Wenn Gefahr für den freien Wettbewerb besteht, wenn der Verdacht von Absprachen oder des Missbrauchs von Marktmacht im Raum steht - dann greifen die Kartellbehörden ein. Ihre Befugnisse sind breit gefächert, erstrecken sich auf alle Branchen, und die Behörden setzen sie rigoros durch.
Innerhalb der Finanzwirtschaft stehen manche Akteure stärker im Fokus als andere. Banken etwa können ein Lied davon singen. Andere fliegen bislang weitgehend unter dem Radar. Zu letzteren gehören institutionelle Investoren, deren Aktivitäten von Natur aus kaum dazu geeignet sind, Verstöße gegen das Kartellrecht zu begründen. In der Regel verfolgen Portfolioinvestitionen nicht das Ziel, einen strategischen Einfluss auf die Zielunternehmen auszuüben. Deshalb sind kapitalmäßige Minderheitsbeteiligungen von institutionellen Investoren auf den ersten Blick allenfalls von geringer wettbewerblicher Bedeutung für die betroffenen Märkte.
Eine Frage der Größe
Was für den durchschnittlichen Investor gilt, trifft nicht zwangsläufig auch auf die ganz Großen der Branchen zu. Die nach Assets under Management führenden Fondsgesellschaften vereinen eine derartige Menge finanzieller Mittel bei sich, dass sie einen immer größeren Einfluss auf ihre Portfoliounternehmen erhalten. Die Diskussion wird in den USA ebenso geführt wie in Europa und konzentriert sich in erster Linie auf das Verhalten von Investoren mit passiven Anlagestrategien. Die größten von ihnen konnten in der Vergangenheit ihre Investitionsvolumina deutlich ausbauen und haben gleichzeitig ihre Anlagestrategien immer weiter diversifiziert.
Investoren halten häufig Anteile an verschiedenen konkurrierenden Unternehmen – eine sogenannte indirekte horizontale Verflechtung zwischen den Portfoliounternehmen derselben Branche. Bekannt geworden sind solche Verflechtungen insbesondere im Bereich der Bank- und Finanzwirtschaft sowie dem Grundstücks- und Wohnungswesen. Auch im Rahmen einer Großfusion zwischen Brauereien sollen sie zuletzt eine Rolle gespielt haben.
Das leise Sterben des Wettbewerbs
Wenn ein einzelner Fonds Eigentumsrechte an allen wesentlichen Anbietern innerhalb einer Branche in seinen Händen bündelt, so erhält er damit eine neue Form von Einflussmöglichkeiten. Betriebe er all diese Unternehmen selbst, in der Form unterschiedlicher Marken, so gäbe es für ihn keinerlei Anreiz, sich selbst Konkurrenz zu machen.
Wissenschaftler sehen in der zunehmenden Beteiligungskonzentration und in der Bündelung an Eigentumsrechten ganzer Branchen einen wettbewerbsberuhigenden Effekt. Mit der Eigentümerstruktur verändere sich aufgrund einer Inkongruenz zwischen dem Gewinninteresse einer Firma und dem seiner Eigentümer auch das Wettbewerbsverhalten der Unternehmen. Im Kern stellen die Verfechter dieser These dabei die Frage: Warum sollte Unternehmen A den Preis von Wettbewerber B unterbieten, wenn beide den- oder dieselben Investoren zu ihren Eignern zählen? Intensiver Wettbewerb zwischen den Portfoliounternehmen würde dem Interesse des Investors auf Gewinnmaximierung schaden – denn mit den Preisen sinken auch die Gewinnmargen.
Dieser Effekt wird noch verstärkt durch das Zusammenwirken mehrerer großer Investoren. Ihre Kapitalbeteiligungen überschneiden sich in vielen Märkten, was dazu führt, dass sie ein gemeinsames Interesse an einem möglichst schwachen Wettbewerb haben. Verflechtungen zwischen den einzelnen institutionellen Investoren schließlich verstärken diesen Effekt noch.
