Family Offices – Langfristdenke und Unabhängigkeit
Viele Family Offices gelten als beliebte Zielobjekte für das potentielle „Abladen“ von Investmentprodukten und betreiben derzeit viel Aufwand, um die hohe Anzahl von potenziellen vertrieblichen Ansprachen zu kanalisieren bzw. effizient zu neutralisieren. Information Overflow in Kombination mit begrenzten Due Diligence-Ressourcen machen dieses Verhalten verständlich und nachvollziehbar. Interessant ist, dass es auch die umgekehrte Sichtweise geben kann: Family Offices sind ebenso Anbieter von Produkten und Dienstleistungen und suchen nach kreativen Lösungen zur Marktöffnung für die eigenen Anliegen. Dezent, solide, ohne marktschreierisch aufzutreten, da dies als wenig reputationsfördernd erscheint. Die eigene Unabhängigkeit und der Vertrauensvorschuss bei der eigenen Klientel darf nicht gefährdet werden. Dieser Sachverhalt muss jedoch häufig elegant in Einklang gebracht werden mit den wirtschaftlichen Sachzwängen, denen auch verschiedene Multi-Family Offices nicht dauerhaft ausweichen können: Man benötigt einen Zufluss von neuen, vermögenden Kunden und zum Beispiel Käufer eigener Fondsprodukte. Das Spannungsfeld Unabhängigkeit, individuelle Kundenbetreuung und Neutralität bietet hier viele interessante Diskussionsfelder.
Beispiel: Fondsauflage und vertrauensbildende Maßnahmen
Ein Beispiel aus der Praxis, da mir dieses Gespräch angenehm in Erinnerung geblieben ist: Ein vermögender Unternehmer (nicht originär Finanzbranche, andere Einkunftsquellen) mit begleitender Family Office-Betreuung hat über die Jahre durch externe Unterstützung Expertise im Bereich Fondsmanagement aufgebaut und möchte einen eigenen Fonds auflegen. Der übliche Weg besteht darin, möglichst schnell andere Kunden dazu zu bewegen, beim Seeden des Fonds mit dabei zu sein. In diesem Fall ist es anders: Der potenzielle Fondsinitiator hat Geduld, wählt zunächst das Vehikel Managed Account. Betont glaubwürdig, dass man Zeit und Mittel hat, die Performance beispielsweise ein Jahr lang zu beobachten. Man bringt zu Beginn eigene Mittel ein – vielmehr noch: Der Unternehmer wäre bereit, bei zu geringen Anfangsvolumen bei potenzieller Fondsgründung einen Teil der Gebührenbelastung für die Co-Investoren zu übernehmen.
Die oben beschriebene Haltung erscheint als ein gutes Beispiel für ein Setting für eine langfristig vertrauensvolle Zusammenarbeit, auch für Kunden des Unternehmens bzw. des begleitenden Konstrukts „Family Office“. Sollte der Unternehmer seinen Fonds an Dritte vertreiben wollen, dann demonstriert er durch seine Haltung: „Ich denke langfristig, ich glaube an mein Können, ich lasse mich messen und bin nicht wirtschaftlich abhängig von diesem einen Produkt!“ Die Transparenz dieser Haltung kann auch dazu führen, dass Kunden neben Fremdprodukten auch Produkte dieses potenziellen Anbieters in das eigene Portfolio aufnehmen könnten. Kurz gefasst – es läuft auf die manchmal in der Branche zitierte, keinesfalls unumstrittene Weisheit hinaus: Der beste Vermögensverwalter ist der, der nicht ausschließlich wirtschaftlich von seinen Vermögensverwaltungsaktivitäten lebt, sondern noch andere „Ertragsströme“ generiert!
Kapitalanlagegesellschaften – mögliche vertrauensbildende Maßnahmen
Family Offices und viele andere unabhängige Fondsberater bzw. Fondsmanager wenden sich häufig an Kapitalanlagegesellschaften wie Universal-Investment, Ampega oder Hansainvest (etc.), um erste Hinweise für die Fondsauflage zu erhalten. Bei der Annahme oder Ablehnung hilft oft schonungslose Ehrlichkeit beim Erstgespräch: Kein Vertriebsnetz, erfolgsversprechender Ansatz – Praxisbeispiel: Die Kaptalanlagegesellschaft verweist auf einen geeigneteren „Mitbewerber“, damit der Fondsinitiator eine zweite Meinung einholen kann. Wenn die Wettbewerbsposition der Kapitalanlagegesellschaft stark ist, kann sie souverän bei derartigen „weniger leichtgängigen Fällen“ für die Zukunft Vertrauen aufbauen. Vor dem Hintergrund der ständigen Kostenvergleiche bei Fondsauflagen besteht hier noch ein Feld zur Differenzierung. Und in der Praxis nutzen einige Adressen diesen Spielraum – wie im Bereich der Family Offices wird hier intelligent die Karte „Langfristdenke“ gespielt.
Ausblick – Vertrauen ist Kernfaktor
Family Offices, Vermögensverwalter, Rechtsanwälte und auch Kapitalanlagegesellschaften leben vom Faktor Vertrauen. Man kann diese Gruppen als Know-how-Träger mit Vertrauensvorschuss-Kapital betrachten. Natürlich gibt es Grauzonen, sobald es in den Bereich Produktangebot geht. Transparenz in der Kommunikation kann viel dazu beitragen, dass bestimmte potentielle „Interessenkonfliktszenarien“ entschärft werden können. Zusammengefasst könnte man hier sagen, dass ein simpler Ansatz zum Mehrwert für die Vertrauensbildung heißen könnte: Wir haben eine interessante Dienstleistung oder ein interessantes Produkt und wir haben Zeit für den Dialog!
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*) Markus Hill ist unabhängiger Asset Management Consultant in Frankfurt am Main. Kontakt: info@markus-hill.com; Website: www.markus-hill.com
Family Offices, Fondsboutiquen und der Faktor Vertrauen

Markus Hill