillen Reserven. Das Problem liegt bei der Wiederanlage von neuen Geldern – also in der Zukunft. Bei einer möglichen Seitwärtsbewegung der Zinsen fallen die Kapitalanlageergebnisse in Zukunft deutlich schlechter aus. Derzeit ist es kaum möglich mit Investment-Grade-Unternehmensanleihen 2% pro Jahr zu erreichen. Steigen die Zinsen verschlimmert sich die Situation der Bestandsanlagen. Die expansive Geldpolitik der Notenbanken haben Asset-Preise im Allgemeinen auf Niveaus getrieben, die fundamental nicht gerechtfertigt sind und Anleger zur Erhöhung des Risikos veranlasst – entsprechend groß ist das Rückschlagpotenzial. Letztlich ist das durch die Notenbanken kreierte Umfeld schlecht für alle Sparer – nur gut für die Schuldner, die sich günstig refinanzieren können. Werden Anlageerwartungen bzw. Garantien nicht angepasst, wird es möglicherweise zu deutlichen Unterdeckungen kommen. Bei den weniger regulierten Pensionseinrichtungen, für die insbesondere die Rechnungslegungsvorschriften nach HGB und/oder IFRS maßgeblich sind, zeigt sich die Problematik direkt auf der Verpflichtungsseite: Durch die stark gefallenen (Diskont-)Zinsen haben sich die Pensionsverpflichtungen in den Bilanzen deutlich erhöht. Mit Blick auf die zukünftige Entwicklung des HGB-Diskontfaktors sind, gerade im Mittelstand, bilanzielle Überschuldungen oder gar Insolvenzen von Unternehmen möglich, siehe z.B. die Fälle des Strumpfhersteller Kunert oder des Modelleisenbahn-Hersteller Fleischmann.
IPE Institutional Investment: Muss es erst zu größeren Schieflagen kommen oder glauben Sie dass der Markt bereit ist, über angepasste Erwartungen bzw. Garantien zu sprechen?
John: Das Anpassen bzw. ein Eingreifen in Leistungsversprechen ist noch ein Tabu-Thema. In anderen Ländern haben wir mehr Flexibilität in der betrieblichen Altersversorgung, z.B. in den Niederlanden und auch in Österreich. Dort gab es in der Vergangenheit Anpassungen bei Rentenzahlungen.
IPE Institutional Investment: Wie legen die institutionellen Investoren dann freigewordene Gelder wieder an?
John: Riskanter als vorher. In den letzten Jahren haben wir eine Jagd nach Rendite beobachten können. Im Anleihenbereich waren es im Wesentlichen die Verschlechterung der Bonität, z.B. wurden Staatsanleihen reduziert, Unternehmensanleihen im IG, EMD und HY entsprechend aufgebaut. Derzeit raten wir zur Vorsicht, die Kreditqualität in den Portfolios weiter zu reduzieren und würden eher auf die Illiquiditätsprämie setzen, z.B. Gewerbeimmobiliendarlehen, Trade und Supply-Chain Finance oder ABS mit guter Bonität.
IPE Institutional Investment: Wie wichtig ist der Punkt Liquidität?
John: Liquidität ist dann wichtig, wenn man Sie braucht. Für langfristig investierende Anleger sollte dies nur dann der Fall sein, wenn man aus einer Investition flüchtet. Für ein Liquiditätsmanagement können liquide ABS mit guter Bonität in Frage kommen, aber auch illiquide Anleihen, welche so strukturiert werden, dass das Fälligkeitsprofil mit dem erforderlichen Cashflow-Profil für z.B. Rentenzahlungen zusammenfällt. Es gibt auch einige Investoren die Cash-Bestände halten, weil sie auf einen Zinsanstieg hoffen. Das kann eine riskante Strategie sein, falls es keinen nennenswerten Zinsanstieg gibt.
IPE Institutional Investment: Sehen Sie deutliche Unterschiede im Anlageverhalten der deutschen institutionellen Häusern mit anderen Teilen Europas?