Rechtliche Bewertung
Aus kartellrechtlicher Perspektive scheinen die rechtlichen Möglichkeiten, die beobachteten Phänomene aufzugreifen, erst einmal begrenzt. Die Fusionskontrolle erfasst Minderheitsbeteiligungen nur dann, wenn sie dem Investor Kontrolle oder jedenfalls wettbewerbliche erhebliche Einflussmöglichkeiten über das Portfoliounternehmen vermitteln. Das dürfte bei Kapitalbeteiligungen von unter zehn Prozent zumindest erheblichen Begründungsaufwand bedeuten.
Zu einem anderen Ergebnis käme man allerdings, wenn man die Beteiligungen von Fondsgesellschaften bei der Fusionskontrolle gemeinschaftlich betrachtete. Diesen Ansatz zumindest hat die Monopolkommission vorgeschlagen. Ob er sich rechtlich umsetzen lässt, muss sich erst noch zeigen.
Für den Moment kommt für die Behörden also nur in Frage, die anstehenden Sachverhalte wie gehabt nach den Regeln des Kartellverbots zu beurteilen. Dabei gibt es das Hindernis, dass die wettbewerbsmindernde Wirkung eines bestimmten Verhaltens allein noch keinen Verstoß begründet. Vielmehr setzt das Gesetz eine Handlung voraus, also etwa eine Absprache zwischen konkurrierenden Unternehmen. Ein bewusstes oder unbewusstes autonomes Parallelverhalten der Portfoliounternehmen kann also für sich genommen noch nicht als Kartellverstoß durch indirekte horizontale Verflechtungen zwischen Wettbewerbern gewertet werden. Es bedarf vielmehr einer direkten oder indirekten Verständigung zwischen konkurrierenden Portfoliounternehmen, die auf eine planmäßige Koordination des Marktverhaltens gerichtet ist.
Eine solche „aktive“ Einflussnahme von Fondsgesellschaften mit dem Ziel einer Koordinierung des Wettbewerbsverhaltens von konkurrierenden Portfoliounternehmen wird sich jedoch nur im Ausnahmefall feststellen lassen. Klassische Absprachen sind, wenn man obiger Schadenstheorie folgen mag, schon gar nicht notwendig, um die wirtschaftlichen Interessen der Fondsgesellschaften zu erreichen.
Allerdings untersucht die amerikanische Wettbewerbsbehörde DOJ aktuell, ob US-Flugunternehmen ihr Preis- und Kapazitätsverhalten über öffentliche Gespräche mit ihren Anteilseignern abgestimmt haben. Auch personelle Verflechtungen zwischen Fondsgesellschaften könnten Verdachtsmomente für eine kartellrechtlich unzulässige Verhaltensabstimmung begründen, ebenso wie öffentliche Aufrufe zu Preiserhöhungen oder unter den Fondsgesellschaften abgestimmte Einflussnahme auf die Grundsätze der Unternehmensführung von Portfoliogesellschaften.
Eine Frage der Wirtschaftspolitik
Es ist davon auszugehen, dass dieses Thema eine Rolle spielen wird im Rahmen einer möglichen Weiterentwicklung der europäischen Fusionskontrolle. Sollten die sektorspezifischen Untersuchungen, die die Monopolkommission angeregt hat, das Ergebnis erbringen, dass Unternehmensverflechtungen Einfluss auf das Marktergebnis haben, so wird der damit verbundene Handlungsbedarf auch in Deutschland die Diskussion über die Marktmacht von Fondsgesellschaften weiter anheizen.
Nach der geltenden Rechtslage müssen sich die betroffenen Unternehmen deswegen keine Sorgen machen, wenn und soweit sie ihre Einflussmöglichkeiten auf ihre Portfoliounternehmen tatsächlich "passiv" wahrnehmen. Vorsicht lässt es allerdings geboten erscheinen, gegebenenfalls mit Blick auf die bestehenden Compliance-Vorkehrungen an einzelnen Stellen nachzujustieren. Die Wettbewerbsbehörden jedenfalls werden das Thema weiterhin auf dem Schirm haben.
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*) Dr. Michael Dietrich ist Partner bei der Wirtschaftskanzlei Herbert Smith Freehills.
Das Kartellamt und die Investoren

Dr. Michael Dietrich