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Buchbesprechung: „This Time is different“ von Carmen M. Reinhart und Kenneth S. Rogoff

Acht Jahrhunderte finanzielles Drunter-und-drüber….

Buch: This time is different

Das Buch: “This Time is Different. Eight Centuries of Financial Folly", Princeton University Press, Princeton, 2009, xlv + 463 p.

Die Autoren:
  Carmen M. Reinhart, Kenneth S. Rogoff

Der Rezensent:
 Dr. Oliver Roll, Managing Director, max.xs financial services AG

Die Rezension

Ein historisches Phänomen, welches wir nur noch aus der geographischen oder zeitlichen Ent­fernung zu kennen schienen, ist wieder bei uns angekommen: Staatsbankrott. Seit die Zeitungen mit der "PIGS"-Krise voll sind, spätestens seit Griechenland jeden Tag die Titelseiten füllt, ist dieses mögliche Ereignis nicht mehr eines von „Bananenrepubliken“ oder längst vergangener Zeiten, sondern ganz nah, im Euro-Raum.

Wenn ich früher Geschichtsbücher las, so musste sich aus der Perspektive eines europäischen Nachkriegsgeborenen immer die Einsicht einstellen, dass Kriege in früheren Zeiten – für uns ist das lange her! – ein außerordentlich häufiges, his­torisch gesehen ganz „normales“ Ereignis waren: Die „Politik mit anderen Mitteln“ war ein häufiges und immer wiederkehrendes Phänomen.

Liest man Reinharts und Rogoffs Buch „This Time is Different“, so stellt sich die Erkenntnis ein, dass Staatsbankrotte, Defaults, Banken­krisen und all das in der Wirtschaftsgeschichte ganz normale Ereignisse sind – vergleichbar den „Sollbruchstellen Krieg“ in der politischen Historie. Sie sind „normal“, weil immer wieder auftretend und schrecklich ähnlich sowohl in ihren Ursachen wie in ihrem Verlauf. Noch mehr ähneln sie sich in einer Art von Realitätsverlust in der unmittelbaren Zeit vor der Krise, das heißt in der Phase des Wachsens von Blasen und Problembergen: Darauf bezieht sich der von den Autoren selbst ironisch gemeinte Titel, dass es dieses Mal anders sei…

Carmen Reinhart ist Wirtschaftsprofessorin an der University of Maryland, Kenneth Rogoff, Jahr­gang 1953, ist Professor in Harvard und war u.a. 2001—2003 Chefökonom des Internationalen Währungs­­fonds. Er scheut als passionierter Schachspieler ('Internationaler Großmeister') auch öffentliche intellek­tuel­le Dispute nicht (so zum Beispiel in seiner IWF-Zeit mit Joseph Stiglitz).

Reinhart und Rogoff untersuchen die Empirie von insgesamt ca. 800 Jahren Wirtschaftsgeschichte und 66 Ländern. Ihr Buch ist voll von Tabellen, Graphiken, Beispielen, Materialien – eine wahre Fund­grube. Es ist darüber hinaus ein Werk, dass den Leser demütig machen kann, wenn wir unsere Krise, die wir gegenwärtig er- und durchleben, in eine derartige historische Perspektive einbetten und erkennen, wie wenig außergewöhnlich in dieser Langfristperspektive das ist, was uns seit 2007 oder 2008 erfasst hat.

Gleichwohl muss man ein paar Dinge kritisch bewerten: Es ist nämlich fast ein wenig schade, dass soviel Material vor dem Leser ausgebreitet wird, welches gar nicht ausreichend interpretiert und erläutert werden kann. Viele der Tabellen und Graphiken sind optisch unschön und machen die Lektüre holprig, ja mühsam. Auch fehlt mir zu oft die wirkliche Analyse und Unterscheidung, wenn es darum geht, ob Daten, Zeitreihen und Phänomenologie wirklich Ursache sind oder nur Ausdruck von Entwicklungen. Insofern bleibt den 'Policy Makers' viel Arbeit, wenn sie aus dieser umfassenden Untersuchung Lehren ziehen wollen – die fallen mir dann doch auch nicht alle eindeutig genug aus. Aber die Fundamente liegen in diesem Werk und eine Reihe von konkreten Vorschlägen warten auf ihre Umsetzung. Krise als Chance.