John: Ja, teilweise durch unterschiedliche Regulierung oder Rechnungslegung und teilweise durch unterschiedliche Erfahrung bzw. Kultur. War die Aktienkultur in den Niederlanden und in Großbritannien vor 2009 sehr stark ausgeprägt, so ist die Aktienallokation dort seither stetig gefallen. Auch die vermehrte Anwendung von De-Risiking-Strategien in den Niederlanden und in Großbritannien, hatte zu diesem Trend beigetragen. In Deutschland sind die Anleger mit Ihren hohen Anleihenquoten sehr gut durch die Krise gekommen und haben seither eher Aktienquoten ausgebaut. Doch auch hier werden De-Risiking-Strategien umgesetzt, wenn auch mit niedrigen Absicherungsquoten.
IPE Institutional Investment: Werden Alternative Assets wichtiger?
John: Ja, insbesondere Absolute-Return-Strategien und illiquide Credit-Strategien. Allerdings sind die regulierten Anleger in der „Anleihenfalle“, d.h. müssen den Großteil ihres Vermögens in Investment-Grade-Anleihen investieren. Deshalb sehen wir keine extremen Veränderungen bei der Asset Allokation. Bei Pensionseinrichtungen, welche ihre Liabilities zu Marktwerten bewerten müssen, ist zu beobachten, dass sich die Kapitalanlage verstärkt an der Verpflichtungsstruktur orientiert. Dies ist per se zwar kein „Alternative Asset“, aber man kann von einem alternativen Konzept, einer alternativen Asset- und Risikomanagement-Strategie sprechen, da man sich von traditionellen Benchmark-Konzepten löst.
IPE Institutional Investment: Sie hatten das Stichwort Absolute Return genannt. Hierunter werden viele unterschiedliche Strategien subsumiert. Wie viele können davon in der nächsten Krise „liefern“?
John: Absolute-Return-Strategien sind keine homogene Gruppe und daher nicht im Ganzen zu betrachten. Hier sollten Anleger die Unterschiede bei den verwendeten Instrumenten, Sub-Strategien (Multi-Strategie, Multi-Asset, Single-Strategie, Long/Short, Balanced etc.) unterscheiden und sehen, wie diese gegen Rückschläge gerüstet sind. Erwartet ein Anleger steigende Zinsen, sollte er auf Strategien verzichten, die ein implizites Zinsrisiko beinhalten. Die nächsten Jahre sind ein Test, denn die meisten AR-Strategien haben ein Umfeld von steigenden Zinsen noch nicht erlebt.
IPE Institutional Investment: Werden die aufsichtsrechtlichen Spielräume ausgenutzt?
John: Auch wenn in Einzelfällen und in Einzelbereichen die Anlagespielräume z.B. für regulierte Anleger, ausgeschöpft sind, gilt das nicht für den überwiegenden Teil der Anleger in Deutschland. Dennoch greift die Regulierung immer mehr in strategische Anlageentscheidungen ein. Das letzte Beispiel ist die geplante Verbesserung der Eigenmittelanforderungen von Infrastrukturinvestments unter Solvency II. Grundsätzlich kann man festhalten, dass aus historischen oder Optimierungsbeweggründen eine Mehrzahl an unterschiedlichen „Pension-Vehikeln“ bestehen, für die sich die Regulierung unterschiedlich auswirken kann. Gemeinsam ist allen Einrichtungen der bAV, dass die Komplexität weiter ansteigt. Für viele kleine Einrichtungen ist das langfristig kaum noch zu bewältigen und sollte den Trend zu Konsolidierung bzw. Auslagerung beschleunigen. Hier fallen auch die Themen Fiduciary Management und Buy-out.
IPE Institutional Investment: Herr John, besten Dank für diese Einblicke!
„Führt die Notenbankenpolitik zu Anpassung von Garantien und Konsolidierung in der betrieblichen Altersversorgung?“

Olaf John