Hedgework: Herr Richter, Ende des Jahres 2003 überraschte der Gesetzgeber die Fondsbranche mit der Ankündigung, Hedgefonds in Deutschland zu erlauben. Wie haben Sie diese Nachricht damals persönlich aufgenommen?
Richter: Sehr positiv, weil sie die Produktzulassung liberalisiert und die Anlagemöglichkeiten für Anleger erweitert hat. Deutschland war damals immer noch, was die Produktvielfalt angeht, rückständig. Wir hatten wegen restriktiver Vorschriften einen großen Aufholbedarf, vor allem gegenüber Luxemburg, wo Produkte aufgelegt werden konnten, die bei uns unzulässig waren. Deutsche Dachfonds beispielsweise gab es damals auch erst seit kurzem. Persönlich überrascht war ich von meinem damaligen Chef, der Hedgefonds im Volumen von einer Milliarde Euro innerhalb eines Jahres absetzen wollte. Das war schon deshalb eine gewagte Prognose, weil den Anlegern das Platzen der Technologieblase drei Jahre zuvor noch in den Knochen steckte.
Hedgework: Die ersten Gehversuche in Sachen Hedgefonds waren dann ja auch sehr bescheiden. Produkte aus dieser Zeit aus heimischer Produktion gibt es inzwischen schon gar nicht mehr. Woran lag es Ihrer Meinung nach, dass auch in dieser frühen Phase die anfängliche Euphorie über die Zulassung von Hedgefonds sehr schnell einer gewissen Ernüchterung gewichen ist?
Richter: Der Gesetzgeber hat den Vertrieb wegen der höheren Risiken als bei traditionellen Investmentfonds stärker reglementiert. An Privatkunden durften nur Dachfonds, aber keine Einzelfonds verkauft werden. Die institutionellen Anleger waren zurückhaltend. Vielleicht trauten sie den Neulingen unter den Hedgefonds weniger zu als den etablierten Managern.
Hedgework: Spätestens seit der Finanzkrise ab 2008 war der Begriff Hedgefonds in Deutschland ja geradezu tabuisiert. Für die Politik dienten Hedgefonds als Sündenböcke, obwohl die entsprechende Industrie hierzulande noch gar nicht aus den Startlöchern gekommen war. War das für die Produktgattung einfach nur Pech, hier unter die Räder zu kommen?
Richter: Seit den Pfundwetten von George Soros und dem LTCM-Skandal war der Ruf ramponiert. Gänzlich in Ungnade gerieten Hedgefonds, als sie in der Finanzkrise mit Leerverkäufen die Aktien der Banken unter Druck setzten. Ergebnis war die Leerverkaufsregulierung. Das Mantra ist seitdem, dass es keine unregulierten Produkte mehr geben dürfe.
Hedgework: Dennoch hat sich seit der Finanzkrise eine lebhafte Alternative-Investment-Industrie entwickelt. Die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank hat hier auf der Suche nach Anlagealternativen Unterstützung geleistet. Von Real Assets bis hin zu Liquid Alternatives bietet die Branche den Investoren jedes erdenkliche Konstrukt. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?
Richter: Sehr positiv. Wegen des Zinstiefs ist der Wunsch nach Renditen unabhängig von Aktien- und Anleihemärkten stark gestiegen. Es gibt heute eine breite Auswahl an regulierten Produkten, die von Investments in Autobahnen über Solaranlagen bis hin zu alternativen Anlagestrategien reicht. Einen großen Anteil an dieser Entwicklung haben die Spezialfonds als Hülle für alternative Investments. Institutionelle Anleger finden in Spezialfonds ein reguliertes und höchst flexibles sowie auf die individuellen Anlagebedürfnisse ausgerichtetes Produkt – ein deutsches Erfolgsprodukt.
Hedgework: Nun hat ja auch die Entwicklung der Fondsindustrie an sich in den vergangenen 25 Jahren große Sprünge gemacht. Was waren diesbezüglich die wichtigsten Stationen?
Richter: Produktseitig die Einführung von ETFs 1993 in den USA. Technisch die rasante Digitalisierung der Fondsverwaltung, ich habe noch erlebt, wie Fondsmanager Ausführungspreise auf Handlisten geschrieben haben. Regulatorisch haben AIFM-Richtlinie und MiFID zu einem Wandel weg von der Liberalisierung und hin zur Überregulierung geführt. Im Vertrieb schließlich hat das Zinstief die Anlage in Fonds unumgänglich gemacht und damit für starke Zuflüsse gesorgt.
Hedgework: Ein Fondsmanager hat unter der heutigen Regulierung gegenüber früher gewöhnlich mehr Möglichkeiten, bei sich ändernden Marktbedingungen flexibel darauf zu reagieren. Während des Platzens der sogenannten Tech-Bubble in den Jahren 2000 bis 2003 klebte er ja geradezu fest an seiner Benchmark. Ist die Fondsindustrie mit der Entwicklung der vergangenen 15 Jahre ein Stück sicherer für den Anleger geworden?
Richter: Was heißt sicherer? Der Fondsmanager kann heute nur noch Entscheidungen im Rahmen der Risikolimits des Portfolios treffen. Aufgrund der Vielzahl an Prozessen ist das operationelle Risiko jedoch größer geworden. Für den Anleger besteht unverändert noch das Marktrisiko, und das ist auch gut so. Den Umgang mit Liquiditätsrisiken erörtern die Regulierer derzeit weltweit. Die wichtigste Sicherheit, die der Fonds bietet, gab es allerdings auch schon vor der Regulierungswelle: Er kann nicht pleitegehen, wenn sein Verwalter bankrott erklärt.
Hedgework: Zum Abschluss noch ein kurzer Ausblick. Was werden die großen Themen für die Fondsindustrie in den nächsten Jahren sein?
Richter: Ein wichtiges Thema werden die Fondskosten für den Privatkunden sein. Eine weitere Herausforderung stellt die anhaltende Technisierung dar. Schließlich wird der Wettbewerb der Anbieter härter, nicht zuletzt wegen der ETFs. Das wird den Druck auf die Erträge erhöhen. Wir werden also auch einen Wettbewerb sehen, welcher Asset Manager seine Kosten am besten im Griff hat, spätestens dann, wenn die Assetpreise fallen.
Hedgework: Herzlichen Dank für das Gespräch.
---
*) Thomas Richter ist Hauptgeschäftsführer des BVI. Zuvor arbeitete er bei der Deutsche Börse AG und anschließend in leitenden Positionen bei der Deutschen Asset Management (ehemals DWS). Er ist Mitglied im Verwaltungsrat der BaFin und Mitglied des Vorstands des europäischen Fondsverbands EFAMA. Richter studierte Jura und Französisch in Frankreich und Augsburg und ist geprüfter Börsenhändler und Investment Analyst DVFA/CEFA.
Der BVI Bundesverband Investment und Asset Management e.V. ist der Verband für Kapitalverwaltungsgesellschaften und Fonds und vertritt die Interessen der deutschen Fondsbranche auf nationaler und internationaler Ebene. Die Mitgliedsunternehmen des BVI verwalten knapp drei Billionen Euro Anlagekapital für Privatanleger, Versicherungen, Altersvorsorgeeinrichtungen, Banken, Kirchen und Stiftungen und betreuen direkt oder indirekt das Vermögen von rund 50 Mio. Menschen in rund 21 Mio. Haushalten. Der deutsche Fondsverband BVI ist zudem der Ansprechpartner für Politik und Aufsicht bei allen Themen rund um das Kapitalanlagegesetzbuch.
„Der Wettbewerb der Anbieter wird härter“

Thomas Richter*